Drei Mal musste Anastasia Gulei in ihrem Leben fliehen. Beim ersten Mal, da war sie 17 und sollte als Zwangsarbeiterin nach Deutschland gebracht werden. In einem unbemerkten Moment schlich sie den Wachmännern davon. Als sie gefangen wurde, musste sie giftige Schlacke schleppen, daraus sollten Bahndämme werden. Sie floh wieder, das zweite Mal. Als sie gefasst wurde, brachte man sie nach Auschwitz.
Im Jahr 2022, bei ihrer dritten Flucht, ist sie 96 Jahre alt. Als die Bomben in Kiew einschlagen, denkt sie nicht daran, zu fliehen. Nicht noch einmal. Sie versteckt sich im Keller. Dort verbringt sie die Stunden, wickelt sich in Decken ein, es ist trotzdem kalt. Ihre älteste Tochter Walentyna, 72, ist immer bei ihr. Wenn du nicht gehst, gehe ich auch nicht, sagt sie.
Ihr rosa Haus mit den Rosenbüschen steht in der Nähe des Flughafens Kiew-Schuljany, der wird bombardiert. Einmal sieht Anastasia Gulei ein brennendes Geschoss vorbeifliegen, ein paar Meter tiefer, und es hätte ihr Zuhause, es hätte sie getroffen. Sie willigt ein. Nur eine kleine Tasche packt sie mit wichtigen Dokumenten, Ausweisen, ihrer Herzmedizin, einem Fotoalbum. Und die Katze, Puschinka, darf nicht dortbleiben.