Unbezahlte Rechnungen und Zwangs-WGs:
Anita Pettera, 69, lebt im Minus. 140 Euro muss sie jeden Monat aus ihren Ersparnissen nehmen, seit die Abschläge für Gas und Strom erhöht wurden. Fast tausend Euro sind bereits weg. Eigentlich waren die für Reisen gedacht, einmal nach Japan möchte sie noch. Auf ihrem Fensterbrett stehen sechs Glückskatzen. Sie alle winken mit der rechten Pfote. Das soll Glück, Gesundheit und Geld bringen. Und all das braucht Anita jetzt. Sie traut sich kaum noch, die Heizung aufzudrehen und trägt mehrere Schichten Kleidung übereinander, so hält sie die 16 Grad im Zimmer aus. Beim Einkaufen zuckt sie regelmäßig zusammen. So teuer ist alles geworden. Anita isst gerne Quark, doch der Preis hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Früher konnte sie einen Becher auf einmal leer essen, doch nun muss sie ihn in vier Portionen teilen, sonst müsste sie ganz darauf verzichten. Sie nimmt ein Buttermesser mit einem hölzernen Griff und schneidet damit den Magerquark in präzise kleine Portionen. Zur Tafel schafft sie es nicht, zu weit weg. Eine Polyneuropathie lässt sie ihre Füße kaum spüren, ihre Krücken sind immer mit dabei. "Soll ich Steine essen?", fragt sie sarkastisch.
Anita war Erzieherin, hat sich ihr Leben lang um die Allerkleinsten gekümmert, bis sie vor zwei Jahren in Rente ging. Als Abschiedsgeschenk hat sie Papier bekommen. Auf dem zeichnet sie nun. Vier bis sechs Stunden am Tag. "Es lenkt mich von den Problemen ab, wie dass ich kein Geld mehr habe. Oder dass meine Krankheit auch meine Hände lähmen könnte." Am liebsten malt sie mit blau, orange und schwarz. Wenn sie sich einen neuen Buntstift kaufen möchte, muss sie nachrechnen, ob das irgendwie geht. Aus alten Paketkartons und Toffifee-Schachteln macht sie Skulpturen, die sie lackiert. Gold wie das Geld, das sie nicht hat. Es sind ihre Alternativen, um nicht in ein Loch zu fallen, sagt sie.
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