Ein Hauptstadtkorrespondent, der twittert? Vor zwei Jahren hätte man das vermutlich noch als guten Witz erzählt. Doch es geht auch anders: Harald Baumer von den “Nürnberger Nachrichten” twittert viel, gerne und erfolgreich. Und: Er würde keinen jungen Journalisten einstellen, der sich mit diesen Themen nicht beschäftigt…
Überzeugter Twitterer: Harald Baumer. (Foto: Jakubetz)
Es war keine wirkliche Sternstunde des deutschen (Hauptstadt-)Journalismus: Als ruchbar wurde, dass Regierungssprecher Steffen Seibert jetzt auch offizielle Termine der Kanzlerin wie beispielsweise eine anstehende USA-Reise via Twitter bekannt gibt, war die Aufregung in der Bundespressekonferenz groß. Ob man dieses Twitter jetzt auch abonnieren müsse? Und ob das überhaupt sicher sei? Das entsprechende Video dazu machte die Runde und sorgte in Onlinerkreisen für reichlich Gespött: Hatten die Hauptstadtjournalisten nicht gerade in einer bizarren 19-Minuten-Debatte mit dem bemüht ruhig bleiben stellvertretenden Regierungssprecher einen Beweis hoffnungsloser Rückständigkeit abgeliefert?
Gut zwei Jahre ist das jetzt her, Seibert twittert immer noch – doch was ist aus denen geworden, die damals im Internet nachgeschaut haben, ob dieses Twitter auch wirklich sicher ist? Harald Baumer ist einer von denen, die schon sehr früh erkannt haben, dass man mit Twitter mehr machen kann als die offiziellen Mitteilungen des @RegSprecher zu lesen. Twitter ist für den Berlin-Mann der “Nürnberger Nachrichten” sehr viel mehr: ein Dialogmedium, bei dem man nicht nur als Journalist mit seinen Lesern kommunizieren kann. Sondern auch einer, auf dem Nutzer aktiv zu den Inhalten beitragen können. Trifft sich Baumer beispielsweise zu einem Interview mit der Kanzlerin, dann stellt er obligatorisch die Frage in die Runde seiner Follower: Was soll ich Angela Merkel fragen, was wollt ihr wissen? Bei seinem letzten Interview mit Rainer Brüderle beispielsweise fanden dann auch zwei Fragen seiner Twitter-Follower Eingang in das Gespräch.
Dabei geht es Baumer keineswegs nur darum, einen weiteren Vetriebskanal für seine Inhalte zu finden. Was er will, das ist Kommunikation auf Augenhöhe, keine Kommunikationsattrappe, kein Alibi-Social-Media.
Aber natürlich ist es nicht nur das, was den Nürnberger Hauptstadtkorrespondenten an Twitter reizt: Als Recherchetool ist es inzwischen für ihn unerlässlich geworden. “Man kann als Journalist fast nicht mehr arbeiten, ohne hin und wieder einen Blick auf eine Liste mit twitternden Politikern zu werfen”, sagt er – und muss wissen, wovon er spricht. Als damals Peter Altmaier seinen Tweet absetzte, in dem er sich wünschte dass “Christian (Wulff) seine Anwälte an die Leine nimmt”, da wusste auch Harald Baumer, dass endgültig die Absetzbewegungen auch der eigenen Parteifreunde begonnen haben. Und dass es jetzt schwer werden dürfte für Wulff.
Enormes Potenzial sieht Baumer übrigens vor allem für lokale und regionale Medien. In Berlin, da macht er sich nichts vor, ist er einer von vielen – und “man wird mich vermutlich nicht als erstes mich anwählen, wenn die Kanzlerin ihren Rücktritt bekannt gegeben hat.” Dagegen liegt nach seiner Auffassung die Nutzung so sozialen Netzwerken in vielen kleineren, lokalen Redaktionseinheiten noch weitgehend brach. Mit den häufig immer noch exklusiven Informationen, die Journalisten vor Ort haben, ließe sich nach Baumers Auffassung einiges anfangen.
Bei seiner persönlichen Nutzung lässt sich Baumer übrigens meistens von seiner Neugierde treiben: Kommt einem neues Netzwerk auf den Markt, dann meldet er sich erst einmal an und schaut. Bisher allerdings nichts daran: Twitter und Facebook sind die wichtigsten Kanäle, dort muss man als Journalist vertreten sein.
Harald Baumer twittert unter @inderhaupstadt.