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"Kunst entsteht im Auge des Betrachters"

Mit seinen architekturbezogenen Skulpturen setzt der Wahlberliner Künstler Albert Weis nachdenkliche Akzente im öffentlich-urbanen Raum.

02.12.2023

von Franziska Horn


„Was ich mache? Architektonisch-dreidimensionale Installationen, die sich um die Parameter Raum, Volumen und Leere drehen“, beschreibt Albert Weis. In den plastischen Arbeiten des Künstlers gehe es „immer um den Standort, um den Bezug zu gesellschaftlichen Fragen und darum, wie man den Ort aus einer alltäglichen Perspektive erlebt“. Auch die „sich immer wieder überlagernden Begriffe Realität, Imagination und Fiktion“ stellt der Künstler häufig ins Zentrum des Schaffens: „Es geht um die Abstraktion. Und letztlich darum, was der Betrachter sieht und fühlt“.


Geboren 1969 in Passau, studierte Weis an der Akademie der Bildenden Künste München und schloss 1997 mit dem Diplom ab, absolvierte Kurse wie zum Beispiel bei Gerhard Richter oder als Meisterschüler bei James Reineking. Zahlreiche Preise und Stipendien folgten, in Aberdeen oder Dublin, in Paris, Los Angeles oder Rotterdam. Eine Spezialität sind Installationen mit Leuchtkörpern, die eine geistig-visuelle Verwandtschaft zum Oeuvre von Dan Flavin erkennen lassen. Neben Einzel- und Gruppenausstellungen gehören Kunst-am-Bau-Projekte zum Schaffen des Künstlers, der seit 2022 in Belin lebt.


Der Hintergrund dieser Vorschrift: die staatliche Verpflichtung, ein Prozent der Baukosten für Kunstwerke zu investieren. Eine Regelung, die schon seit 1950 existiert und deren Anfänge in der Weimarer Republik liegen. Diese „Kunst am Bau“-Richtlinie verpflichtet den Bund als Bauherrn, einen bestimmten Anteil der Baukosten – meist ein bis zwei Prozent – für Kunstwerke zu verwenden, soweit Zweck und Bedeutung einer Baumaßnahme es rechtfertigen. Inzwischen mehrfach überabeitet, ist die Regel nun als Richtlinie „K 7“ bekannt. „Die öffentliche Hand steht mit ihren Bauwerken in besonderer Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit. Ihr kommt eine baukulturelle Verantwortung und Vorbildfunktion zu. Der Bund bekennt sich zu dieser Verantwortung“, heißt es dazu im Text des Deutschen Bundestags.


Kurz vor seiner Vollendung steht derzeit das Interior-Projekt „clouds“, die Weis für eine neue Grundschule auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne im Stadtquartier Neufreimann entwarf: eine Wolke in Form eines roten überdimensionierten Gitternetzes, die unter der Decke des Eingangsbereichs zu schweben scheint. Eine zweite Wolke in Blau soll folgen. 2021 stellte Weis sein Kunstwerk „einander“ an der Nussbaumstraße fertig, das als eigenständiger Beitrag zum örtlichen Bauprojekt fungiert – den Neubau der Portalklinik an der Ecke Ziemssen- und Nussbaumstraße sowie die Sanierung des sogenannten Mutterhauses, eine Klinik im früheren Kloster der Barmherzigen Schwestern.

Der Entwurf
„einander“ stellt zwei große, ovale Aluminiumringe im Vorhof des Klinikareals aneinander, die ein Tor bilden, sich gegenseitig stützen und so die Besucher empfangen. Die dynamisch wirkenden Ringe berühren sich im oberen Drittel und unterscheiden sich farbig geringfügig: Während die Oberfläche des einen Rings goldfarben schimmert, ist der zweite Ring hellgold eloxiert. Diese leichte Differenz steht als Gleichnis für das Anderssein. Zugleich soll die Farbgebung der Ringe zwischen dem ockerfarbenen Altbau des Klinikums und dem neuen Part mit seiner bronzefarbenen Keramikfassade vermitteln. Darüberhinaus versinnbildlichen die Ringe das Kreisen der Gedanken um die Krankheit, um die eigene Situation und um das, was kommen möge. Als Doppelkreis wird zudem die Unendlichkeit angedeutet.


Für den Campus Weihenstephan der TU München plante Albert Weis 2001 sein Projekt „rang“. Dafür modellierte er den Ausläufer des Weihenstephaner Bergs neu und legte Terrassen entsprechend der Höhenlinien an, die nachts von grün leuchtenden Lichtlinen nachgezeichnet werden. Eine so zurückhaltende wie feinfühlige Arbeit, die sich harmonisch ins Gelände fügt. Als nächstes Projekt steht das Werk „air“ für den Kunststandort Sprengturm als Teil eines Erweiterungsbaus des Auswärtigen Amts in Berlin an.

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