"Das große Problem mit einer Frau ist, dass sie, auch wenn sie gut genug ist, keine Gelegenheit dazu haben wird, es auch zu zeigen."
Es ist noch nicht lange her, dass der große Boss Bernie Ecclestone höchstpersönlich aussprach, was in der Formel 1 sonst nur hinter vorgehaltener Hand verbreitet wird. Und wenn es stimmt, was Ecclestone sagt, dann wäre auch Susie Wolff zum Scheitern verurteilt.
Susie Wolff ist 31, Britin, Ehefrau von Mercedes-Sportchef Toto Wolff - und Testfahrerin beim Williams-Team. Die Klasse, um es mit den Schnellsten in der Formel 1 aufzunehmen, hat sie. Sie war nach 22 Jahren die erste Frau, die an einem offiziellen Formel-1-Training teilnahm (in Silverstone). Beim Training zum Hockenheim-Grand-Prix untermauerte sie, dass sie mit der Elite des Motorsports mithalten könnte. Für ein festes Cockpit reicht es allerdings (noch) nicht.
Warum ist das so? Warum lassen weibliche Motorsporttalente immer wieder in Trainingssessions ihre männliche Konkurrenz hinter sich, kommen aber nie in den regulären Rennen zum Einsatz? Warum haben es Frauen so schwer, sich ihren Weg in die Formel 1 zu bahnen?
Der Weg in die Formel 1 ist bei Frauen ein ähnlicher wie bei Männern: Er führt über den Kart-Sport. Sebastian Vettel und die Schumacher-Brüder Ralf und Michael sind beim Kart-Klub in Kerpen großgeworden. Guido Krauthausen ist dort Jugendleiter. "Sportlich gibt es zwischen Frauen und Männern nur in wenigen Bereichen unterschiedliche Voraussetzungen, etwa was den Aufbau der Muskeln angeht", sagt er.
Frauen im Motorsport
Ist die Zeit reif für eine weibliche Fahrerin in der Formel 1?
Dafür seien Frauen noch stärker fokussiert und würden bei Überholversuchen nicht jedes Risiko in Kauf nehmen, so Krauthausen. In der Formel 1 seien ihre Chancen zudem durch Regeländerungen erhöht: Ihr geringes Körpergewicht erhöhe die Aerodynamik. Dank Servolenkung, so der Kerpener Jugendleiter, gebe es keine physische Grenze mehr für Frauen. Und auch die Muskulatur könne nun so trainiert werden, dass sie den Fliehkräften standhält.
Allerdings versuchen sich immer noch wenige Mädchen im Motorsport. In Kerpen sind die Nachwuchsfahrer zu neunzig Prozent männlich. Bei den deutschen Kart-Meisterschaften kommen auf Hunderte Fahrer vier Mädchen. Davon schafften es beim ersten Saisonrennen aber drei ins Finale. Die Talentdichte ist also hoch.
Frauen als "Grid-Girls"
An der Spitze blieb Frauen in der Formel 1 bisher allerdings nur die Rolle der "Grid-Girls": Hübsch und leicht bekleidet halten sie die Startnummer vor einem Rennen hoch. Waghalsige Fahrer dürfen sie nicht sein.
Ein Netzwerk unter dem Vorsitz der ehemaligen Rallye-Fahrerin Michèle Mouton versucht seit einiger Zeit, die öffentliche Wahrnehmung der Frauen zu stärken. Erste Erfolge sind sichtbar. Es gibt mittlerweile mehr Technikerinnen, Ingenieurinnen, Pressesprecherinnen und Managerinnen in den Teams als vor zehn Jahren. Doch es fehlt die Strahlkraft einer Rennfahrerin, die mit den Männern mithält. Ellen Lohr, ehemalige Tourenwagen- und DTM-Fahrerin, kritisiert die Teams für das geringe Vertrauen gegenüber den Frauen. "Aus meinen Erfahrungen hat im Ernstfall auch die Talentierteste nicht das Material bekommen, um zu siegen."
In den jungen Altersklassen wird noch gleichberechtigt gefahren. Nur die erfolgreichsten Kart-Fahrer(-innen) steigen eine Klasse auf. Susie Wolff fuhr im Kart bereits gegen die derzeit Führenden der Formel-1-Wertung, Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Doch anschließend musste sie einen anderen Weg einschlagen, in der DTM aus Vermarktungsgründen mit einem pinken Auto fahren.
Teamchefs fürchten um Teamfrieden
Ohne ein gewinnbringendes Fahrzeug schaffen es auch die Piloten mit dem größten Talent nicht. Die Kart-Jahre können noch aus eigener Tasche bestritten werden, ab der Formel 3 müssen dafür einige Hunderttausend Euro aufgebracht werden. Wenn die Fahrer es in die Formel 1 schaffen wollen, sind sogar einige Millionen Euro fällig. Für die meisten Fahrer ist das nicht finanzierbar.
"Recht früh dreht sich vieles schon ums Finanzielle", sagt Weltmeister Sebastian Vettel in einem Interview mit den "Stuttgarter Nachrichten". "Man weiß, dass man große Verantwortung trägt, weil auch die Eltern viel reinstecken. Dazu kommen die Sponsoren - das alles fährt als unsichtbarer Passagier immer mit." Schon in der Formel 3 ist es üblich, für ein Cockpit zu zahlen.
Bei Frauen kommen weitere Hindernisse hinzu. Formel-1-Teamchefs fürchten den Teamfrieden: Ein männlicher Pilot würde seiner Kollegin niemals bei der Abstimmungsarbeit helfen, wenn sie auf demselben Niveau fahren sollten, heißt es. Susie Wolff spricht von einem ausgezeichneten Verhältnis zu den Teamkollegen Valtteri Bottas und Felipe Massa bei Williams. Derzeit stellt sie aber auch keine Gefahr für die Formel-1-Piloten dar, sie überholt sie nicht auf der Strecke.
Beim Sauber-Team ruft allein die Anwesenheit von Entwicklungsfahrerin Simona de Silvestro bei den männlichen Teamkollegen merkwürdige Reaktionen hervor, verrät die sportliche Leiterin Monisha Kaltenborn. Der 25-jährigen Schweizerin werden noch größere Chancen auf ein Formel-1-Cockpit ausgerechnet. Sie fuhr 2012 in der US-amerikanischen Indy-Car-Serie auf den zweiten Platz.
Aufmerksamkeit als Chance
Fast zwanzig Jahre ist es her, dass eine Frau in der Formel 1 fuhr. Die beste Platzierung war Platz sechs 1975. Die Italienerin Maria Lombardi erhielt dafür einen halben Punkt. Es ist der letzte und einzige, den eine Frau jemals in der Formel 1 holte.
Die Bedingungen haben sich allerdings geändert. Die Hälfte des Fahrerfeldes hat keine Chance auf den Sieg, die hinteren Piloten müssen die Gelder für ihr Cockpit selbst mitbringen. Für viele Teams ist die Vermarktung deshalb entscheidend. Die Formel 1 ist auch eine Verkaufsshow, eine Frau im Cockpit brächte gewaltige Aufmerksamkeit. Vielleicht dauert es genau deshalb nicht mehr lange, bis im 22er-Männerfeld auch eine Frau mitfährt.
Auf dem Hockenheimring überzeugte Wolff. Sie fuhr nur unwesentlich langsamer als Kollege Massa. Anspruch auf ein Cockpit stellt die schüchterne Wolff trotzdem nicht. Insgesamt haben sich die Chancen aber verbessert. Sie sagt: "Ich denke, es wird bald dazu kommen, dass wir Frauen in einem festen Cockpit in der Formel 1 sehen."
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