In diesem Jahr hat sich Sebastian Kienle zwei Träume erfüllt: An seinem 30. Geburtstag hat er den Ironman Germany in Frankfurt gewonnen, kurz darauf, im Oktober, den legendären Ironman auf Hawaii. Mit stern.de sprach er über sein Verhältnis zu Erfolg, und warum er seinen Konkurrenten Jan Frodeno zum Essen einlädt.
Herr Kienle, eine ihrer Erfolgsstrategien lautet: Sich im Wettkampf stark zeigen, auch wenn man es gar nicht ist. Wie machen Sie das?
Vor langer Zeit hat mir mal ein Trainer gesagt: "Attackier, wenn du am Limit bist. Denn dann sind es die anderen auch." Das stimmt natürlich nicht immer, aber es ist schon was Wahres dran: Man muss beim Gegner einen mentalen Schaden hinterlassen. Wenn ich ein bisschen schneller als nötig an Konkurrenten vorbeifahre oder gezielt Blickkontakt suche, entstehen bei den anderen Zweifel. Diese Spielchen sind nichts Neues im Sport, aber sie funktionieren.
Und wenn Sie selbst überholt werden?
Dann versuche ich, mich an die Glücksgefühle an der Ziellinie zu erinnern. Beim Iron Man auf Hawaii bin ich außerdem an meinem Hotel vorbeigekommen. Da habe ich an den Urlaub mit meiner Freundin gedacht.
Um was geht es Ihnen bei den Rennen? Ums Gewinnen an sich? Um die Zeit? Darum, bestimmte Konkurrenten zu besiegen?
Klar geht es ums Gewinnen, aber vor allem will ich an meine Grenzen gehen und das Maximum aus mir herausholen - dann bin ich zufrieden. Die Zeit ist mir dabei relativ egal. Gerade auf Hawaii gibt es keine „Labor-Bedingungen". Wenn es sehr windig oder heiß ist, braucht der Sieger gleich mal 15 Minuten länger als der im Vorjahr. Auch die Konkurrenten spielen eher vorher im Training eine Rolle: Jan Frodeno kenne ich zum Beispiel schon sehr lange. Ich weiß, wie hart er arbeitet und habe Respekt davor. Das hilft mir, morgens in die Gänge zu kommen.
Wie viel Druck machen Ihre Werbepartner?
In unserem Sport ist das sehr angenehm. Mich hat noch nie einer angerufen und gesagt: In dem Rennen wollen wir einen Sieg sehen. Aber die Freiheit, die ich durch die finanziellen Möglichkeiten habe, ist natürlich ein großer Antrieb für mich. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, wie und wann ich trainiere. Ich muss auch nicht nebenher arbeiten und Geld verdienen. Da ich selten von außen motiviert werden muss, genieße ich diese Freiheit.
Haben Sie nie einen Durchhänger?
Als Kind habe ich öfter mal nach den Ferien gesagt, dass ich nicht mehr zum Training gehen möchte. Meine Eltern meinten dann immer: „Du hast das doch gern gemacht. Probier's doch noch zwei Wochen. Wenn du dann immer noch keine Lust hast, kannst du aufhören." Sie haben nie versucht, mangelnde Motivation durch Zwang zu ersetzen. Auch später habe ich ab und zu ans Aufhören gedacht. Das ist auch gut so: Man muss sich mit der Frage auseinandersetzen. Wenn man zu lange tut, wozu man eigentlich keine Lust mehr hat, wird man nicht auf Dauer Erfolg haben.
Was macht Sie so erfolgreich?
Neben meinem Durchhaltewillen wahrscheinlich vor allem meine Lockerheit. Überall, wo Leute konzentriert und manchmal verbissen arbeiten, werden die gewinnen, die zusätzlich zu ihrer Disziplin noch einen Schuss Lockerheit haben. Erfolg lässt sich nicht erzwingen. Deshalb bin ich froh, dass ich den Mut hatte, auch mal ein Training ausfallen zu lassen. Leute, die immer am absoluten Limit trainieren, bekommen irgendwann Belastungsschäden und Motivationsprobleme.
Hilft Ihnen diese Einstellung auch in anderen Bereichen?
Da bin ich leider manchmal zu locker. Bei meinem Physik- und meinem Management-Studium hatte ich nie den Durchhaltewillen wie beim Sport. Aber vielleicht kann man das auch nicht in allen Bereichen von sich verlangen.
Ihre Freundin ist Läuferin - Sie trainieren öfter zusammen. Fühlt sich Ihre Freundin durch Ihren Erfolg eingeschüchtert?
Triathlon-Fans sind zum Glück angenehme Zeitgenossen, bei mir campen auch keine Paparazzi vor dem Haus. Das macht es für sie sicher einfacher als für Fußballer-Freundinnen. Da sie schon seit einigen Jahren Vollzeit arbeitet und nicht mehr so viel Sport macht wie früher, kommt es auch nicht zu Konkurrenzgefühlen. Ich glaube, sie ist einfach glücklich, wenn ich glücklich bin. Schlimmer sind Zeiten wie im letzten Jahr, wo ich länger krank war. Ich glaube, da war ich ganz schön anstrengend. Weil sie mich so sehr unterstützt und auch viel von ihrem Urlaub für Rennen opfert, versuche ich ihr etwas zurückzugeben und habe Sie zum Beispiel auf Hawaii in ein schönes Hotel eingeladen...
...und den Sieg gefeiert?
Na klar! Aber nicht nur mit meiner Freundin: Mit Jan Frodeno feiere ich immer in größerer Runde. Der Sieger lädt den anderen plus Anhang ein. Wenn man dann beieinander sitzt und gut isst, kann man sich sogar freuen, wenn man verloren hat - und der Ehrgeiz erwacht, den Spieß beim nächsten Mal umzudrehen.