KiewDie Fenster stehen an diesem heißen Juni-Tag weit offen. Draußen weht zwar ein leichter Wind, doch Feuchtigkeit liegt in der Luft und macht jede Bewegung schwer. In der Drei-Zimmer-Wohnung von Luydmila Poleschko ist es trotz der geöffneten Fenster unangenehm warm.
Die Ärztin wohnt in Dnipropetrowsk und hat sich im vergangenen Jahr eine zweite Klimaanlage installieren lassen. „Jetzt kann ich wenigsten bei angenehmen Temperaturen einschlafen", erzählt sie und zeigt stolz auf die neue Anlage, Marke Mitsubishi, die unter der Decke im Schlafzimmer hängt.
Hier im Osten der Ukraine sind im Sommer Temperaturen von 35 Grad eher der Normalfall. Die schwüle Luft findet leicht ihren Weg in die Wohnungen. Zwar gibt es in einigen Wohnungen Doppel- oder sogar Dreifach-Verglasung, doch die Fensterrahmen sind undicht und die Hauswände nur schlecht isoliert. Das macht es selbst zwei auf Hochtouren laufenden Klimaanlagen schwer, die Zimmertemperatur auf erträgliche 20 oder 22 Grad herunterzukühlen. „Außerdem", sagt Luydmila, „ist der Strom mittlerweile recht teuer". Deshalb überlegt die Ärztin stets genau, ob sie schwitzen oder zahlen will.
Wenn der Gasmann zwölf Mal klingeltBislang kostete sie die Kilowattstunde 28 Kopeken, das sind zwei Cent. Seit Anfang vergangenen Monats wurde der Preis auf 31 Kopeken erhöht. Weitere Preiserhöhungen hat die ukrainische Regierung für den Herbst angekündigt. „Im Monat zahle ich für Strom etwa 30 bis 40 Griwna (1,84 bis 2,45 Euro)", erzählt sie. Ungefähr den gleichen Betrag muss sie Gas zahlen.
Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und ÖlDie Hälfte des russischen Gases nimmt den Weg über die Ukraine. Da beide Länder schon häufig über Preise, Transitgebühren und Lieferungen stritten und zeitweise die Versorgung unterbrochen war, wurden in Europa Alternativen gesucht. So wurde die Pipeline Nord Stream, die von Russland über den Ostseegrund direkt nach Deutschland führt, gebaut. Sie ist nicht ausgelastet und könnte weiteres Gas aufnehmen, sollte über die Ukraine nicht mehr geliefert werden. Daneben strömt ein großer Teil des Brennstoffes auch über die Jamal-Pipeline über Weißrussland und Polen nach Deutschland.
Ein weiterer Weg wäre der Import von flüssigem Erdgas etwa aus dem Nahen Osten über Tanker nach Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es aber kein Terminal zum Entladen. Auch eine Einfuhr etwa über Rotterdam spielt kaum eine Rolle.
Gas wird in Deutschland zum Heizen, für die Industrie und die Stromherstellung gebraucht. Letztere hat im Zuge der Energiewende an Bedeutung verloren, da die Kraftwerke durch Ökostrom-Anlagen verdrängt werden.
Daran ändert auch der Druck auf die Gaspreise weltweit nichts. Zwar steigt der Energiehunger in China und Indien. Auf der anderen Seite aber hat der Boom der Schiefergas-Gewinnung, dem sogenannten Fracking, die USA von Importen unabhängig gemacht. Das Land will nun sogar Gas ausführen. Auch die Ukraine wollte das Potenzial von Schiefergas nutzen und sich unabhängiger von Russland machen. Das erste Projekt zur Schiefergasförderung wurde Anfang 2013 zwischen der ukrainischen Regierung, dem Konzern Royal Dutch Shell und dem ukrainischen Partner Nadra geschlossen. Es geht um eine Fläche von der Größe des Saarlands. Der russische Gasmonopolist Gazprom hatte sich angesichts der Fracking-Konkurrenz zuletzt verstärkt bemüht, den Absatz nach Westeuropa zu sichern.
Einmal im Monat klingelt der Gasmann und liest den kleinen Zähler im Flur der Wohnung ab. Das Gas wird ausschließlich zum Kochen benutzt. Der größte Kostenfaktor ist die Heizung. „Abgerechnet wird für den gesamten Winter", sagt Luydmila und zeigt die letzte Rechnung. 406 Griwna für die Monate Oktober bis März - das sind knapp 25 Euro an Heizkosten für einen langen und kalten Winter.
Und hier liegt das Problem des ganzen Landes. Natürlich entspricht der Rechnungsbetrag nicht den tatsächlichen Energiekosten. Vielmehr subventioniert der Staat die Heizkosten - und ist dabei nicht sonderlich geizig: Die privaten Zahlungen entsprechen nur etwa 16 Prozent der tatsächlichen Energiekosten, wie unabhängige Energieexperten errechnet haben.