Gulnara Karimowa, die älteste Tochter des usbekischen Diktators Islam Karimow, bei einer Präsentation ihrer Modemarke Guli in Moskau Foto: dpa
Auf der Überholspur hat sie gelebt, gehörte dem internationalen Jetset an, war ständige Vertreterin ihres Landes bei den Vereinten Nationen und später Botschafterin in Spanien, hat mit Guli eine eigene Modemarke und startete unter dem Namen Googoosha eine Karriere als Popsängerin. Doch nun ist es einsam und still geworden um Gulnara Karimowa, die Tochter des usbekischen Diktators Islam Karimow.
Die 41-Jährige, die lange als nächste Präsidentin ihres Landes gehandelt wurde, sollte ihr Vater nach mehr als 20 Jahren an der Spitze des zentralasiatischen Landes zurücktreten, ist in der Versenkung verschwunden. Ihr Twitter-Acount, auf dem sie sich regelmäßig meldete, ist seit mehr als einem Monat gelöscht. Ein Redakteur der britischen BBC will diese Woche einen handschriftlich verfassten Brief von ihr erhalten haben, in dem sie sich über Folter und Hausarrest in ihrem Luxusanwesen in der Hauptstadt Taschkent beklagt.
Der Brief sei echt, versichert der Journalist, nachdem ein Experte das Schreiben mit früheren Aufzeichnungen verglichen hatte. "Wie naiv ich war zu glauben, dass in meinem Land Gesetze gelten würden", schrieb sie an den britischen Journalisten, mit dem sie längere Zeit über Twitter in Kontakt stand.
Sollte das Schreiben tatsächlich von Gulnara Karimowa stammen, ist etwas passiert in Usbekistan, das von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International als ein Land mit "brutaler staatlicher Unterdrückung gegen alle Formen der politischen Opposition" bezeichnet wird. Karimows angebliche Lieblingstochter scheint demzufolge in Ungnade gefallen zu sein.
"Poetin, Mezzosopranistin und usbekische Schönheit"Sie, die sich auf ihrer eigenen Homepage als "Poetin, Mezzosopranistin, Designerin und usbekische Schönheit" bezeichnet, hat möglicherweise das Rad überdreht. Ihr ausschweifender Lebensstil mit rauschenden Partys und Luxusvillen in der ganzen Welt hat offenbar nicht nur die Mehrheit der Usbeken gestört, sondern auch ihren despotischen Vater.
Und nicht nur in ihrem eigenen Land und mit dem vermutlichen Einverständnis ihres Vaters hat es Hausdurchsuchungen und Razzien gegen sie und ihre Freunde gegeben, auch in der Schweiz, in Frankreich und in Schweden laufen Verfahren gegen die "Gulnara", wie sie seit Jahren von vielen Landsleuten genannt wird. Es ist zwar ihr Vorname, doch es schwingt stets etwas Abfälliges mit.
Ausländische Diplomaten gaben sich nicht so vornehm zurückhaltend und bezeichneten die Präsidententochter schon vor mehreren Jahren als "Räuberbaronin", wie aus den von Wikileaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen hervorgeht. Tatsächlich hat Karimowa in Saus und Braus gelebt, während ihr Land trotz Erdgas- und Goldvorkommen immer stärker in die Armut rutschte.
Karimowa zählt neben ihrem Vater zu den reichsten Personen in Usbekistan. Ihr Vermögen wird auf knapp eine Milliarde Euro geschätzt. Woher das Geld stammt, ist bis heute unklar und Gegenstand der Untersuchungen in mehreren Ländern. So ermittelt die Schweizer Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche, in Schweden geht die Staatsanwaltschaft schwersten Korruptionsvorwürfen nach.
Bestechungsvorwurf beschäftigt schwedische JustizNordeuropas zweitgrößter Telekomkonzern, der aus der schwedischen Telia und der finnischen Sonera hervorgegangene Riese TeliaSonera, soll 2007 rund 2,2 Milliarden Kronen, knapp 250 Millionen Euro, an das in Gibraltar registrierte usbekische Unternehmen Takiland gezahlt haben, um eine der begehrten UMTS-Mobilfunklizenzen in dem zentralasiatischen Land zu erhalten. Offiziell wird Takiland von Gayane Avakyan geleitet. Sie ist die persönliche Assistentin von Gulnara Karimowa. Doch fast niemand zweifelt daran, dass Avakyan im Auftrag von Karimowa gehandelt hat.
Der Bestechungsvorwurf beschäftigt die schwedische Justiz seit Herbst 2012, nachdem ein Fernsehteam die Machenschaften aufgedeckt hatte. In der Folge musste sogar TeliaSonera-Chef Lars Nyberg seinen Hut nehmen. "Meiner Meinung nach ist ein Großteil des Geldes, das TeliaSonera gezahlt hat, an Gulnara Karimowa gegangen", erklärte Anfang dieser Woche der schwedische Staatsanwalt Gunnar Stetler.
Er will jetzt ein Konto, das Takiland bei der Bank Nordea in Stockholm unterhält, einfrieren. Darauf sollen sich knapp 20 Millionen Euro befinden.
In der Schweiz sind die Behörden schon weiter und haben Anklage gegen Karimowa wegen des Verdachts auf Geldwäsche erhoben. Mehr noch: Ein Konto mit umgerechnet rund 800 Millionen Euro wurde beschlagnahmt. Die Schweizer Behörden arbeiten mit ihren französischen und schwedischen Kollegen eng zusammen. Dennoch gibt sich niemand der Illusion hin, Karimowa vor ein westeuropäisches Gericht stellen zu können.
Zeigen, wer Herr im Hause istWas hinter den Kulissen in Taschkent abläuft, verwundert auch Kenner des Landes. Die Vermutung, dass die Präsidententochter offensichtlich in Ungnade gefallen ist, bewerten Experten wie Daniil Kislov von der größten zentralasiatischen Nachrichtenagentur Ferghana noch nicht als ein Zeichen von Schwäche des Regimes.
Vielmehr glaubt Kislov, dass Präsident Karimow deutlich machen will, dass sich niemand, auch nicht seine eigene Tochter, gegen ihn auflehnen darf. Außerdem ist er um den Ruf seines Landes besorgt, versucht er doch seit Jahren, ausländische Investoren nach Taschkent zu locken.
Seine angebliche Lieblingstochter scheint an eine Versöhnung mit ihrem von seinen eigenen Landsleuten als "fürchterlich korrupt" bezeichneten Vater nicht mehr zu glauben. Anders ist ihr Frontalangriff gegen ihre eigene Familie nicht zu erklären. "Ich habe nie glauben können, dass sich so etwas in einem zivilisierten und entwickelten Land, wie sich Usbekistan immer selbst darstellt, passieren kann", schrieb sie dem britischen BBC-Journalisten.
Offenbar hat sie vergessen, dass ihrem Land seit Jahren schwere Verstöße gegen die Menschenrechte sowie eine extrem weit verbreitete Korruption vorgeworfen werden. Und sie selbst war ein Teil dieses scharf kritisierten Systems. Die in dem Brief angedeutete Reue nehmen ihr ihre Landsleute auf jeden Fall nicht ab.
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