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Die Angst zog mit ein

Als mein Freund mit dem Studium fertig war, bezogen wir, auf seinen Wunsch, zusammen eine Wohnung. Er kam nach Aachen und hatte in der Nähe eine Arbeitsstelle erhalten. Wir hatten zunächst keine Probleme, richteten die Wohnung ein, die in der Nähe der Autobahn lag. Sie war nicht gerade billig, aber Geld spielte zu dieser Zeit keine Rolle. Es war ein Mehrfamilienhaus. Wir kauften Möbel und freundeten uns im Laufe der Zeit mit den Arbeitskollegen von Sigmund an. Mit diesen verbrachten wir viel Zeit, gingen essen oder in eine Kneipe.

Im Laufe der Zeit kannte ich fast jede Baustelle in der näheren Umgebung, so das Aachener Klinikum, das damals viel Geld kostete. Es war eine der größten Baustellen, aber es dauerte lange, bis alles funktionierte. Die Ärzte besaßen einen guten Ruf und ich machte dort später einige Krankenbesuche.

In Köln wurde viel gebaut. Als in Düsseldorf eine Brücke über den Rhein verschoben wurde, ließen wir uns dies nicht entgehen. Ich wohnte bei Bekannten, die ich von der Uni kannte.

Wir verbrachten ein Jahr zusammen, dann ging die Beziehung auseinander. Es war ein schreckliches Jahr. Die Angst zog in die Wohnung mit ein und begleitete mich ein ganzes Jahr. Der Montag war der schlimmste Tag. Sigmund ging abends zum Sport und nahm das Auto mit. Ich war ans Haus gebunden und das bekam mir nicht gut. Zuvor wohnte ich mitten in der Stadt und war gewohnt, dass täglich Bekannte bei mir vorbeikamen. Da wir jetzt außerhalb wohnten, schliefen diese Gewohnheiten allmählich ein. Ich bekam nur noch selten Besuch und konnte den Kontakt zu meinen Freunden nur aufrechterhalten, wenn ich in die Stadt ging. Da war ich am Wochenanfang auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Ich blieb meist zu Hause und bügelte die Hemden. Jedes Mal dachte ich: „Und das ein ganzes Leben lang.“ Der Gedanke gefiel mir nicht und machte mir Angst.

Das Hausfrauendasein bekam mir schlecht. Ich kam mit dem Studium nicht weiter und mit meinem Partner gab es ständig Reibereien, die sich eher verdeckt abspielten. Nach außen hin waren wir das ideale Paar. So allmählich bekam ich mit, dass er eine Affäre mit einer Arbeitskollegin hatte. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, da bei uns vieles nicht stimmte. Da es im Betrieb so üblich war, hatte Sigmund mit ihr ein Verhältnis angefangen. Er wollte mit den Kollegen mithalten. Anfangs wunderte ich mich über die vielen Überstunden. Ich wurde misstrauisch und kontrollierte seine Lohnabrechnungen. Die zahlreichen Überstunden wurden nicht bezahlt. Als ich ihn darauf ansprach, meine er: „Das mache ich für den Betrieb.“ „Für den Betrieb? Bei dir stimmt was nicht!“, meinte ich.

Das machte mich stutzig. Eines nachts rief eine Frau an und wollte ihn sprechen. Sie habe sich verlaufen oder so und er solle sie am nächsten Tag mit ins Geschäft nehmen. Da dämmerte mir so allmählich, dass er wohl eine Freundin hatte. Ich sprach ihn darauf an: „War das deine Freundin?“

Er verleugnete die Freundin und meinte, es sei eine Arbeitskollegin, die im Augenblick Probleme habe. Das nahm ich ihm nicht ab. Diskutieren half nicht viel. Wir stritten oft. Eine Bekannte zog bei uns ein. Ich habe es ihr angeboten. Von nun an hatten wir keine Zeit mehr zum Streiten und für unser Privatleben.

Wenn wir miteinander reden wollten, trafen wir uns in Kneipen in der Stadt. Den Urlaub verbrachten wir noch gemeinsam, und zwar in Sankt Moritz, zusammen mit einem Arbeitskollegen von ihm und dessen Freundin. Mit diesem Erdenfleck wurde ich nicht so richtig warm. Ich suchte die Promis und fand sie nicht. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass man dorthin zum Skifahren geht oder um den Pelz zu zeigen. Da ich keinen hatte und auch nicht auf Skiern unterwegs war, kam ich mir ein bisschen verloren vor. Ich hätte gern einen Flirt angefangen, aber die Bekannte, mit der ich die meiste Zeit verbrachte, wollte dies nicht. Leider hatte ich nicht den Mut, mich abzusetzen.

Nach dem Urlaub ging unsere Beziehung auseinander. Ich ließ mich von einem Bekannten trösten und mein Partner war meist in Köln. Wenn er nach Aachen kam, brachte er schmutzige Wäsche mit, sonst nichts. „Hallo, wie geht es dir?“ mit dieser Bemerkung stellte er die Tasche mit der schmutzigen Wäsche mitten in den Raum. „Die soll die Freundin waschen“, meinte ich und damit war das Thema erledigt. Die Wohnung, die wir hatten, war geräumig. Wir konnten gar nicht alle Räume nutzen. Irgendwann zog ich aus Wut, Enttäuschung und Empörung ins Kinderzimmer. Es trug den Namen „Krimskrams“. Aber irgendwie brachte das die Sache nicht weiter. Ich hatte in dieser Zeit oft Alpträume und geriet in eine Art Dämmerschlaf oder Halbschlaf. Dann konnte ich mich nicht bewegen. Einmal hatte ich den Eindruck, die Nachbarin kommt ins Zimmer und fragt, wie es mir geht. Als ich mich wieder bewegen und umdrehen konnte, sah ich nichts. Ich war allein im Zimmer und stand auf. Ich ging der Sache nicht auf den Grund. Ich fragte sie nicht und überlegte mir dauernd, dass sie ohne Schlüssel nicht in die Wohnung kommt, also waren es Fantasien. Ich hatte Angst, ich würde durchdrehen.

Ich schrieb zu dieser Zeit eine wissenschaftliche Arbeit, kam damit kein Stück vom Fleck. Kaum hatte ich eine halbe Seite geschrieben, fragte ich mich, ob das stimmt.

Eigentlich kann man mit soliden wissenschaftlichen Methoden jede Theorie nachweisen. Die Beweisführung muss nur korrekt sein, dachte ich bei mir. In diesem Jahr hatte ich ziemliche Probleme und fing so nach und nach mit dem Trinken an. Mit dem Alkohol konnte ich schnell aufhören, aber zur Ruhe kam ich erst, als ich eine eigene Wohnung hatte.

Ich drängte darauf, dass wir die Wohnung kündigten und eine neue suchen. Die Kündigung der Wohnung habe ich erreicht, aber zu einer neuen reichte es nicht mehr. Sigmund hatte jeden Samstag eine Ausrede. Plötzlich bekam ich mit, dass er mit seiner Freundin eine Wohnung angemietet hatte. Ich wollte dies nicht glauben. Er hat mir davon keinen Ton gesagt. Ich stand auf der Straße, kam bei Bekannten unter, bis ich eine eigene Wohnung gefunden hatte.

Er gestand mir, dass er in Köln eine Wohnung angemietet hatte. Jetzt wollte er wieder zurück zu mir. Aber das ging nicht mehr. Er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Von dieser Stunde an waren bei mir alle Ampeln auf Rot gestellt. Ein Zurück zu ihm gab es nicht mehr. Als er mich vor die Wahl stellte „Entweder wir ziehen zusammen oder es ist Schluss!“ hätte ich mich gleich für die zweite Lösung entscheiden sollen. Sie kam zeitversetzt ein Jahr später auf mich zu. Ich wollte immer, dass er sich in Köln ein Zimmer sucht und wir später zusammenziehen. Aber diese Lösung gefiel ihm nicht. Auf diesen Mann bin ich bis heute nicht gut zu sprechen. Er hat oft meine Nähe gesucht, aber nicht gefunden.

August 2023