Wer dem Trauma anderer ausgesetzt ist, kann eine sekundäre Traumatisierung entwickeln. Über den Umgang mit fremdem Leid und den Risikofaktor Empathie.
von Helena Weise
02. Juni 2022
Das erste Trauma, das Tanja Rode am eigenen Leib zu spüren bekam, gehörte einer jungen Frau. Ihr Anruf liegt 26 Jahre zurück. Manche Details dieses Tages sind verblasst, doch der Schrecken von damals ist noch präsent, bringt die Therapeutin gedanklich zurück ins Jahr 1996, als sie den Hörer des Notfalltelefons abnahm. Angst und Panik schlugen ihr entgegen. Mit der Stimme einer Sechzehnjährigen flehte am anderen Ende der Leitung jemand um Hilfe. Es klang dringend – so, als habe sich das Mädchen gerade erst befreit und suche jetzt nach Schutz.
Rode weiß da noch nicht, dass die Klientin keine Jugendliche ist, sondern eine Frau Mitte 20. „Da sitzt ein Mensch vor dir und wirkt wie ein Kind, das jetzt und hier panische Angst hat. Dieser Mensch nimmt dich mit zu seinem traumatischen Erlebnis, ohne dir davon zu erzählen“, schildert sie.
Es ist der Fall, der Tanja Rode bewusstmacht, dass Traumata ansteckend sein können – und wie wenig sie darauf vorbereitet ist.
Sie studiert damals Politik und Pädagogik in Marburg, arbeitet ehrenamtlich bei einem Verein gegen sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen. Sie will helfen und sie will das Thema auch öffentlich machen. Das Private ist politisch, so lautet das feministische Credo dieser Zeit, doch genauso wird das Politische privat, und zwar so privat, dass Tanja Rode sich irgendwann fragt, welcher Teil von ihr noch unberührt bleibt.
PH+
Vollständiger Text unter https://www.psychologie-heute.de/gesundheit/artikel-detailansicht/41988-das-trauma-der-anderen.html
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