Outdoorhersteller definieren sich über die Funktionalität ihrer Produkte. Ökologische Unternehmensführung und Projekte sind Image-Tool. Die soziale Verantwortung wurde bisweilen kaum thematisiert. Jetzt machen Nichtregierungsorganisationen gemeinsam mit Massenmedien Druck.
Am 13.07. 2010, pünktlich zur Outdoor, wurden in einem Spiegel Online-Artikel die Ergebnisse einer Studie der ›Clean Clothes-Campaign‹ veröffentlicht. Der Titel lautete ›Outdoor-Hersteller fallen bei sozialer Verantwortung durch‹. Für die Studie wurden 15 international agierende Hersteller nach ihrem Geschäftsgebahren befragt. Das Ergebnis war, so der Spiegel-Kommentar: „ernüchternd". Kritisiert wurde eine mangelhafte Kontrolle der Arbeitsbedingungen in Billigproduktionsländern. Kritikpunkt: Mangelnde Transparanz Die namhaften Unternehmen, die von Clean Clothes untersucht wurden, können zwar einen ›Code of Conduct‹ oder Sustainability-Beauftragte im Unternehmen vorweisen, aber für die Durchführenden der Studie waren die sozialen Maßnahmen vielfach nicht ausreichend. Näher an den relevanten Kriterien waren in der Regel Unternehmen, die sich bereits dem Konzept der Corporate Social Responsility (CSR) (freiwillige ökosoziale Verantwortung) verschrieben haben - wie etwa Mammut. Ein Beispiel für die Unternehmensbewertung in der Clean Clothes-Studie: Patagonia, Pionier puncto Umweltbewusstsein, schnitt nach den sozialen Kriterien weniger gut ab, weil das Unternehmen in seinen Produktionsstätten den ›gesetzlichen Mindestlohn‹ akzeptiere. Patagonia ist Mitglied in der amerikanischen Verifizierungsinitiative ›Fair Labor Association‹ (FLA), die offenbar weniger strenge Sozialkriterien verfolgt.
Der Existenzlohn wird gefordert, um zu sichern, dass der Lohn die lebensnotwendigen Ausgaben abdeckt.
Weiters wurden in der Studie erzwungene Überstunden, die Einschüchterung von Gewerkschaftsmitgliedern sowie vorangekündigte Kontrollen thematisiert. Auf den Punkt gebracht sind die Missstände in den ›Code of Labour Practices‹ der niederländischen Verifizierungsinitiative Fair Wear Foundation (FWF). Die acht Kodizes wurden aufgrund der UN-Menschenrechtserklärung erstellt. FWF gilt als einer der strengsten Kontrolleure von Arbeitsbedingungen. Seine derzeit 45 Mitglieder haben sich zur Einführung eines Managementsystems verpflichtet, das die Umsetzung dieser Kodizes erlaubt. Die Mitgliedsunternehmen führen sowohl Schulungen als auch Kontrollen in den Produktionsstätten durch. Last but not least prüft die Foundation als unabhängige Stelle. Betroffene unter Zugzwang Die in dem Spiegel Online-Artikel genannten Unternehmen fühlen sich ungerecht behandelt. Schließlich sei die Outdoorbranche im Vergleich zu anderen textilverarbeitenden Branchen vorbildhaft, so Marc Wachter, Marketing Marmot. Bei Vaude legt man Wert auf die Feststellung, dass die Studie auf einer Befragung von Unternehmen beruhe. Ein Mangel, wie z.B. das Fehlen einer unternehmensunabängigen Kontrolle, besage also nicht, dass es in den Produktionsstätten tatsächlich Misstände gibt. Trotzdem hat die Veröffentlichung der Studie ihre Wirkung getan: Das deutsche Unternehmen Vaude veröffentlichte die Absicht, die Produktion in der Militärdiktatur Burma zu beenden und der Fair Wear Foundation beizutreten. Das amerikanische Unternehmen Marmot prüft derzeit die Optionen einer Mitgliedschaft. Das deutsche Unternehmen Schöffel reagierte zwei Wochen nach Erscheinen des Artikels: Mit der Erklärung der Beitrittsabsicht via Pressemitteilung. Dabei tritt das deutsche Unternehmen auch für die Schaffung eines einheitlichen Branchencodes ein - vergleichbar mit dem Oeko-Tex Standard 100, einem weltweit einheitlichen Prüf- und Zertifizierungssystem für textile Roh-, Zwischen- und Endprodukte. Hintergrund der Forderung eines einheitlichen Standards ist die Tatsache, dass Produktionsunternehmen in der Regel für verschiedene Auftraggeber arbeiten. Nun fürchten vor allem kleinere Brands, die Produktionsstätten nicht exklusiv nutzen, durch die Umsetzung der Verhaltenskodizes Produzenten zu verlieren. Da Produzenten nicht nach verschiedenen Kodizes arbeiten können. Dazu kommt, dass die Unternehmen mit zwanzig und mehr Zulieferern arbeiten. Die Mitgliedschaft in einer Foundation wie Fair Wear bedeutet einen erheblichen Mehraufwand. Implementierung der Kodizes in den Unternehmensablauf Bei Jack Wolfskin ist man bereits vertraut mit der Umsetzung des Managementsystems. Das deutsche Unternehmen ist - nach einem Jahr Vorlaufzeit - seit 1. Juli 2010 Mitglied der Fair Wear Foundation. Ingola Metz, Pressesprecherin, berichtet, dass die FWF die Durchsetzung des menschenrechtskonformen Managementplans in den betroffenen Produktionsstätten mit angebrachter Geduld verfolge. Man gestehe den Produzenten Nachbesserungen zu. In den Mitgliederverträgen der FWF wird kein Zeitrahmen gesetzt. Jeder kann jederzeit austreten. Wer dabei bleibt, genießt den Schutz der renommierten Foundation, akzeptiert aber gleichzeitig einen fortwährenden Optimierungsprozess. Metz spricht von beträchtlichen Ressourcen zeitlicher, personeller und finanzieller Natur. Das zeige sich schon vor Beitritt. Denn Bedingung für die Mitgliedschaft sei die Erstellung eines zielorientierten Arbeitsplans und eine Liste der zuliefernden Unternehmen. Bei Wolfskin betrug die Vorlaufzeit ein Jahr. Der jährlich zu entrichtende Mitgliedsbeitrag wird am Unternehmensumsatz bemessen. Bei einem Unternehmensumsatz von 25 bis 30 Mio. € liegt dieser bei 5.500 €, bei einem Unternehmensumsatz von 100 bis 125 Mio. € bei 15.000 €. Zusätzlich der laufenden Kosten spricht Metz von einem nicht unerheblichen Betrag. Trotzdem könne man sich bei Wolfskin die Verlagerung eines größeren Teils der Produktion nach Europa nicht mehr vorstellen. Man sei bereit, die soziale Verantwortung zu übernehmen. Ein Fakt der - neben den strengen Kontrollen - für die Fair Wear Foundation spricht, ist der Multistakeholder-Ansatz, der jedem Glied in der Kette ein Stimmrecht gibt. Unter Stakeholder (engl.: Teilhaber) versteht man die Branchenverbände, Textilwirtschaft, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, die die Foundation 2001 in den Niederlanden gründeten. Einer der Stakeholder ist übrigens Clean Clothes, Urheber besagter Studie. Dass Clean Clothes die Fair Wear Foundation empfiehlt, ist also naheliegend. Auch wenn Marianne Ernstberger, Koordination FWF Schweiz, anmerkt, dass selbst die FWF von Clean Clothes kritisiert werde. Wenn die Branche einen einheitlichen Branchencode hinsichtlich des sozialen Engagements fordert, so sieht es derzeit so aus, als liefere diesen die Fair Wear Foundation als derzeit strengster Kontrolleur. Dazu Ingola Metz: "In einem Jahr wird man mehr wissen."
Begriffserklärung CSR Corporate Social Responsibility(CSR) = ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, um auf freiwilliger Basis soziale und ökologische Belange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrieren. Wesentlich ist der Bechluss über gesetzliche Mindestanforderungen und auf tarifvertraglichen Regelungen beruhende Verpflichtungen hinauszugehen, um gesellschaftlichen Notwendigkeiten gerecht zu werden.
Erschienen in Textil Zeitung, 29. Juli 2010