Es gibt Dinge, die nehmen wir als gegeben hin. Zum Beispiel, dass Männer besser Karten lesen können. Doch eine neue Studie legt nahe, dass wir uns von diesem Klischee verabschieden können.
Männer können besser einparken und besser Karten lesen. Das akzeptieren die meisten von uns mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der wir glauben, dass rosa gekleidete Babys Mädchen sind. Es ist eine der angeblich ewigen Wahrheiten der Geschlechterdifferenz. Und bislang hat auch die Wissenschaft diesen Glauben immer wieder bestätigt. Bei räumlichen Aufgaben schneiden Männer im Schnitt besser ab als Frauen. Doch eine neue Studie stellt diese Annahme nun in Frage.
Im Rahmen dieser Studie, die im Journal „ Psychological Science " veröffentlicht worden ist, untersuchten die Autorinnen, die räumliche Vorstellungsfähigkeit von Frauen und Männern in Abhängigkeit davon, wie die Aufgaben gestellt werden. Sie analysierten zwei Faktoren: die Rolle von stereotypen Vorstellungen was Geschlechterunterschiede angeht und die soziale Komponente der Aufgabenstellung.
Verschiedene Versionen der AufgabenDie 135 Teilnehmer (65 männliche und 70 weibliche Studenten) wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Der einen Gruppe wurde in den Instruktionen zu den Aufgaben gesagt, "perspective taking ability" (in etwa: die Fähigkeit, Perspektive einzunehmen) sei eine räumliche Fähigkeit, die Männern leichter fiele; der anderen Gruppe wurde gesagt, es sei eine empathische Fähigkeit, die Frauen leichter fiele.
Beide Gruppen bekamen die gleichen Aufgaben. Den Teilnehmern wurden Zeichnungen von Objekten oder Labyrinthe vorgelegt. Sie mussten sich je an einen bestimmten Punkt in der Zeichnung hineinversetzen und ihre Perspektive von dort beschreiben ("Ist der Hund links von dir oder rechts von dir?").
Von den Aufgaben gab es zwei Versionen. Bei einer war es eine Person in der Zeichnung, deren Perspektive eingenommen werden sollte (soziale Variante), bei der anderen eine Katze beziehungsweise ein leerer Fleck (abstrakte Variante).
Die Ergebnisse waren eindeutigDie Männer schnitten dann besser ab, wenn die Anleitung ein besseres Abschneiden nahelegte und wenn die Materialien nur Objekte zeigten, keine Personen. In den Versionen der Aufgaben, die eine soziale Komponente berücksichtigten, verschwand dieser Unterschied. Die Frauen schnitten gleich gut ab, wenn in den Zeichnungen eine Person war und wenn die Instruktionen sagten, dass eher eine „weibliche" Fähigkeit abgefragt werde.
Es zeigt sich, also, dass ein solches Stereotyp zu einer Art „selbsterfüllenden Prophezeiung" werden kann, wie auch durch andere Forschung bekannt. Wenn wir glauben, dass wir bei einer Aufgabe schlecht abschneiden, werden wir es auch tun.
Stereotype schaden uns allen
Margaret Tarampi erklärte weiterhin: „Diese Ergebnisse sollten Forscher veranlassen, darüber nachzudenken, wie wir 'Fähigkeiten' messen. Je nachdem von welchem theoretischen Hintergrund man ausgeht, landet man bei einem anderen Ansatz. In diesem Fall bei der Exklusion oder Inklusion sozialer Faktoren. Und die entscheiden über die Ergebnisse."
Frauen sind also nicht per se schlechter im Karten lesen. Sie sind es aber, wenn man es ihnen vorher sagt. Höchste Zeit also, damit aufzuhören. Denn gemeinsam kommen wir alle schneller ans Ziel.