5 subscriptions and 2 subscribers
Article

Was steckt hinter den Montags-Mahnwachen? | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

In Hamburg wurde zum zweiten Mal für den Weltfrieden eine Mahnwache abgehalten. Dass es wirklich nur um eine Friedensdemonstration geht, wird aber inzwischen immer unwahrscheinlicher. Die Recherchen von Mittendrin zeigen einen anderen möglichen Hintergrund der Kundgebungen.

„Rechts...links...ach leckt mich doch" steht auf der Homepage geschrieben, die über die zum Frieden aufrufende Montags-Mahnwache informieren soll. Auch auf der Veranstaltung selbst wird oft davon gesprochen, dass hier Platz für alle sei, egal ob „rechts oder links". Der Veranstalter Henrik Hanssen, der theoretische Physik an der Universität Hamburg studiert, betont: „Es ist nichts links, es ist nicht rechts, es ist auch nicht mittig, sondern es ist einfach raus aus diesem Links-Rechts-Schema".

Antisemitische Töne

In Hamburg auf dem Jungfernstieg werden daher sowohl linke, als auch rechte Parolen verkündet. Von sozialen bis nationalen Inhalten ist alles vertreten. Mal werden Worte des Aufklärers Jean-Jacques Rousseau zu ihren Gunsten genutzt. Mal wird offener Antisemitismus gepredigt, indem der jüdischen Familie Rothschild die Kontrolle über das heutige Finanzsystem und die einflussreiche US-Notenbank (Federal Reserve Bank) nachgesagt wird. Ein eindeutiger Verweis auf einen strukturellen Antisemitismus, wie man ihn von rechten Gruppierungen kennt. Jeder dürfe bei der Mahnwache das Wort ergreifen, sagt Henrik Hanssen. Ihm allerdings waren die Worte zu den Rothschilds zu populistisch, sagt er im Anschluss in einem Gespräch. Doch dass hier irgendjemand etwas gegen Juden hätte, davon will er nichts wissen. Hanssen ist der einzige Veranstalter, so jedenfalls erzählt er es und so ist es auch bei der Polizei gemeldet.

Eine einstudierte Choreografie?

Es fällt aber auf: Alle Redner haben ein gewisses Gespür und auch die Fähigkeit, rhetorisch zu sprechen und die Zuhörer auf ihre Seite zu bringen. In ihren Reden bauen sie immer wieder dieselben Wörter ein: Menschen, Seele, Gemeinschaft. Vermehrt zu hören ist auch die Aussage: „Wir sind eins". Nach kurzer Zeit besteht der Verdacht: Hier geht es um mehr als dieselbe politische Einstellung. So fallen auch immer wieder Phrasen, welche die Menschen indirekt dazu auffordern, sich einer "Gemeinschaft" anzuschließen. Alleine hier würden sie geachtet werden, heißt es. Die „spontanen" Redner scheinen sich abgesprochen zu haben. Die Veranstaltung scheint inszeniert. Alles mutet an wie eine gut einstudierte Choreographie.

Nach den Redebeiträgen gibt es immer wieder eine Pause von circa zehn Minuten. Die Menschen sollen sich unter einander verknüpfen, besprechen, austauschen. Sie sollen sich "kennen lernen und sich aufgehoben fühlen". Auch diese Woche sind wieder rund 200 Teilnehmer gekommen, darunter viele Passanten. Zusammen wird dann auf Fragen wie „wollt ihr ein neues System?" mit einem lauten „Ja" respondiert. Immer wieder. Der Aufbau erinnert mehr an das Ritual einer Sekte als an eine Demonstration.

Gruppe I-UV Initiator der Montags-Mahnwachen in Hamburg?

Was wir zwischendurch mitbekommen: Unter bestimmten Personen kursiert ein Flyer. Ihn erhalten nur Teilnehmer, bei denen sich die vermeintlichen Veranstalter sicher sind, dass sie damit vertraulich umgehen. Uns liegt ein solcher Flyer der sogenannten Organisation I-UV vor. I-UV steht auf deutsch für „Ich und Universeller Werteaustausch". Dabei ist die eigentlich aus Amerika stammende Organisation I-UV offenbar der verschwörungstheoretischen Gruppe „The One People's Public Trust" (OPPT) untergeordnet. Übersetzt: „der ein Volk Treuhandfonds". Angeblich sind sie eine Gruppe mutiger Juristen, die sich beim UCC, dem amerikanischen Handelsrecht „Uniform Commercial Code" eingetragen haben. Sie erheben Anspruch im Namen aller Menschen auf die weltweiten Ressourcen wie etwa Gold- und Silberreserven. Nach Ansicht der I-UV kontrollieren die Banken die Regierungen, „indem sie Geld aus dem Nichts schöpfen und uns gegen Zinsen verleihen".

Laut des Facebook-Auftritts ist die I-UV ein Portal für Humanität, in dem man einen neuen Weg des eigenen Seins und Tuns erleben kann, im Einklang mit den „höchsten Idealen". Auf Facebook gibt es sie erst seit Mai 2013. Im Mittelpunkt der Organisation stehe die Rückgewinnung der Souveränität. Es wird behauptet, dass Menschen mit ihrer Geburt in Handelsregister eingetragen werden und somit von der Wirtschaft zu einem Objekt gemacht werden können. Dagegen wollen die Initiatoren der Veranstaltung ein „Neuland" etablieren, indem die von ihnen angeprangerten Vorkommnisse nicht mehr stattfinden. Dabei werden auch sektenähnliche Rituale wie Schuldenerlass und Sühne erwähnt.

Auch Pastor Jörg Pedelow, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Nordelbischen evangelischen Kirche, kennt die Internetauftritte der Gruppe. Seiner Meinung nach werden hier vor allem "verschwörungstheoretische und polit-esoterische" Inhalte weiter getragen.

Veranstalter bestreitet Beteiligung einer Organisation

Veranstalter Hanssen stellt in einer Rede den möglichen Ausstieg aus dem aktuellen System dar. Es ist eine elementare Kritik an der US-Notenbank, die er als alleinigen Verantwortlichen der Missstände sieht. Als wir ihn nach der Organisation I-UV fragen, weicht er aus. Er sagt, er kenne diese Organisation nicht. Dabei greift er in eigenen Reden Statements auf, die auf deren Online-Plattformen verbreitet werden. „Es ist gut, dass die Menschen der Nation unser Banken- und Geldsystem nicht verstehen, denn würden sie dies, glaube ich, dass wir vor dem Morgengrauen eine Revolution hätten" sagt Hanssen und verwendet damit ein Zitat Henry Fords. Im Gespräch behauptet er immer wieder, dass nichts hinter der Veranstaltung stehe: keine Organisation, keine Sponsoren, lediglich der Wunsch nach Weltfrieden. Auf der Internetseite des I-UV bereitet die für den Inhalt verantwortliche Person Mikki Sturzenbach-Kessi bereits den Ausstieg der Gruppe in ein Domizil in Spanien vor, weit abgeschottet vom Alltag.

Weitere Mahnwachen geplant

Worum es der I-UV geht zeigt ein weiterer Blick auf die Internetseite der Organisation: Sie lässt beim Beitritt eine Erklärung unterschreiben. In dieser ist zunächst lediglich erkennbar, dass man sich verpflichtet einem Schöpfer zu dienen sowie seinen eigenen Verstand zu benutzen. Erst am Ende in kleinen Druckbuchstaben zeigt sich allerdings ein weiteres Anliegen des I-UV: „Diese Erklärung wird im Voraus bezahlt, im Voraus autorisiert und im Voraus bestätigt durch den Unterzeichner in Vollverantwortung, Haftung und Transparenz." Zusammengefasst geht es also um das Geld der Mitglieder. Auch am Ende der Mahnwache werden Spenden gesammelt. An sich nichts ungewöhnliches, doch vor dem Hintergrund der möglichen Beteiligung einer sektenartigen Organisation bekommt das einen bitteren Beigeschmack.

In Hamburg soll es weitere Mahnwachen geben. Eine direkte Verbindung zu den bundesweit laufenden Veranstaltungen wie in Berlin und Magdeburg gebe es nicht, sagt Veranstalter Hanssen.

Foto: Tobias Johanning

Original