Laute Bässe, stupide Songtexte, gute Laune – so kennt man Scooter seit 1993. Beim "Wild & Wicked“-Tour-Finale in der Bremer ÖVB-Arena zeigt das Trio: Auch 25 Jahre später ist die Show noch hardcore.
Der Rhythmus des Abends ist Techno. Schon auf dem Vorplatz der ÖVB-Arena ist am Samstagabend klar, wer die fast ausverkaufte Halle füllen wird. Schnapsflaschen liegen verwaist auf dem Asphalt, Menschentrauben bilden sich um einen tiefergelegten Skoda, „Always Hardcore" steht auf der Heckklappe. Kurzzeitig als Minidisko umfunktioniert, wummert Scooters Techno-Klassiker „Maria, (I Like It Loud)" aus den Boxen der Blechkiste. Es fließt Bier, viel Bier. Unter der jüngeren Generation auch als „vorglühen" bekannt, nennt man den Akt des Sich-Mit-Alkoholischen-Getränken-Aufheizens an diesem Abend „vorhypern". Schon draußen versteht man sein eigenes Wort kaum noch vor lauter gegrölter Döp-Döp-Döps.
Seit 25 Jahren ist die Techno-Dance-Band Scooter um Frontmann H. P. Baxxter ein Dauerbrenner und Chartgarant. In diesem Jahr feiert die Kombo ein Vierteljahrhundert musikalischen Minimalismus. "100% Scooter - 25 Years Wild & Wicked" ist der Titel der dazugehörigen Arenentour, deren Finale die Band am Samstagabend in der ÖVB-Arena zelebrierte - ein "Best of" durch die Geschichte der Band, die auf über 30 Millionen verkauften Tonträger, 19 Studioalben und 65 Singles zurückblickt. 23 Titel davon gaben sie vor Bremer Publikum zum Besten.
Der Abend beginnt um 20.11 Uhr mit einem einstündigen Set von DJ Jerome. Der soll das Publikum angemessen auf die kommende Techno-Walze vorbereiten - wurde aber anscheinend nicht angekündigt. Manch einem Zuschauer reißt deshalb schon wenige Tracks später der Geduldsfaden. „Will der uns verarschen? Wo sind Scooter? Ich will jetzt Hardcore!", raunt ein Mittzwanziger seinem Nebenmann zu. Eine Frau in Neonkleid seilt sich leuchtend wie ein Glühwürmchen treppabwärts das Geländer des Südrangs entlang und kreischt „Hyper, Hyper", andere Fans stimmen ein. Sie alle warten auf den großen Hype.
Der betritt kurze Zeit später mit einem lauten Knall die Bühne. Das milchschnittige Musik-Trio, in der Mitte der platinblondierte H.P. Baxxter, der eigentlich Hans Peter Geerdes heißt und mal Jura studiert hat, rechts und links die dunkelhaarigen Bandkollegen am Mischpult, spielt zum ersten Mal in der ÖVB-Arena. Ein guter Grund, den Lautstärkeregler schon direkt beim ersten Song „One (Always Hardcore)" auf Anschlag zu drehen. Begleitet wird das Spektakel von einer wahrlich beeindruckenden Licht- und Feuershow, reichlich Pyros und leicht bekleideten Go-go-Girls.
Ruckartige BewegungenNacheinander feuern Scooter ihre Hits ab: Stramme Bässe stampfen bei „Nessaja", „Oi" und „Can´t Stop The Hardcore" mal mehr, mal weniger (eher mehr) aggressiv und bringen die Menge zum Toben. In ruckartigen Bewegungen verschmelzen die Gestalten mit den Klängen, werfen wild und ungestüm Arme und Beine in die Luft. Ab und zu gönnt sich das Publikum eine kurze Pause, wenn Alt-Raver Baxxter Animateur-artige Sprüche wie „I Want To See You Sweat" mit einer durch den Kompressor geschickten, tiefen Bruststimme in den Raum röhrt, um dann - drei, zwei, eins - die Füße wieder im Stakkato vom Boden zu lösen.
Die scooter'sche Baller-Poesie ist bekanntermaßen zusammenhangslos, ein lyrischer Zauberwürfel epischen Ausmaßes. Ausrufe wie „Hyper, Hyper", „Jigga, Jigga" oder „Bora, Bora" lassen Sprachwissenschaftler bis heute ratlos zurück - sind aber gleichzeitig auch das Erfolgsrezept der Band. Der Grund (zumindest einer davon), warum sich Scooter seit 1993 konstant über Wasser hält, ist der stupide, aber eingängige Grundtenor der Lieder. Wer den 25-jährigen Hype um Scooter verstehen will, muss sich bloß einmal einer zweistündigen Rumms-Rumms-Techno-Kur unterziehen. Es mag absurd klingen, aber auch ein geröhrtes „Döp, döp, döp" kann zuweilen Entspannung herbeizaubern. Sozusagen das Yoga der Technoszene: Endlich Hirn aus, gute Laune.
Scooter können es nochWarum sich H.P. Baxxter bis zum Schluss fast ausschließlich auf Englisch an seine Zuschauer richtet, bleibt ähnlich rätselhaft wie die Frage, wie viel denn nun eigentlich dieser ominöse Fisch kostet. Dennoch: Man kommt nicht umhin, auf der wasserstoffblonden Hyper-Welle, getragen von der Begeisterung der Masse, mitzuschwimmen. Scooter können es noch. Auch nach 25 Jahren ist die Band immer noch ziemlich hardcore.
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