26. Januar 2013 13:18 Uhr
KonzertkritikLiebhaber der volkstümlichen Musik können aufatmen. Wo "Kastelruther Spatzen" draufsteht, sind auch Kastelruther Spatzen drin. So jedenfalls der Eindruck unseres Kritikers nach dem Konzert in der gut gefüllten Freiburger Rothaus Arena.
Der erste Eindruck: Das klingt so wie auf der CD. Sänger Norbert Rier trifft die Töne und die Herzen. Trompeter Walter Mauroner spielt die Melodie mit oder macht kleine Schlenker, die vom leisen Saxophon (Valentin Silbernagl) mit Terzen folklorisiert werden. Albin Gross legt an den Keyboards bei jedem Lied einen Synthie-Teppich aus, auf dem die Musiker weich gebettet werden. Sich wohlfühlen ist angesagt. Der Abend ist eher ruhig - und bleibt es über weiter Strecken auch.
Setliste: unter anderem "Leben und Leben lassen", "Jeder Tag ist eine Rose", "Spiel mir ein Lied aus der Heimat", "Immer noch wie am ersten Tag", "Morgengebet", Medley (unter anderem Weiße Braut, Atlantis der Berge, Feuer im ewigen Eis), "Sandy kann nicht heim", "Und ewig ruft die Heimat", "Ein Leben lang", "Gott hatte einen Traum", "Deine Hände sprechen Bände", "Hinter jedem Regenbogen", Hand auf"s Herz, Ich schwör", Verzeih", "Gloria alla Montagna", "Eine weiße Rose", "Eine Herde stolzer Pferde", "Daheim in Kastelruth", "Herzschlag für Herzschlag", "Wie wollen keine Helden sein", "Va Pensiero".
Zusätzlich präsentierte der Sänger Norbert Rier eine "Überraschung", nämlich seinen Sohn Alexander, mit dem er die Duette "Deine Träume sind meine Träume", "Zwischen dir und mir" und "Ciao amore" interpretiert - und ihm dabei tief in die Augen schaut. Nach der Pause hat Alexander Rier ein kurzes Soloset (mit dabei: "Schreib Deinen Namen auf mein Herz", "Ein Bett im Kornfeld" und "Adio Mexico"). Freiburg singt und schunkelt mit.
Die Musik: Die Kastelruther Spatzen können ihre Lieder auch live ohne spürbaren Qualitätsverlust interpretieren. Dies sagt allerdings nichts über die Qualität der Musik aus. Das ist alles instrumental nicht anspruchsvoll - und wäre großenteils in wenigen Unterrichtsstunden zu erlernen, speziell die Parts von Gitarre, Schlagzeug und E-Bass. Die Debatte um die Echtheit der Musiker erscheint absurd - als hätten in der volkstümlichen Musik Begriffe wie Virtuosität, Anspruch und musikalische Qualität je eine Rolle gespielt. Norbert Rier singt sauber. Auch die mehrstimmigen Lieder sind gut intoniert. Der Bandleader und Pferdezüchter sorgt mit seinen ruhigen Moderationen im weichen SüdtirolerAkzent für eine beinahe schon pastorale Stimmung. Leitmotive sind Heimat, Herz, Schmerz, Rose(n) und Glück.
Augenschmaus: Optisch haben die Kastelruther Spatzen dazugewonnen, nachdem die im Laufe der letzten 30 Jahre entstandenen Bärte und Schnurrbärte mittlerweile abrasiert sind. Fesch sehen sie aus in ihrer Südtiroler Tracht mit den bis über die Knie reichenden, bestickten Lederhosen, den Reitstiefeln und dem bunten, kurzen Krawattentuch. ( Fotos: Die Kastelruther Spatzen in der Rothaus Arena). Drei überdimensionierte weiße Blumen liegen auf der Bühne, deren Blütenkelch aus einer glitzernden Discokugel besteht. Auf einer großen, halbrunden und zwei kleineren Leinwänden werden wahlweise Nahaufnahmen der Musiker, Berge oder Pferde gezeigt. Die Videos könnten glatt vom Tourismusbüro Südtirol stammen.
Das Publikum: Die in einem Interview geäußerte Beobachtung des Leadsängers Norbert Rier, durch den vermeintlichen Skandal hätte man viel junges Publikum dazu gewonnen, lässt sich in Freiburg nicht verifizieren. Junggebliebene gibt es dagegen viele. Fotos werden noch mit der Kamera gemacht und nicht mit dem I-Phone. Im Foyer ist vor allem Alemannisch in allen Ausprägungen zu hören - vermutlich sind die meisten Besucherinnen und Besucher aus dem Umland angereist, zum Teil in großen Reisebussen. Auch zahlreiche Fanclubs, zum Beispiel aus Ravensburg, sind anwesend. Zwei Fahrräder stehen vor der Halle.
Neppchen am Fanshop: Ein kleines Stoffpferd für 25 Euro
Originellster Spruch: "Ich habe gehört, in Freiburg sind die Leute besonders gut drauf." (Alexander Rier)
Zweitoriginellster Spruch: "Sie waren ein hervorragendes Publikum. Ich hoffe, es hat auch Ihnen so viel Spaß gemacht wie uns." (Norbert Rier)
Was wir gerne noch gewusst hätten:
- Ob die Kastelruther Spatzen die Musik, die sie spielen, auch in ihrer Freizeit hören.
- Ob Vater Norbert und Sohn Alexander jemals einen Streit hatten
Bewertung: knapp 3 Stunden Musik, einschließlich Pause, alles live, tadellos gekleidet, freundlicher Umgangston, zielgruppenorientiert - eine glatte 2 (Abzug gibt"s wegen zu hoher Eigenwerbung)
Autor: Georg Rudiger