In einem Labor des Karolinska-Instituts in Stockholm machen Forscher seit Jahren Experimente, die aus einem Heldencomic stammen könnten. Sie lassen Studienteilnehmern einen dritten Arm wachsen. Und anderen ermöglichen sie es, in fremde Körper zu schlüpfen.
Die Probanden müssen dafür weder merkwürdige Chemikalien trinken noch hypnotisiert werden. Weil die wundersame Verwandlung nur in ihrem Kopf geschieht, reicht es, wenn sich die Testpersonen auf psychologische Zaubertricks einlassen. Arvid Guterstam, einem der Forscher der Gruppe, ist nun ein neuer Coup gelungen: Er kann Menschen unsichtbar machen. Zumindest in ihrer eigenen Wahrnehmung.
Das Gehirn wird ausgetrickst
Guterstams Probanden mussten sich für das Experiment zunächst nur in einen Raum stellen und an ihrem Körper herunterschauen. Dabei trugen sie eine Virtual-Reality-Brille, in die kleine Monitore integriert sind. Auf diesen Monitoren zeigten die Forscher nun ein verwirrendes Bild. Starrten die Probanden nach unten, sahen sie wie erwartet den Boden - nur mit dem Unterschied, dass ihr eigener Körper verschwunden war.
Um die Probanden weiter zu verwirren, begannen Guterstam und seine Leute, den Probanden sanft mit einem Pinsel über ihren Körper zu streicheln. Zeitgleich zeigten sie auf den Brillenmonitoren, wie ein Pinsel auf und ab strich - jedoch ins Leere.
"Es war nicht einfach, den spürbaren Pinselstrich und den auf den Brillen gezeigten Pinselstrich zu synchronisieren", erzählt Guterstam. Doch als den Forschern dies gelang, war die Illusion perfekt: Die Probanden glaubten, einen unsichtbaren Körper zu besitzen. Über die Experimente berichtet das Team im Fachblatt "Nature Scientific Reports".
Dass sich unsere Körperwahrnehmung hinters Licht führen lässt, ist seit Längerem bekannt. Dennoch sorgen die Schweden immer wieder für Aufsehen in der Forscherszene. Guterstams Kollegin Valeria Petkova nutzte zum Beispiel den gleichen Versuchsaufbau, nur dass die Probanden dank Spezialbrille den Eindruck hatten, sie würden an einem fremden Körper herunterblicken. Sie glaubten also, sie hätten mit jemandem den Körper getauscht.
Weniger Stress, wenn unsichtbar
Ein anderes Mal gab Guterstam Probanden das Gefühl, einen dritten Arm zu haben, indem er den Arm einer Gummipuppe neben den Arm der Probanden legte und beide so bedeckte, dass nicht sofort zu sehen war, welcher Arm der echte und welcher der falsche war. Als der Forscher über beide Arme streichelte, kam es den Probanden vor, als hätten sie einen zusätzlichen Arm.
Dennoch sei der neue Versuch besonders, erklärt Guterstam: "Obwohl wir als Menschen ein Leben lang mit einem Körper leben, reichen anscheinend zehn Sekunden, um unserem Gehirn vorzugaukeln, wir seien vollkommen unsichtbar."
Kollegen, die nicht an der Studie beteiligt waren, sehen das etwas anders. Lorimer Moseley, Neurowissenschaftler an der University of South Australia, findet das Ergebnis nicht ganz so überraschend. Ähnlich sieht es Michael Graziano, der an der Princeton University ebenfalls zur menschlichen Wahrnehmung forscht.
Dennoch seien diese Experimente wichtig, erklärt Graziano: "Sie zeigen, dass unser Gehirn den Körper permanent neu vermisst, wahrnimmt und sich daher entsprechend täuschen lässt. Und sie zeigen auch, wie wenig wir bisher über unsere Wahrnehmung wissen."
Eine Anwendung für die neu gefundene Unsichtbarkeit haben die schwedischen Forscher bereits ausprobiert. In einem weiteren Experiment gaben sie Testpersonen abermals das Gefühl, unsichtbar zu sein. Dann ließen sie die Probanden vor ein Publikum treten. Prompt verspürten die nun Unsichtbaren weniger Stress als ohne den Trick. Denkbar wäre also, dass Patienten zunächst unter einer virtuellen Tarnkappe ihren Ängsten begegnen, bevor sie sich ihnen in der wirklichen Welt stellen. Die Illusion könnte dann echte Probleme lösen.
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