5 subscriptions and 6 subscribers
Article

Kinderbetreuung: Was brauchen Eltern, was bietet Bretten?

HALLO TAGESMUTTER! Viele Eltern entscheiden sich für diese Form der Kinderbetreuung, weil sie individuell - an die eigenen Arbeitszeiten - angepasst werden kann. Foto: Rebel

Krippe, Großeltern oder Tagesmutter. Ganztags, verlängerte Öffnungszeiten oder ein paar Stunden: Die Kinderbetreuung ist vielfältiger, ihre Nutzung individueller geworden. Welche Ansprüche und Erfordernisse verbergen sich bei Eltern hinter der Wahl eines Betreuungsmodells - und haben sie überhaupt die Wahl? Diese Fragen hat sich BNN-Mitarbeiterin Franziska Pröll gestellt und an Mütter und Väter aus Bretten gerichtet. In den Elterninterviews zeigte sich: Viele Mütter aus Bretten arbeiten in Teilzeit, während ihre (Ehe-)Partner in Vollzeit tätig sind. Eine solch ungleiche Verteilung der Erwerbsarbeit ist nicht nur in Bretten verbreitet. Die "Fakten" beschreiben genauer, worin das Ungleichgewicht von beruflichen und familiären Aufgaben besteht.

Krippe gesucht - Tagesmutter gefunden

Sie suchte eine Krippe - und fand eine Tagesmutter: Anja Hensgen zieht im Juni 2016 mit ihrer Familie nach Bretten. Ab September soll ihr einjähriger Sohn Erik in die Krippe gehen. Drei Monate vor dem gewünschten Eintrittsdatum ruft Hensgen also die Einrichtungen in der Kernstadt an. Sie ist zu spät dran: Die meisten Eltern melden ihren Bedarf bereits vor der Geburt des Kindes an. Hensgen zielt noch dazu auf einen der seltenen Teilzeit-Plätze ab. Nachdem sie „eine Absage nach der anderen" bekommen hat, wendet sich Hensgen an die Stadt Bretten. Das zuständige Amt bestätigt, was Hensgen bereits ahnt: Dass ihre Suche wahrscheinlich erfolglos bleiben wird. Sie erhält aber auch den Tipp, sich an den Tageselternverein zu wenden. Von weiteren, ergebnislosen Kita-Telefonaten gefrustet, kontaktiert sie diesen im Juli. Viel Zeit bleibt ihr nicht. Ihr Mann arbeitet als Ingenieur in Vollzeit und Hensgen hat fest geplant, im September wieder in den Beruf einzusteigen. Als Lehrerin wird sie die Rückkehr nicht verschieben können, sondern dem vom Beginn des neuen Schuljahres markierten Termin gerecht werden müssen - was ihr durch die Vermittlung des Tageselternvereins gelingt. Eine Tagesmutter aus Bretten kann Erik für 20 Stunden pro Woche, verteilt auf drei Tage, aufnehmen. So deckt Hensgen nicht nur ihre zehn wöchentlichen Unterrichtsstunden, sondern auch Vorbereitungs- und Korrekturzeiten ab. Obwohl sie vor einem Jahr „über Umwege zur Tagesmutter gekommen" ist, sieht die 32-jährige Hensgen nun einen wesentlichen Vorteil in dieser Betreuungsform: die Flexibilität. Sie erfahre zum Beispiel immer erst wenige Tage vor Beginn eines neuen Schul- oder Halbjahres, zu welchen Uhrzeiten sie Unterricht hat. „Ein Problem, das alle Lehrer haben", sagt sie. Hinzu kommen, oft kurzfristig, Konferenzen oder Elterngespräche. „Unsere Tagesmutter ist zum Glück sehr flexibel und kann auf diesen Bedarf eingehen", berichtet sie.

Kurz nach dem Mutterschutz übernahm Tagesmutti

Ramona Manfredi ist Mitte Juli wieder in ihren Job zurückgekehrt - unmittelbar nach dem Mutterschutz. Weil ihre Tochter Emilia da gerade zehn Wochen alt war, hat Manfredi sich für eine Betreuung bei der Tagesmutter entschieden. Manfredi kennt die Gölshäuserin bereits und hat „ein gutes, familiäres Verhältnis" zu ihr. Das erste Kind ihrer Schwester wurde, das zweite wird aktuell von dieser Tagesmutter betreut. Emilia verbringt vier Tage pro Woche jeweils bis zu drei Stunden bei ihr. Donnerstags passt die Oma auf Emilia auf, außerdem holt der Opa sie öfter von der Betreuung ab. Das zweieinhalb Monate alte Mädchen in die Hände der Tagesmutter zu geben, ruft bei Manfredi „schon ein etwas mulmiges Gefühl" hervor. Sohn Luca ist inzwischen vier Jahre alt und besucht ganztags die Kindertageseinrichtung St. Albert in Bretten.

In den ersten drei Jahren nach seiner Geburt war Manfredi zu Hause gewesen, „auch weil ich in meinem gelernten Beruf arbeitslos war". Seit November 2015 ist die gelernte Restaurantfachfrau bei der Flüchtlingshilfe des Deutschen Roten Kreuzes in Karlsruhe beschäftigt. Dort hat sie eine 50 Prozent-Stelle angetreten. Neben der Sorge, dass „mein Arbeitsverhältnis ansonsten beendet wäre", veranlasst sie die finanzielle Situation ihrer Familie zu einer kurzen Babypause. „Mit nur einem Gehalt und zwei Kindern kommt man nicht weit", meint die 32-Jährige. Manfredis Ehemann hat einen Vollzeit-Job als Lagerist, sie selbst wird nun wieder wöchentlich 19,5 Stunden arbeiten. „Ich schaue, ob das funktioniert", sagt sie, „wenn es nicht klappt, werden wir einen anderen Weg finden müssen. Meine Kinder stehen an erster Stelle."

„Es tut gut, wieder zu arbeiten"

Meryem Öztürk arbeitet in Teilzeit, ihre Arbeitszeiten liegen mitten im Tag. Drei Mal pro Woche ist sie von 12 bis 16 Uhr in der Nachmittagsbetreuung der Hebelschule in Bretten tätig. Ihr Ehemann hat eine Vollzeit-Stelle bei Blanco in Bruchsal, seine Schichten beginnen im wöchentlichen Wechsel um 6 oder um 14.30 Uhr. Somit stand für Familie Öztürk fest: Um die Arbeitszeiten beider Eltern abzudecken, brauchen sie einen Ganztagesplatz für ihre Kinder. Sohn Ediz, 2 Jahre, besucht die Krippen-, Tochter Mina, 5 Jahre, die Kindergartengruppe von St. Albert in Bretten. Kurz nach 16 Uhr holt Öztürk ihre Kinder ab. Meistens sind die beiden gut gelaunt, doch nicht immer war die Stimmung positiv: Als Mina mit elf Monaten in der Krippe eingewöhnt werden sollte, hat sie die neue Umgebung nicht angenommen und viel geweint. Öztürk meldete Mina von der Krippe ab - und für den Kindergarten ab drei Jahren an. „Mina war damals einfach noch nicht reif für die Kita", erklärt Öztürk. Ediz schon: Als Öztürk ihn ebenfalls im Alter von elf Monaten mit der Krippe vertraut machte, fühlte er sich dort von Anfang an wohl. Wie erhofft, konnte Öztürk nach einjähriger Elternzeit wieder in den Beruf zurückkehren. Beantragt hatte sie den Krippenplatz für Ediz bereits im dritten Schwangerschaftsmonat. Dank des „Geschwisterbonus" - Mina besuchte die Einrichtung bereits - durfte sich die Familie über eine schnelle Zusage freuen. „Es tut so gut wieder zu arbeiten, ich fühle mich viel ausgeglichener", sagt Öztürk. Sich selbst durch die Arbeit in psychischem Gleichgewicht zu erleben, war für sie der Hauptgrund, nach dem Elternjahr wieder berufstätig zu werden. „Natürlich können wir auch das Geld gut gebrauchen", räumt die 30-Jährige ein, „mit nur einem Gehalt müssten wir zurückstecken." Noch ein weiterer Aspekt spielte in Öztürks Entscheidung hinein: „ Ich wollte auch an meine Zukunft denken. Wer als Frau jahrelang mit Kindern zu Hause bleibt, findet heute so leicht keinen Job mehr."

„Jede Mutter muss sich von ihrem Kind abnabeln"

Acht Wochen nach der Geburt ihrer Tochter Nele, direkt nach dem Mutterschutz, kehrte Anja Erler in den Job zurück. Die Leiterin der Fotografie-Abteilung eines großen Unternehmens in Pforzheim stieg mit 25 Wochenstunden wieder ein. „Mein ehemaliger Chef hat deutlich gemacht, dass er mich braucht und keinen Ersatz haben möchte", blickt sie zurück, „daher habe ich mir keine Gedanken gemacht, welche Modelle es für den Wiedereinstieg noch gäbe." Einen Arbeitstag verbringt Erler im betrieblichen, weitere vier im heimischen Büro in Ruit. „Zu Hause habe ich abends oder tagsüber, wenn Nele schlief, gearbeitet", sagt Erler. Wenn sie in der Firma anwesend sein muss, bringt sie Nele zu den Großeltern. Was ihr zunächst schwer gefallen sei, sieht die heute 40-jährige Erler ziemlich pragmatisch: „Jede Mutter muss sich irgendwann von ihrem Kind abnabeln. Bei mir hat dieser Prozess nach acht Wochen begonnen."

Bis Nele acht Monate alt wird, arbeitet ihre Mutter in Teil- und ihr Vater in Vollzeit. Dann verteilen die Eltern ihre beruflichen und familiären Aufgaben neu: Sie geht in Voll-, er in Elternzeit. Währenddessen gewöhnt der Vater die gerade ein Jahr alt gewordene Nele im Kinderhaus „Im Brückle" in Bretten ein. Die Wunsch-Kita von Familie Erler hat jährlich nur an 15 Tagen geschlossen - so selten wie keine andere Einrichtung im Kreis. Deshalb hat sich Erler dort früh um einen Platz beworben und im fünften Schwangerschaftsmonat die Zusage erhalten. Neles Vater nimmt seine Arbeit nach fünf Elternmonaten wieder auf. Da nun beide Eltern in Vollzeit beschäftigt sind, praktizieren sie im familiären Alltag einen „Schichtwechsel": „Einer von uns bringt Nele gegen 8.30 Uhr in die Kita und arbeitet dafür länger, der andere beginnt um 7 Uhr und holt Nele gegen 16.30 Uhr aus der Kita ab", beschreibt Erler. So koordiniert sich das Ehepaar Erler seit fast sechs Jahren - und mindestens noch, bis Nele im September in die Schule kommt.


Fakten, Fakten, Fakten...

In den meisten deutschen Familien üben beide Eltern einen Beruf aus. Der Anteil der erwerbstätigen Frauen hat sich in den letzten 15 Jahren deutlich erhöht - von 58,1 auf 69,5 Prozent. Jedoch arbeiten Frauen oft in Teilzeit. 2013 war dies bei mehr als der Hälfte der erwerbstätigen Mütter von Kindern unter 15 Jahren der Fall. Zu diesen Ergebnissen kommt die im Februar veröffentlichte Studie „Dare to share" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Dass die Zahl der erwerbstätigen Mütter angestiegen ist, liegt fast ausschließlich an der Aufnahme von Teilzeit-Jobs. Das verrät der „Monitor Familienforschung" des Bundesfamilienministeriums. Fast jede zweite erwerbstätige Mutter (47 Prozent) war 2013 höchstens 32 Stunden pro Woche beschäftigt. „Das Modell des männlichen Allein- beziehungsweise Hauptverdieners ist in Deutschland weiterhin vorherrschend", folgert die OECD-Studie. Die wöchentliche Arbeitszeit von Männern ist höher als die von Frauen - meistens liegt sie über 40 Stunden. Paare teilen sich die Erwerbsarbeit also ungleich auf. Daraus folgt ein Ungleichgewicht bei den familiären Aufgaben: Mama leistet mehr Betreuungsarbeit als Papa. Bezahlt wird sie dafür nicht.


Original