Der Alltag im Frankfurter Frauenknast ist trist. Mit einem Yoga-Kursus will Susanne Theissen den Inhaftierten helfen, das Leben hinter den auern für kurze Zeit zu vergessen.
Susanne Theissen freut sich darauf, ins Gefängnis zu kommen. Sie parkt ihr Auto vor einer sechs Meter hohen Mauer. „JVA Frankfurt 3" steht auf einem Schild. Theissen greift nach einer Yoga-Matte und steigt aus dem Wagen. An einer wuchtigen Eisentür zieht sie den Personalausweis aus der Manteltasche und reicht ihn dem Justizvollzugsbeamten. Der guckt kaum hin: Theissen kennt er längst. „Routine", murmelt er und drückt auf einen Knopf. Als sich die Tür öffnet, tritt Theissen ohne zu zögern ein.
Seit drei Jahren kommt sie einmal die Woche in das Frauengefängnis Preungesheim. Die 44 Jahre alte Frau arbeitet ehrenamtlich. Theissen bietet straffälligen Frauen einen 90 Minuten langen Yoga-Kurs an. Er soll der Resozialisierung dienen und sie dazu animieren, sich auch nach der Haft körperlich und geistig zu üben. Theissen ist eigentlich Geschäftsfrau. Sie hat einen Laden im Frankfurter Nordend für Mode, Möbel und Kunst. Vor sieben Jahren hat sie Yoga für sich entdeckt. Die aus Indien stammende Philosophie habe ihr geholfen, zu sich zu finden, sagt sie. Die Erfahrung will sie mit den inhaftierten Frauen in Preungesheim teilen.
Theissen folgt dem Sicherheitsbeamten über den Hof, vorbei an Backsteingebäuden mit vergitterten Fenstern. Bei jedem Schritt rasseln die Schlüssel an dem rostigen Bund, den der Mann am Gürtel trägt. Außer den beiden ist niemand auf dem Hof. Erst am späten Nachmittag dieses Samstags dürfen alle Gefangenen nach draußen, dann ist eine Stunde Hofgang. Vor einem grauen Gebäude macht der Beamte halt und schließt die Tür auf. Lächelnd tritt die Yoga-Lehrerin hindurch. Hinter ihr fällt die schwere Tür ins Schloss.
Zehn blaue KautschukmattenAnfangs sei es beklemmend gewesen, hinter Mauern eingesperrt zu sein, sagt Theissen. Mittlerweile genieße sie den wöchentlichen Gang in das einzige Frauengefängnis in Hessen. Dort sitzen zurzeit 300 Frauen ein. 278 Zellen und 686 Sicherheitstüren verbergen sich hinter den Mauern. Das Gefängnis umfasst sämtliche Haftarten: Untersuchungs-, Abschiebe- und Strafhaft, Sicherungsverwahrung und Jugendhaft. Außerdem gibt es eine Abteilung für den offenen Vollzug und ein Mutter-Kind-Heim.
Theissen geht den dunklen Flur entlang bis zu einer Tür auf der rechten Seite. Sie führt in eine kleine Sporthalle. In der Ecke liegen viele blaue Kautschukmatten. Theissen nimmt zehn Stück und verteilt sie gleichmäßig im Raum. Dann zieht sie den Mantel aus und wartet.
Aus dem Flur dringen Stimmen. Langsam öffnet sich die Tür, neun Frauen betreten den Raum. Die meisten von ihnen sind jung, eine ist erst 17 Jahre alt. Doch auch zwei Inhaftierte jenseits der Fünfzig nehmen teil. Einige sprechen Deutsch miteinander, andere Spanisch, Englisch oder eine Mischung. Die Gefangenen tragen keine Anstaltskleidung, stattdessen Sporthose und Pullover. Alle Frauen umarmen Theissen lange. Danach lassen sie sich auf den Matten nieder. Theissen sagt, der Kontakt zu den Frauen sei von Anfang an problemlos gewesen. „Respekt und ein Umgang auf Augenhöhe sind uns wichtig. Die Frauen vertrauen mir." Angst habe sie nie empfunden.
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