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Ein Düwelskerl

Bernhard de Reese hat 15 Jahre Niederdeutsch in der Schule unterrichtet.

Nichts auf dieser Welt sei so ganz wichtig, sagt Bernhard de Reese, aber Plattdeutsch gehört auf jeden Fall zu den wenigen wichtigen Dingen. Denn mit dieser Sprache könnten Sachen so ausgedrückt werden, wie es keine andere schafft. „Hochdeutsch ist eine Sprache des Kopfes. Aber Plattdeutsch ist eine Sprache des Herzens", sagt de Reese. Seit Jahren setzt er sich für diese ein: 15 Jahre hat er Niederdeutsch in der Schule unterrichtet, 2015 hat er das Buch „Dat lütte Plattdüütsch-Lehrbook" veröffentlicht.

Und der Lehrer hat auch der Hip-Hop-Gruppe „De Fofftig Pens" das Plattdeutsch nahegebracht. Seine neuste Erfindung: Eine App, mit der man sich selbst Niederdeutsch ­beibringen kann. Außer im Playstore gibt es diese auch auf seiner Homepage www.rema-verlag.de zum Herunterladen. Dort ist sie dann auch nicht komprimiert und enthält neben Videos auch einen Test, bei dem die Nutzer das eigene Plattdeutsch-Wissen testen können. 

De Reese - sein Nachname ist das plattdeutsche Wort für „der Riese". Der Name passt, nicht nur weil der Mann hochgewachsen ist, sondern auch weil seine Vielfalt an Leidenschaften riesig erscheint. So erzählt er auch unheimlich gerne Geschichten. Besser noch: Anekdoten. Auf Plattdeutsch heißen sie „Döntjes" - solche kleinen Erzählungen gebe es im Hochdeutschen viel zu selten, findet er. Wenn de Reese spricht, lässt er immer wieder kleine Döntjes in das Gespräch einfließen. Aber auch größere Geschichten erzählt er. Und das professionell: Zehn Bücher hat der 78-Jährige seit 2007 bereits veröffentlicht, seitdem er nicht mehr als Lehrer in Bremen-Vegesack arbeitet und in Rente ist. „Damals habe ich schon etwas verloren. Mir hat mein Beruf immer Spaß gemacht", sagt de Reese.

Aber er habe auch etwas gewonnen - wie das immer so sei im Leben. De Reese kann schlecht ruhig sitzen, er müsse immer etwas produzieren. Und so hat er kurzerhand, nachdem er selbst die Erfahrung gemacht hat, wie schwer es ist, einen Verlag zu finden, selbst einen gegründet - den Rema Verlag. „Irgendwann habe ich gedacht: Es gibt doch viele, die etwas schreiben, aber keinen Verlag finden." Bisher haben zwar nur Menschen aus der Region diesen genutzt, aber immerhin um die zehn Autoren. Eine Frau hat beispielsweise die selbst geschriebenen Gedichte ihres verstorbenen Vaters veröffentlicht: „Riemels un Vertellen" (Reime und Erzählungen).

Die eigenen Erfahrungen einbauen

„Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug" - dieser Satz von Epikur, einem griechischen Philosoph, steht in einem Buch von de Reese. So ganz scheint er ihn selbst aber nicht zu befolgen, er gibt auch zu, dass er sich selten sagt: „So, das war's jetzt." Seine Bücher schreibe er aber vielmehr für sich. Oft baut er eigene Erfahrungen in Büchern ein und nutzt das Schreiben zum Verarbeiten. So hat er auch Bücher über das Leben seiner Eltern geschrieben, die er nicht zum Verkauf freigegeben, sondern vielmehr für sich selbst angefertigt hat. Viele Menschen nutzen zu diesem Zwecke auch seinen Verlag: um für die Freunde, für die Familie ein Buch zu drucken. Natürlich kann man diese Bücher über seine Website auch bestellen, aber das Vermarkten scheint nicht das vordergründige Ziel von de Reese zu sein, anders als bei vielen anderen Verlagen.

Werbung und große Aufmerksamkeit scheinen dem Beckedorfer sowieso nicht so zu liegen. Er habe sich auch schwer damit getan, sich auf ein Porträt einzulassen: Eigentlich wolle er sich selbst nicht so in den Mittelpunkt stellen. Wer mit sich selbst zufrieden und im Reinen ist, brauche das nicht, findet de Reese. „Doch für Plattdeutsch muss ich die Flagge hochhalten".

Doch das Aufrechterhalten und damit das Weitergeben der Sprache sei gar nicht mal so einfach: Jede Region hat einen eigenen Dialekt, fast jedes Dorf hat eigene Wörter. Wenn die Muttersprachler sich noch nicht einmal auf eine korrekte Schreibweise einigen können, wie sollen dann andere dies lernen? Bernhard de Reese kennt sich in der Sprache inzwischen sehr gut aus, er hat viele Bücher gelesen und sich so auch die verschiedenen Dialekte angeeignet. Manchmal wünschte er sich, es wäre einfacher, die Sprache zu normieren. „Nehmen wir das Wort ‚up'. Also ‚auf'.

Im Westen sprechen die das eher mit ‚u', im Osten bei Hamburg sagen die mehr ‚op'. Aber so richtig raushören kann man das oft gar nicht. Da sollten die sagen: Ist egal, das kann man so oder so schreiben." Viele tun sich damit aber schwer. Die App bietet das nord-niedersächsische Plattdeutsch an, das in Bremen, Oldenburg, sogar bis Hamburg hoch gesprochen wird. Denn trotz der Schwierigkeiten sei es wichtig, dass die Sprache nicht aussterbe. „Jede Sprache hat ihr eigenes Universum, das es aufrecht zu erhalten gilt."

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