Bei diesem Spiel ging es für viele um nicht weniger als die Frage, wem der Fußball gehört. Der FSV Zwickau, am Sonntag von fast 1000 Fans begleiteter sächsischer Traditionsverein, tritt an bei RB Leipzig, offiziell gegründet im Juli 2009. RB steht für Rasenballsport, gemeint ist aber der Brausehersteller Red Bull.
Der Sponsor und Investor stellt für die kommenden Jahre 100 Millionen Euro zur Verfügung, damit das Team die provinzielle Oberliga Nordost-Süd und den kleinen Spielort Markranstädt Richtung Leipzig verlassen kann. In der Bundesliga sollen dann Logo und Name des süßen Getränks noch bekannter werden.
Mit dieser Art von PR sind die Zwickauer Fans Danny und René alles andere als einverstanden. "Red Bull macht die Traditionsklubs kaputt", sagt Danny. Ein Verein steigt aus der fünften Liga auf, mit seinen teuer eingekauften Spielern ist das Red-Bull-Team dafür erster Anwärter. "Eine verlorene Saison" befürchtet Danny deshalb für seinen FSV.
Auf seinem T-Shirt steht "BSG Sachsenring Zwickau", so hieß der Klub bis zum Ende der DDR. Das Shirt spannt über Dannys massigem Oberkörper, der große Mann mit den dunklen, kurzgeschnittenen Haaren sieht so aus, als nähme er eine Schlägerei in Kauf, wenn er sie für richtig hält. "Wir planen keine Gewaltaktionen", sagt er aber.
Mehrere Trupps von Polizisten in schwarzen Kampfanzügen bewachen die Fans. Auf einer Nebenstraße stehen zwei gepanzerte Wasserwerfer-Fahrzeuge sichtbar bereit. Das kleine Stadion am Bad liegt idyllisch zwischen Wald und Reihenhäusern. Doch für diesen Tag haben Anhänger verschiedener, teilweise sogar verfeindeter Vereine Randale angekündigt. Durch ihr identisches Feindbild entdecken etwa Rivalen aus Zwickau und Aue Gemeinsamkeiten: Stolz auf die Vergangenheit, kaum Erfolge in der Gegenwart. "Wenn es gegen Red Bull geht, toleriert man sich - in Grenzen", sagt René.
Gewalt bleibt dann aus, ein Mob aus mehreren Fanlagern gibt sich wohl auch wegen des Polizeiaufgebots nicht zu erkennen. So beherrschen die Zuschauer die Kulisse, die zu Red Bull halten: Ein bunter Mix aus älteren Markranstädter Einwohnern, neugierigen Familien und Jugendlichen, die schon vor dem ersten Heimspiel von RB Leipzig einen Fanclub gegründet haben.
Philip und Sebastian von den "L. E. Bulls" reklamieren wie Danny und René auf der anderen Seite einer Sperre aus Polizeiwagen den wahren Fußball für sich. "Wir machen nicht den Fußball kaputt, das sind die da drüben", sagt Sebastian. Philip erzählt, dass er früher Fan von Sachsen Leipzig war. "Aber das war im Stadion immer das Gleiche." Zu viel Gewalt, zu wenig Siege.
Heute sehen sie ein Fußballspiel, das besser ist als in der fünften Liga üblich. Die zweitligaerfahrenen Michael Lerchl und Daniel Rosin bieten tolle Spielzüge, hinten verteidigen die Ex-Bundesligaspieler Ingo Hertzsch und Thomas Kläsener. In der 28. Minute ruft der Stadionsprecher "Tor für RB Leipzig", fünf Minuten davor hieß es noch "Tor für den SSV Markranstädt". So hieß der Verein bis zum Einstieg von Red Bull. "Gewonnen hat heute RB Leipzig-Markranstädt", sagt RB-Sprecher Hans-Georg Felder später etwas säuerlich auf die news.de-Frage zur offiziellen Sprachregelung.
Nach 31 Minuten steht es 3:0, das Spiel an diesem heißen Nachmittag ist entschieden. "Wir wollen keine Red-Bull-Schweine", tönt es frustriert aus der Zwickauer Kurve. Das Sonntagspublikum auf der anderen Seite zieht es an den Bratwurststand. Das Bier ist im ganzen Stadion ist alkoholfrei. "Polizeianweisung", verrät die Dame hinterm Tresen, "wir haben auch Red Bull". Das dachte man fast.
Die Preise sind auch für Cola günstig, auf dem Platz stehen auch Spieler, die schon für SSV Markranstädt gespielt haben. Der Weltkonzern gibt sich volksnah, auch wenn das bei Manfred Wolf nicht ankommt. Seit 50 Jahren geht er in Markranstädt zum Fußball, seit dieser Saison hat er nicht mehr seinen Stammplatz auf der Haupttribüne: "Diese Tickets gehen jetzt unter der Hand weg", sagt er. Was er macht, wenn der Klub mal wie geplant ins große Leipziger WM-Stadion umzieht? "Dann gucke ich hier die zweite Mannschaft", sagt der 66-Jährige gleichmütig.
Viele junge Zuschauer dagegen kaufen für 13 Euro Fanschals mit dem Red-Bull-Firmenlogo. Nach dem 4:0 werden die zunächst schüchternen Anfeuerungsrufe der 23 Fans von den "L. E. Bulls" lauter. Der Stadionsprecher verkündet die Zuschauerzahl: 2565 sind viel fürs erste Spiel und viele werden wohl wiedergekommen.
"Erfreut und erleichtert" ist Felder, da es friedlich geblieben ist. Die Maßnahmen von Sicherheitsdienst und Polizei hätten gegriffen. Nachdem Spieler von RB Leipzig zuletzt in Jena bedroht und bespuckt wurden, wurde jedes Match mit RB zum Hochsicherheitsspiel ausgerufen. "Jetzt wird man sehen, ob das so bleiben muss", sagt Felder zu news.de.
Ob sich im Osten die traditionsbewussten Hardcore-Fans oder Zuschauer, die einfach die Bundesliga nicht nur im Fernsehen sehen wollen, mit ihrer Vorstellung vom Fußball durchsetzen, wird wohl doch sportlich entschieden. Dabei ist RB Leipzig mit seinen besseren und besser bezahlten Spielern klar im Vorteil.
kru/hem/news.de