In Meißen sind Flüchtlinge nicht willkommen. Ihnen schlägt vielmehr der blanke Hass entgegen. „Nein zum Heim", lautet der Slogan der NPD. „Nein zum Heim" sagen Bürger, die bei den Aufzügen mitlaufen. Hier kommt zusammen, was sich zusammengehörig fühlt: Neonazis, NPD, Pegida, AfD. Die neue Rechte marschiert. Und das Flüchtlingsheim in der Rauhentalstraße geht in Flammen auf. In dieses Haus sollten Familien aus Syrien und Afghanistan einziehen.
Autor: Michael Hanfeld, verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien".
Rund fünfhundert Anschläge in diesem Jahr, davon sechzig Brandanschläge auf Flüchtlingsheime: Welche Gefahr daraus für die Gesellschaft erwächst, macht der Film „Dunkles Deutschland - Die Front der Fremdenfeinde" von Jo Goll, Torsten Mandalka und Olaf Sundermeyer deutlich. Die drei legen dar, wie sich die Rechte formiert: Wutbürger laufen mit und hinterher, Pegida-Aktivisten geifern vor Hass, in „besorgten Bürgern" erkennt Alexander Gauland von der AfD „natürliche Verbündete". Parolen wie „Nein zum Heim" aber geben Neonazis vor. Die NPD setzt sich nicht mehr selbst in Szene, sondern auf Provokation und Konfrontation. Die Aggression richtet sich gegen Flüchtlinge und gegen mutige Bürger und Politiker persönlich.
Vereint im Hass gegen alles Fremde„Der rassistische Protest entwickelt sich zu einem Extremismus der Mitte. Das heißt: Neonazis und vermeintlich besorgte Bürger vereinen sich im Hass auf alles Fremde", sagt der Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke von der FU Berlin. In Meißen bestimme der rechte Mob schon das gesellschaftliche Klima, weil die politische Elite wegschaue. Noch mit dem ausgebrannten Flüchtlingsheim im Rücken kann der örtliche CDU-Landrat „rechte Umtriebe" nicht erkennen. Der Bauunternehmer Ingolf Brumm kann das sehr wohl: Er richtet das Flüchtlingsheim her, wird persönlich bedroht und sieht sich alleingelassen. Sein Haus wird gleich zweimal angegriffen.
Ein Gasthaus brennt auch im bayerischen Reichertshofen, wo sich eine Bürgerinitiative dagegen wendete, 125 Flüchtlinge anzusiedeln. Hier versetzt der Brandanschlag den Nachbarn wenigstens noch einen gelinden Schock und weiß die örtliche Politik zu vermitteln. Statt 125 Flüchtlingen soll eine halb so große Gruppe kommen. In Dortmund wiederum sind die Kräfteverhältnisse umgekehrt: Ein harter Kern von sechzig Neonazis marschiert im gesamten Ruhrgebiet regelmäßig auf, um Gewalt zu provozieren, etwa bei der Ankunft von Flüchtlingen am Bahnhof. Doch muss sich die rechte Truppe ein um das andere Mal zurückziehen - Bürger, Politik und Polizei stellen sich ihnen entgegen.
© rbb/Presseservice Rathenow Das ist der Slogan: „Nein zum Heim!"
In Meißen konnte Ingolf Brumm dieser Tage die Flüchtlingsfamilien doch noch willkommen heißen. Zum Einzug gibt es Brot und Salz, auch der Nachbar, der für die Rechte im Stadtrat sitzt, ist eingeladen. Der sagt auf die Frage, wie es weitergeht: Das kommt darauf an, wie sich die Flüchtlinge gebärden. Dass es darauf ankommt, wie sich die Einheimischen verhalten, sagt er nicht.
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