Flink sausen Geckos an Decken und Wänden entlang und verspotten dabei förmlich das Gesetz der Schwerkraft. Mühelos klettern sie selbst auf spiegelglatten Glasscheiben umher und haben damit den Ehrgeiz vieler Wissenschaftler herausgefordert. Wäre es möglich, Kletterwerkzeug herzustellen, das Menschen in Gecko-Manier Hochhauswände erklimmen lässt?
Elliot Hawkes von der Stanford University und seinen Kollegen ist nun genau das gelungen, wie sie im "Journal of the Royal Society Interface" berichten. Sie haben eine Kletterausrüstung entwickelt, die auf dem Prinzip der klebenden Geckofüße basiert und sogar deren Haftleistung übertrifft. Nur zwei handgroße Haftpads brauchte der 70 Kilo schwere Hawkes, um an einer Glasfassade empor zu klettern. "Es war unbeschreiblich. Als ich diese Glaswand hochklettern konnte und schließlich oben auf dem Dach angekommen war, fühlte ich mich wie der König der Welt."
Das Prinzip, nach dem Geckofüße in der Natur funktionieren, ist schon seit Längerem bekannt. Forscher hatten im Jahr 2000 gezeigt, dass die Echsen sich die sogenannten Van-der-Waals-Kräfte zu Nutze machen. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das auf atomarer Ebene stattfindet. Kommen sich zwei Atome oder zwei Moleküle sehr nahe, beeinflussen sie sich gegenseitig, so dass sie elektrisch zusammenkleben. Allerdings ist dieser Hafteffekt so gering, das man ihn kaum spüren kann.
Der Gecko hat jedoch an seinen Händen und Füßen Hunderttausende von kleinen Härchen, und an jedem einzelnen von ihnen wirkt dieser schwache, elektrische Klebeeffekt. Über den ganzen Geckofuß addiert sich so die Haftung. Darum können die Füße nicht nur das Eigengewicht einer Echse problemlos halten. Theoretisch könnten bis zu neun weitere Artgenossen auf einem Exemplar hocken, bis es von der Wand fällt.
Besser als ein Gecko
Bislang aber waren Forscher daran verzweifelt, diesen Effekt für menschliche Maßstäbe nutzbar zu machen. Würde man nämlich das Gecko-Prinzip einfach nur eins zu eins übertragen, müsste ein Mensch an jeder Hand mindestens eine Haftfläche von der Größe eines DIN-A3-Blatts haben, wie Hawkes und seine Kollegen in ihrer Studie vorrechnen. Deshalb sei es so wichtig gewesen, ein wesentlich effizienteres Haftsystem zu entwickeln.
Die nun von ihnen vorgestellten Haftpads unterscheiden sich vom biologischen Vorbild in gleich mehreren Punkten. Zum einen nutzten sie keine mikroskopischen Härchen, sondern die geriffelte Mikrostruktur eines Kunststoffs, der noch besser an glatten Oberflächen klebt. Zum anderen setzt sich die Fläche ihres Haftpads aus vielen kleineren Einzelflächen zusammen. Dadurch verteilt sich die Last gleichmäßig, und es reicht schon eine handgroße Fläche aus, um einen Menschen an der Wand zu halten.
Außerdem benötigen die menschlichen Kletterer im Gegensatz zum Gecko nicht vier Klebefüße, sondern nur zwei. An den Haftpads für die Hände ist jeweils eine Stange befestigt, an der eine Trittfläche für die Füße hängt. Damit ein Mensch also hochklettern kann, muss er abwechselnd Fuß und Hand einer Körperseite lösen und wieder ankleben.
"Für mich ist dieser Teil der Ausrüstung das Cleverste ", sagt Elmar Kroner, der als Materialforscher am Leibniz-Institut für Neue Materialien an ähnlichen Projekten arbeitet. "Indem sie Hand und Fuß koppeln, verhindern sie, dass der Körper des Kletterers sich zu weit von der Wand entfernt. Täte er das, würde die Belastung auf dem einzelnen Haftpad zu groß, und der Kletterer würde abstürzen."
Funktioniert die Ausrüstung auf unsauberen Oberflächen?
Ganz überraschend kommt für Forscher wie Kroner die von Hawkes entwickelte Ausrüstung jedoch nicht. Schon länger sei in der Szene davon gesprochen worden, dass es bald einem Forscherteam gelingen könnte, ein voll funktionsfähiges Set an den Start zu bringen, sagt der Experte. Außerdem hatte die US-Rüstungsforschungsagentur Darpa bereits ein ähnliches Modell im Juni vorgestellt. Das aber ist wesentlich weniger handlich als das von Hawkes und seinen Kollegen, die Haftflächen sind fast doppelt so groß.
Kroner mahnt allerdings an, dass das neue Modell auch unter weniger optimalen Bedingungen getestet werden müsse: "Wie dieses System auf verunreinigten Flächen funktioniert, wurde in dieser Studie zum Beispiel nicht erprobt." Das brauche es allerdings, damit ein solches System wirklich alltagstauglich sei.