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Warum wir mehr unaufgeregt schwule Charaktere brauchen

Ich bin eine hetereosexuelle, weiße Cis-Frau. Das habe ich an dieser Stelle einmal geschrieben, obwohl das eigentlich allen herzlich egal sein dürfte. Sollte. Müsste.

Tja, das ist wohl eines meiner vielen angeborenen Privilegien. Denn wäre ich schwul, lesbisch, schwarz oder asiatisch, dann dürfte ich mich sicher mindestens einmal die Woche für mein Aussehen, meine Herkunft oder für meine sexuelle Orientierung rechtfertigen. Mindestens.

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So wie auch immer noch viele Freunde und Freundinnen, Schauspieler, Filmemacher oder Autorinnen, die entweder selbst zu einer Minderheit gehören oder sich aktiv dazu entscheiden, ihre fiktiven Charakter nicht nach konservativer „Norm" zu kreieren. Anders machte es J.K. Rowling, Schöpferin des „Harry Potter"-Universums. Sie hatte vor einer Weile ganz unaufgeregt bestätigt:

Hogwarts Schulleiter Albus Dumbledore ist schwul, klar. Und jetzt?

Das Großartige an ihrem Statement: In den Büchern und Filmen zu „Harry Potter" ist Dumbledore nicht als „typisch schwul" dargestellt. Seine Sexualität spielt hier überhaupt keine Rolle!

Dieser Umgang mit dem Thema Homosexualität ist leider nicht der Standard. Obwohl es nichts Besonderes sein sollte, ist es das aber doch irgendwie. Dabei ist schwul sein oder eine dunkle Hautfarbe genauso normal, wie heterosexuell zu sein und eine helle Hautfarbe zu haben. Eigentlich.

Ein weiteres Privileg, das ich habe, ist, dass meine Lebenswelt auf Kinoleinwänden, Werbeplakaten und in Schulbüchern repräsentiert wird.

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Egal, welche Serie ich mir auf Netflix anschaue:

Es gibt mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit eine Frau, die Männer liebt.

Egal, ob ich im Kino einen Thriller, eine Rom-Com, einen Actionfilm schaue: Ich sehe eigentlich ausnahmslos Hetero-Pärchen, in Männer verliebte Frauen, oder Frauen, denen die Männer verfallen. Männer, die Frauen lieben oder Männer, die von Frauen geliebt werden.

Und das ist auch okay.

Aber wenn ich mir jetzt vorstelle, wie es sich für schwule Freunde eigentlich anfühlen muss, wenn ich sie frage, ob wir nicht diesen total tollen neuen Film im Kino gucken wollen, dann stehen die Chancen leider schlecht, dass sich darin auch ein schwuler Charakter befindet, der ansatzweise an der Tiefschichtigkeit kratzt. Egal ob es der Held, der Bösewicht, oder der große Bruder im Familiendrama ist.

Deshalb freue ich mich gerade so über die News, dass Dumbledores Schwulsein auch auf der Leinwand thematisiert wird.

Im neuen Trailer zu „Phantastische Tierwesen 2" deutet eine Szene nämlich an, wie der junge Dumbledore (gespielt von Jude Law) entdeckt, dass er schwul ist. Trotzdem steht Dumbledores Sexualität nicht im Fokus, sondern die Magie.

Damit zeigt eine Mainstream-Filmikone wie J.K Rowling, wie das richtig geht - vor dem Film und nach dem Film.

So nüchtern, wie die Bestseller-Autorin der Bücher und Mit-Produzentin der Kinofilme das Schwulsein eines Hauptcharakters verkündet hat, sollten meiner Meinung nach in Zukunft viel mehr schwule Charaktere eingeführt werden.

„Dumbledore is gay", schrieb die Autorin auf einen Drehbuchentwurf, verriet außerdem, dass der Zauberer anscheinend auf den männlichen Magier Gellert Grindelwald steht.

Besser noch: Warum nicht einfach auf die Einführung verzichten? Solange es für die Handlung nicht wichtig ist, ob ein Charakter schwul ist, sollten die sexuellen Vorlieben doch keine extra Erklärung benötigen. Wen schert's, worauf Harry Potters Zauber-Mentor Albus Dumbledore im Bett steht, wenn es um Sex in der legendären Magie-Reihe gar nicht geht.

Viel zu oft sind Schwule gar nicht präsent in großen Hollywoodproduktionen.

Das gilt natürlich auch für Lesben und Transsexuelle und Drags und, und, und. Das ist schade.

Und das ist falsch, denn somit flimmert immer noch ein verzerrtes Weltbild als Quasi-Standard über die Leinwände und Bildschirme.

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Dabei leben auf der Welt mehrere Millionen Homosexuelle. Das ist, von Moral und Moderne mal abgesehen, auch einfach ein großes Zielpublikum, ein riesiger Markt, der einfach nicht genutzt wird.

Das Geld und der wirtschaftliche Aspekt kann also keine wirklich große Rolle spielen.

Anders verhält es sich natürlich, wenn es thematisch um Intersexualität geht wie in „The Danish Girl", um eine lesbische Liebesbeziehung unter Teenies wie in „Blau ist eine warme Farbe".

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Aber es kann trotzdem nicht mehr modern sein, dass schwule oder LGBTQ-Charaktere immer noch allein in Filmen präsent sind und im Fokus stehen, in denen es um LGBTQ-Themen geht. Das ist ja keine Identität oder Entscheidung, es ist kein Hobby, es ist nur ein Teil der Persönlichkeit.

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Die sexuelle Orientierung definiert die Zuschauer nicht. Warum sollte man die Charaktere auf der Leinwand darüber definieren? Das wird dem diversen Publikum im Jahre 2018 allerallerallerspätestens nicht mehr gerecht.

Es kann nicht sein, das LGBTQ-Charaktere im Mainstream-Filmen unterpräsentiert sind.

Und ja, das schreibe ich als heterosexuelle, weiße Cis-Frau. Denn es betrifft mich persönlich zwar nicht, aber es berührt mich durch die alltäglichen, normalen Berühungspunkte, die ich mit Schwulen, Lesben, Drags und Travestiten habe.

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Und, mal ehrlich, wie wichtig ist es denn bitte den Verantwortlichen, homophobe Fans zu halten? Ich hoffe nicht so wichtig, wie ein Statement gegen Homophobie zu setzen, auch und gerade in der Kultur.

Mit Klischees klappt das übrigens nicht.

Außerdem fühle ich mich einfach verarscht und mein Anspruch wird enttäuscht, wenn ein Charakter flach gezeichnet ist oder voll überzogen. Egal, ob es ein schwuler, lesbischer, schwarzer, asiatischer, mexikanischer, spanischer oder ein deutscher Hetero-Charakter ist.

Richtig gut gemacht haben es bisher nur einige wenige Produktionen. Zum Beispiel die Webserie „Straight Family", in der es um eine ganz normale, lesbisch-schwul-queer-straighte Familie geht. Must-Watch!

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Quelle: Noizz.de

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