Bücher und Burlesque: Frauen präsentieren Literatur - und nackte Tatsachen. Ein Besuch.
Gerhard Elfers
Nackte Bücher-StundeEin Londoner Pub an einem Donnerstagnachmittag. Auf der Bühne stehen eine Ledercouch und eine Stehlampe. Eine rothaarige junge Frau hat sich auf die Sofalehne geschwungen. Sie heißt Sophia, sitzt sehr aufrecht und trägt Lackpumps. Sonst nichts.
Breitbeinig und selbstbewusst reckt sie ihren Körper Richtung Publikum und ruft: „Denkt dran: Vögelt zuerst!" Sophia liest einen Text, der nahelegt, bei Dates schnell zur Sache zu kommen. Schamlose Szene, würde meine Mutter sagen. Was aussieht wie eine Märchenstunde à la Dita Von Teese soll Literatur vom angestaubten Image befreien, erklärt Sophia.
Es ist ihr ernst damit. Das 28-jährige Burlesque-Model ist Literaturwissenschaftlerin und hat den „Naked Girls Reading"-Trend aus den USA nach England geholt. Sie rezitiert Verse des Römers Ovid ebenso wie moderne Werke - und immer geht es um die Liebe.
Stripshow ohne schlechtes Gewissen?Macht Sophia sich nicht zum Sexobjekt? „Keineswegs", sagt sie lächelnd. „Wenn ich da oben sitze, bin ich nackt, weil ich es will." Ich hatte mittelalte Anzugträger als Zuschauer erwartet - Stripshow ohne schlechtes Gewissen: „Schatz, ich war mit den Jungs noch bei einer Lesung!" Stattdessen sehe ich überwiegend Paare in dem zur Hälfte gefüllten Raum.
In der Masse kann man hier nicht verschwinden, immer wieder treffen mich Blicke von der Bühne - jetzt die von Abi, einer kleinen Frau um die 40 mit kräftiger Stimme und sehniger Ballerina-Figur. Sie liest aus ihrem unveröffentlichten autobiografischen Roman, Thema: Online-Bekanntschaften.
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