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Regierungsentwurf zu Urheber-Verträgen: Reaktionen und Streitpunkte im Überblick

Die Bundesregierung hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Reform des Urhebervertragsrechts auf den Weg gebracht. Der Entwurf des Kabinetts mit dem Titel „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung" (PDF) unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom ursprünglichen Entwurf (PDF), den das Justizministerium im Herbst 2015 erarbeitet hatte.

Zum Entwurf reichten bis Ende letzten Jahres zahlreiche Interessenverbände ihre Stellungnahmen ein. Diese Eingaben seien zum Teil im Regierungs-Entwurf berücksichtigt worden, sagte Matthias Schmid, Referatsleiter im Justizministerium am Dienstag auf einer Konferenz zum Urheberrecht. Er verwies darauf, dass am Regierungs-Entwurf auch das Wirtschaftsministerium und die Staatsministerin für Kultur und Medien mitgearbeitet haben.

Statt jedoch auf die Änderungen inhaltlich einzugehen, verwies Schmid lediglich auf die Geschäftsordnung der Bundesregierung. Diese besage, dass die von der Bundesregierung beschlossenen Vorlagen durch den zuständigen Bundesminister vertreten werden. Aus der Geschäftsordnung zitierte er: „Die Vertretung hat einheitlich zu erfolgen, auch wenn einzelne Bundesminister anderer Auffassung sein sollten." Dann blickte er kurz ins Auditorium und sagte: „Das ist mein Beitrag zur Diskussion". Justizminister Heiko Maas (SPD) wird zum Entwurf mit folgenden Worten zitiert: „Unsere Reform hilft den Kreativen, ihre Ansprüche auch durchzusetzen. (...) Wir stärken die Position der Kreativen, ohne die Geschäftsmodelle der Verwerter zu gefährden."

Reaktionen auf den Kabinetts-Entwurf

Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag verbucht die geänderten Passagen im Regierungsentwurf als ihren Erfolg. In einer Mitteilung ihrer Abgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker und Stefan Heck heißt es, dass ihre Kritik am Entwurf aus dem Hause Maas Früchte getragen habe, beispielsweise beim geplanten Rückrufrecht für Urheber-Verträge nach fünf Jahren. Die Änderung hätte andernfalls die Position der Verwerter geschwächt und am Ende zu weniger Vergütung für Urheber geführt, heißt es. Das nun vorgesehene Zweitverwertungsrecht nach zehn Jahren hingegen komme einem Verhältnis zwischen Urhebern und Verlegern „als Partnern" entgegen.

Die Bundestagsfraktion der SPD bewertet den Regierungs-Entwurf zurückhaltender und kündigt an, einzelne Regelungen erneut zu diskutieren. In einer Mitteilung der Abgeordneten Siegmund Ehrmann und Christian Flisek heißt es, sie würden sich „im nun einsetzenden parlamentarischen Verfahren zum Gesetzentwurf weiter mit den zentralen Regelungen des Gesetzentwurfes auseinandersetzen und diese intensiv prüfen". Im Fokus stünden dabei die Vorschläge zum Rückrufrecht und zum Auskunftsanspruch.

Deutlichen Unmut äußern zahlreiche Urheberverbände, die den Regierungs-Entwurf zum Teil heftig kritisieren. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht eine „bis zur Unkenntlichkeit verwässerte Reform, die die Situation der Urheber nicht verbessert, sondern den Status quo in Stein meißelt", so die Pressemitteilung. Es sei bedauerlich, dass Justizminister Maas dem Druck der Verwerter nachgegeben und „die Urheber auf dem Altar der Lobbyisten geopfert" habe.

Der Bundesverband Regie (BVR) nennt den Kabinettsentwurf ein „Verschlimmbesserungsgesetz". Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm ( AG DOK) wiederum schreibt in einer Stellungnahme, Dokumentarfilmer fühlten sich von der Bundesregierung „verschaukelt, verraten und verkauft". In der Ressortabstimmung zwischen Maas und Kulturstaatsministerin Grütters sei die Ursprungsidee der Gesetzesreform „pulverisiert" worden. Der Drehbuchautor und Produzent Fred Breinersdorfer meint, das Vorhaben solle besser „Gesetz zur Eindämmung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung" genannt werden.

Die Initiative Urheberrecht, in der rund 35 Urheberverbände zusammengeschlossen sind, erklärt in einer Stellungnahme: „Dieser Entwurf gibt den Urhebern Steine statt Brot. Die Regierung hat ihre Versprechungen großenteils nicht erfüllt, wenn dieser Entwurf Gesetz werden sollte."

(Update) Der Schriftstellerverbands VS ist laut Börsenblatt der Meinung, der Gesetzentwurf werfe die „Bemühungen und Forderungen der Urheberinnen und Urheber in die Abhängigkeit des letzten Jahrhunderts zurück". Für den Bundesverband Schauspiel (BFFS) sei „aus dem ursprünglichen Ziel der Bundesregierung, ein Urheber- und Künstler-Stärkungsgesetz zu schaffen, ein Urheber- und Künstler-Schwächungsgesetz geworden", heißt es in einer Pressemitteilung.

Die Streitpunkte im Detail

Die Kritik am Gesetzentwurf der Regierung entzündet sich vor allem an vier Punkten. Die Unterschiede zwischen geltendem Gesetz, Referenten-Entwurf des Justizministeriums und dem abgestimmten Regierungs-Entwurf lassen sich im Detail in einer Synopse (PDF) nachlesen, die das Institut für Urheber- und Medienrecht erstellt hat.

1. Vergütung von Mehrfachnutzungen

Der Referenten-Entwurf sah eine Neuregelung der „angemessenen Vergütung" für Urheber vor. Festgeschrieben werden sollte ausdrücklich, dass der Urheber für mehrfache Nutzungen desselben Werkes Anspruch auf jeweils gesonderte Vergütung hat. Im Regierungs-Entwurf ist dieser Satz gestrichen. Stattdessen soll die geltende Regelung um den Begriff „Häufigkeit" erweitert werden, sodass er in Zukunft lauten soll:

Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.

Für die Initiative Urheberrecht würde so „der Anspruch auf Bestimmung einer Vergütung für jede Nutzung als Berechnungsgrundlage für ein angemessenes Honorar gänzlich gestrichen werden."

Der Bundesverband Regie sieht in dieser Änderung die Handlungsperspektive des Referenten-Entwurfs ins Gegenteil verkehrt: „Die unmittelbare Anknüpfung der jeweils gesonderten Vergütung an mehrfache Nutzungen entfällt und geht in dem pauschal zusammenfassenden Begriff der ,Häufigkeit' auf. Hier wird der ständigen BGH-Rechtsprechung, den Urheber an den Erträgen aus jeder Nutzung zu beteiligen, erkennbar zuwider gelaufen."

Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) schreibt in einer Stellungnahme: „Der geplante Gesetzeswortlaut darüber, was im Einzelnen ,angemessen' ist, wird durch das völlig neue Kriterium einer „Häufigkeit" von Nutzungen weiter aufgeweicht. Dies schwächt Urheber und Künstler gegenüber Verwertern (...)".

Die AG DOK dazu: „Noch im Februar hatte Justizminister Heiko Maas öffentlich verkündet, dass wenigstens am Kernsatz seiner Urheberrechts-Reform nicht gerüttelt würde: ‚Eine Vergütung ist in der Regel nur dann angemessen, wenn der Urheber für mehrfache Nutzungen desselben Werkes Anspruch auf jeweils gesonderte Vergütung hat,' sollte es in Paragraf 32 heißen. Dieser im ursprünglichen Entwurf enthaltene Leitgedanke hätte der Schlüssel zu wirklich fairen Honoraren sein können - jetzt ist er komplett gestrichen."

Auch für den Interessenverband Synchronschauspieler (IVS) ist der Regierungs-Entwurf mit seinem Begriff der Häufigkeit „ein eher schwammiger Verweis (...) und keine Verbesserung."

(Update) Eva Leipprand, Bundesvorsitzende des Verbands der Schriftsteller (VS), ließ verlauten, ihr Verband halte am Grundsatz fest, „dass jede Art der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ohne Ausnahme angemessen vergütet werden muss."

Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) sieht im Regierungsentwurf, dass dort der Grundsatz gestrichen sei, jede Nutzung bei der angemessenen Vergütung der Urheber und ausübenden Künstler zu berücksichtigen. Damit werde „dem Ausverkauf von Kreativleistungen zum Nulltarif Tür und Tor geöffnet."

2. Auskunftsrecht für Urheber

Während der Referenten-Entwurf vorsah, Verwerter zu jährlicher Rechenschaft zu verpflichten, steht im Regierungs-Entwurf, dass der Urheber einmal jährlich Auskunft verlangen kann. Das soll gegenüber dem „Vertragspartner" gelten statt, wie im Referenten-Entwurf formuliert, gegenüber dem „Werknutzer".

Darüber hinaus schränken drei neue Absätze die Auskunftspflicht des Verwerters ein. So sei der Auskunftsanspruch ausgeschlossen,

soweit der Urheber einen lediglich untergeordneten Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat, der Gegenstand des Urhebers ein Computerprogramm ist oder die Inanspruchnahme des Vertragspartners aus anderen Gründen unverhältnismäßig ist.

Aus diesen neuen Formulierungen lasse sich ablesen, so die Initiative Urheberrecht, dass der vorgesehene Auskunftsanspruch für einen Großteil der Urheber nicht gelten werde, zum Beispiel für Journalisten, Drehbuchautoren, Regisseure und andere Mitarbeiter im Fernseh- und Rundfunkbereich.

Der Vorstand der Spiele-Autoren-Zunft (SAZ) sieht darin „blumige Interpretationsspielräume für Juristen", weshalb „die Informationspflicht als Grundlage für angemessene Vergütung entscheidend eingeschränkt" sei.

Dem Games-Branchenverband Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) geht die Neuregelung weiterhin zu weit, wie es in einer Pressemitteilung heißt: „Der vorgesehene Auskunftsanspruch etwa ist in der Praxis für Unternehmen der Computerspielbranche aufgrund der stark teamorientierten und internationalen Entwicklungsarbeit kaum umsetzbar."

Aus Sicht des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) schafft das geplante „anlasslose Auskunftsrecht eine teure, absolut überflüssige Bürokratie". Besonders die Frage, wann ein solches Auskunftsrecht unzumutbar oder unzulässig sei, weil der Kreative lediglich „einen untergeordneten Beitrag" geleistet habe, würde für Streitigkeiten sorgen, so der VDZ-Geschäftsführer Stephan Scherzer.

(Update) Die Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen erklärt in einer Pressemitteilung: „Wir freuen uns, dass im Regierungsentwurf durchaus pragmatisch die zunächst vorgesehenen Regelungen eines unbegrenzten Auskunftsanspruchs eingeschränkt wurden, die einen ungeheuren bürokratischen Aufwand bedeutet hätten, ohne auf der Urheberseite für eine nennenswerte Vergütung zu sorgen".

Demgegenüber sieht der Bundesverband Schauspiel (BFFS) die Gefahr, dass Kreativschaffende der Filmwirtschaft vom Recht, Auskunft über die Erlöse des Werknutzers aus der Verwertung ihrer Werke zu erhalten, durch Ausnahmeregelungen weitgehend ausgeschlossen würden. Dies würde sogar eine gravierende Verschlechterung gegenüber der Reform von 2002 bedeuten.

3. Zweitverwertungsrecht statt Rückrufrecht und Total-Buy-out-Verträge

Der Referenten-Entwurf sollte den Urhebern erlauben, ein ausschließliches Nutzungsrecht nach Ablauf von fünf Jahren zurückrufen zu können, sofern sich ein anderer Vertragspartner zur Nutzung nach dem Rückruf verpflichtet hat. Dagegen sieht der Regierungs-Entwurf ein spezielles Zweitverwertungsrecht für die Urheber vor. Es greift jedoch nur, wenn der Urheber ein „ausschließliches Nutzungsrecht gegen eine pauschale Vergütung eingeräumt hat". Dann aber

ist er berechtigt, das Werk nach Ablauf von zehn Jahren anderweitig zu verwerten. Für die verbleibende Dauer der Einräumung besteht das Nutzungsrecht des ersten Inhabers als einfaches Nutzungsrecht fort.

Darüber hinaus enthält der Regierungs-Entwurf eine weitere Neuregelung, nach der Urheber unter bestimmten Bedingungen weiterhin Total-Buyout-Verträge schließen können. Beispielsweise, wenn der Urheber

einen lediglich untergeordneten Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbringt; untergeordnet ist ein Beitrag insbesondere dann, wenn er den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung wenig prägt, (...) .

Wenn ein Rückruf erst nach zehn Jahren und nur bei vereinbarten Pauschalvergütungen möglich sei, würde es nach Auffassung der Initiative Urheberrecht für viele Branchen nicht gelten. „Die Praxis der langdauernden Rechtseinräumungen bleibt unverändert bestehen", erklärt sie.

Auch aus Sicht der Gewerkschaft Verdi gibt es für die Regelung kaum einen praktischen Anwendungsbereich. Somit verhindere die Gesetzesvorlage keinen Rechteausverkauf. Der Journalistenverband DJV kritisiert, dass Pauschalverträge mit uneingeschränkter Rechteeinräumung bei Presse, Rundfunk und Agenturen ausdrücklich als zulässig festgeschrieben würden. „Damit ist eine ernsthafte Reform faktisch vom Tisch".

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger ( VDZ) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ( BDZV) hingegen begrüßen ausdrücklich, dass „einige ursprünglich im Entwurf vorgesehene Regelungen - darunter das faktische Verbot von pauschalen Vergütungsvereinbarungen - entschärft wurden."

4. Vergütungsverhandlungen und Verbandsklagerecht

Bei den Regelungen zu den Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln und zum neuen Verbandsklagerecht ist der Regierungs-Entwurf gegenüber früheren Fassungen nahezu unverändert. So soll das neue Verbandsklagerecht die Durchsetzung von vereinbarten Vergütungsregelungen erleichtern und den Verbänden ermöglichen, in Zukunft gegen Verwerter vorzugehen, die diese Vereinbarungen unterlaufen.

Hier halten Urheberverbände ihre Kritik aufrecht, die sie schon am Referenten-Entwurf geäußert hatten: Die Vorgaben für Schlichtungen und Verbindlichkeiten seien nicht weitreichend genug. Für den Bundesverband Regie (BVR) gibt es vor allem deshalb so wenige abgeschlossene Vergütungsregeln, weil diesen die Verbindlichkeit fehle und das vorgesehene Schlichtungsverfahren folgenlos bliebe, wenn einer Partei das Ergebnis nicht passe. Er fordert „die Verbindlichkeit eines Schlichterspruchs und die sofortige Überprüfung der Angemessenheit eines Einigungsvorschlags durch das Oberlandesgericht".

Außerdem müsse das Verbandsklagerecht so gestaltet werden, dass Klagen auch ohne konkrete Nennung des betroffenen Urhebers möglich seien, um zu verhindern, dass dieser auf schwarzen Listen lande. Der DJV sieht vor allem die Gefahr, dass sich Verwerter dem Risiko einer Verbandsklage durch „Verbandsflucht" entziehen könnten.

Auch aus Sicht von Verdi würde das Verbandsklagerecht in der geplanten Form nur bedingt greifen. Die Verwerter könnten sich auch künftig in vielen Fällen den Verhandlungen mit Gewerkschaften und Verbänden von Urhebern entziehen. „Die Verbandsklage kann nur gegenüber solchen Arbeitgebern eingesetzt werden, die mit uns Vergütungsregeln aufgestellt haben. Viele Urheberinnen und Urheber werden also auch künftig mögliche Ansprüche individuell einklagen müssen. Das geht jedoch stets mit einer Gefährdung der beruflichen Existenz einher".

Die Verlegerverbände VDZ und BDZV hingegen kritisieren, dass die Bundesregierung „am problematischen Verbandsklagerecht" festhalte. Es destabilisiere die verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit und missachte europarechtliche Vorgaben.

Offenlegungen: Der Autor ist Mitglied im Vorstand des Vereins Freischreiber. iRights e.V. erhält Zuwendungen des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums.


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