Im Amtsgericht München, Sitzungssaal B275, gibt es Jakob Beyer zwei Mal: einmal als Zuschauer in der dritten Reihe, auf dem Klappsitz ganz außen. Und einmal als Strich auf weißem Papier. Mit dem Kugelschreiber hat die Polizistin, die zweite Zeugin im Prozess, alles erklärt: Das Papier auf dem Richtertisch ist die Ampelkreuzung am Stachus. Die 17 Striche sind die 17 Klimaaktivisten, die dort am 3. November ihre Hände auf die Straße geklebt haben. „Haben alle Hände auf dem Asphalt geklebt?“, fragt der Richter.
Jakob Beyer schweigt, er ist hier nur ein Strich, ein Zuschauer im Schnellverfahren gegen drei andere Aktivisten der „Letzten Generation“, aber er kann sich noch erinnern an diesen Donnerstagmorgen. Er war ja dabei. Jakob Beyer hatte nichts gefrühstückt, nur ein bisschen Ingwertee getrunken. Er hatte seine Brotbox zu dem Klamottenknäuel aus Socken, Wollpullovern und Jacken gestopft, obendrauf den Thriller von Frank Schätzing: „Was, wenn wir einfach die Welt retten?“ Dann zog er los, Sekundenkleber in der Hosentasche, Banner im Rucksack, auf zum Stachus, Ampelkreuzung, sechsspurig. Vor den 17 Aktivisten stauten sich Autos und Hass. Die Autos waren schnell wieder weg, umgeleitet von der Polizistin, die jetzt im Gerichtssaal Striche zeichnet. Der Hass ist geblieben.
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