Bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Freilassung aus dem russischen Kerker präsentierte sich ein beeindruckender Michail Chodorkowski. Zuweilen wirkte er erschöpft, aber immer sehr präsent. Die Fragen beantwortete er spontan, aber sehr überlegt - und meisterte dabei die Gratwanderung zwischen zuviel und zuwenig Kritik an Putin.
Ob er Hass gegenüber dem russischen Präsidenten empfinde, der ihn zehn Jahr lang eingesperrt habe, wurde Chodorkowski gefragt. Das Regime, antwortet Chodorkowski, habe sich seiner Familie gegenüber immer anständig verhalten. Das habe ihm erlaubt, die Angelegenheit pragmatisch zu sehen - für Emotionen wie Hass sei da kein Raum gewesen. Eine Aussage, die schwer nachzuvollziehen ist, die man Chodorkowski aber tatsächlich abnimmt.
Er macht klar, dass er keine aktive politische Rolle spielen und auch nicht in die Geschäftswelt zurückkehren wird. Statt dessen sehe er seine Aufgabe darin, in Zukunft seine Schuld abzubezahlen - gegenüber denjenigen, denen es in Russland noch viel schlechter ergangen sei. Immer wieder weist Chodorkowski darauf hin, dass er nicht „der letzte politische Gefangene" sei. Auf scharfe Wort und heftige Attacken kann er verzichten, seine Kritik am Zustand von Demokratie und Menschenrechte wird dennoch mehr als deutlich.
Michail Chodorkowski wird sich sehr wahrscheinlich nicht zum Oppositionsführer in Russland entwickeln. Unter Umständen wird er sich noch eine ganze Weile im Exil aufhalten müssen, weil er nicht weiß, wie ihm in Russland seine offenen Worte vergolten werden, wenn die Olympiade in Sotschi erst einmal vorbei ist.
Aber, damit kann man rechnen, er wird zu einer sehr wichtigen Stimme der russischen Zivilgesellschaft werden - und damit eine große Rolle für Russlands Zukunft spielen.