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Malen mit Materialien

Kirchen, Synagogen und andere sakrale Bauten – das Münchner Glaskunst- und Mosaikatelier Gustav van Treeck liefert Kunstwerke in die ganze Welt – ein Traditionshandwerk mit glänzender Zukunft

von Franziska Horn - 10.02.2024

Schon im Eingang schimmert dem Besucher ein Schatz entgegen: Das rund einen Quadratmeter große Mosaik aus durchwegs goldfarbenen Steinen stammt von 1910 und zieht die Blicke magisch an. „Ein wirklich unverwüstliches Material“, sagt Geschäftsführerin Katja Zukic ganz bodenständig dazu.Wer durch die stille Schwindstraße hier in der Maxvorstadt läuft, ahnt nicht, welch vielfältige Preziosen sich im Treeck‘schen Hinterhofatelier stapeln. Auf langen Tischen im Atelier ruhen metallgerahmte Fenster, die derzeit gefestigt und restauriert werden – Fenster des Münchner Liebfrauendoms, die Stück für Stück neuen Glanz bekommen. „Ein bis zwei Jahre wird das insgesamt dauern“, sagt Zukic und zeigt dann auf die vielfarbige Zeichenvorlage für drei Chorfenster, im Original 9,30 Meter mal 1,99 Meter groß.

Nein, keine mittelalterlichen Kreationen – sondern Fenster der Abteikirche Tholey von 2020, entworfen von Gerhard Richter, Starkünstler mit Weltruhm, umgesetzt vom Münchner Glaskunstatelier van Treeck. Übrigens die einzigen Kirchenfenster, die Richter neben einem Projekt für den Kölner Dom je entworfen hat. Einen Raum weiter überrascht eine anmutige Skizze mit stilisiertem Krug und Lampe, ein Projekt für die alte Synagoge in der Münchner Reichenbachstraße, die gerade im ursprünglichen Stil restauriert und saniert wird. „Ja, zu unseren Aufträgen zählen häufig sakrale Bauten“, sagt Zukic, dazu zählen etwa jene in Qingdao, Madrid oder Rom, aber auch die monochrom gehaltenen Fenster des zeitgenössischen Künstlers Gerhard Rießbeck für die evangelische Kirche in Weisendorf bei Erlangen. Die gotischen Bögen aus Floatglas zeigen die poetischen Motive eines in sich verschlungenen Bands. Was den Besucher am meisten erstaunt und fasziniert: Wie gut sich die historischen Mosaik- und Glaskunsttechniken auf moderne, sogar avantgardistische Werke, Materialkombinationen und Entwürfe übertragen lassen. Im Jahr 1887 gegründet, schauen die Gustav van Treeck-Werkstätten auf ein bald 150-jähriges Knowhow ihrer Kunst, sind längst eine nationale Institution. Das Betätigungsfeld ist weit: Glasmalerei und Glasskulpturen, exklusive Mosaike, Floatglasmalerei oder Fusingtechnik, Glas- und Mosaikrestaurierungen und Rekonstruktionen. Rund 18 feste Mitarbeiter wirken bei Gustav

van Treeck, plus einige Freie, geführt von Glasmalermeisterin Raffaela Knein und Katja Zukic, die zuvor als Journalistin und Designerin arbeiteten. Letztere engagiert sich besonders für die strategische Ausrichtung des facettenreichen Ateliers. Neben Bewährtem aus der Hofglasmalerei gibt es daher zwei weitere Linien: Die schon seit Jahren erfolgreiche „Edition van Treeck“ richtet sich auf Designobjekte für den Wohnbereich, entworfen von hochklassigen Gestaltern und übrigens online zu haben. Dazu zählen Side Tables von Christoph Böninger, Christian Haas oder Sebastian Herkner, Tiles von Ayzit Bostan, ein Spiegelkabinett von Steffen Kehrle oder Leuchten von Elisa Strozyk. „Rund fünf bis sechs Glaskunstateliers gibt es insgesamt noch in Deutschland“, erzählt Katja Zukic, selbst seit 2010 im Betrieb, „aber im Designbereich sind wir die einzigen“. Als dritte Linie bietet van Treeck seit Sommer 2023 die Architekturglas-Collection „ArtaGlass“, großflächige handgefertigte Glaselemente, die als Raumteiler, Schiebetür oder raumhohe Fensterfront dienen, beispielsweise für ein Atrium, und zuverlässig das Interieur aufwerten. Zum Einsatz kommen hier Float- und Strukturgläser, sandgestrahlte Spiegel, Digitalverspiegelung, Fusingtechnik und die Verwendung farbiger Drucke und Folien. Auch hier tummeln sich die Namen so bekannter Gestalter wie Gesa Hansen oder oha – Office Heinzelmann Ajadi, die als Vorreiter fungieren für Architekten und Interiordesigner von heute und vormachen, wie die Treeck‘sche Kunstfertigkeit in ungeahnte Architektur-Highlights übersetzt werden kann.

F R A N Z I S K A H O R N

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