Innen neue Sachlichkeit, drumherum ursprüngliche steirische Berge:
Die frisch eröffnete Voisthaler Hütte ist die neue Attraktion
am Hochschwab und glänzt zudem in puncto Nachhaltigkeit.
Die Krönung sind die beiden „Chefizas“ Maja und Lisi.
Von Franziska Horn
Eine Hütte steht oder fällt mit ihrem Wirt. Oder mit
ihren Wirtinnen, wie in unserem Fall. Seit dem Herbst
bewirtschaften Maja Ludwig und Lisi Schleicher die
neu eröffnete Voisthaler Hütte am Hochschwab in
der Steiermark. Macht insgesamt drei erfolgreiche
Saisons für die beiden Chefinnen oder Chefizas, wie
sie sich augenzwinkernd nennen, begonnen haben
sie 2019 auf der alten „Voisti“ gleich nebenan. Drei
Jahre, die stark vom Wandel geprägt waren, nicht
nur wegen der Pandemie: Weil die alte „Voisti“ viele
Mängel aufwies, wurde der Ersatzbau errichtet.
„Eigentlich bin ich Schriftstellerin“, erzählt Maja,
sie stammt aus Dresden. Jahrgang 1979, studierte
Maja Ethnologie in Berlin und später am Literaturinstitut
Leipzig, reiste viel. Heute schreibt sie Romane
und arbeitet derzeit an einem Bergkrimi – im Winter,
wenn Zeit ist. „In die Natur wollte ich immer. Nach
der Wende hab ich auf einer Hütte in Südtirol gejobbt,
später auf der Rax. Dort habe ich meine heutige Kollegin
getroffen, die Lisi. Wir arbeiten gut im Team.
Und hatten bald eigene Ideen, wie man eine Hütte
aufziehen kann.“ Lisi Schleicher kommt aus Wien,
Jahrgang 1974. Die studierte Soziologin arbeitete im
Fördermanagement der Pharmabranche, ging viel in
den Alpen wandern. Nach dem entscheidenden Sabbatical
auf der Rax kehrte sie erstmal zurück in ihren
Beruf. Doch der Ruf der Berge war stärker.
„Lisi hat nach einer eigenen Hütte geschaut,
dabei ist sie auf die Voisthaler Hütte gestoßen und
wir haben uns im Duo bei der Sektion Austria des
ÖAV beworben. Das war Fügung!“, erzählt Maja.
„Viele haben romantische Vorstellungen davon, was
es heißt, eine Hütte zu bewirtschaften. Aber wir hatten
genug Erfahrung und haben es realistisch gesehen.
Man braucht Motivation, Leidenschaft und
Durchhaltevermögen. Und Spaß im Team. An manchen
Wochenenden helfen bis zu zehn Mitarbeiter
und Freunde aus und bringen frischen Wind.“
Die alte Voisthaler Hütte stammte von 1898, war
im Kern über 120 Jahre alt, verwinkelt und baufällig.
Ein Baugutachten ergab, dass Sanieren unwirtschaftlich
wäre. Also musste ein Neubau her. Wie häufig
beim Bauen am Berg, erwies sich auch dieses aufwendige
Projekt als echte Herausforderung. Material,
Maschinen und Inventar mussten per Heli heraufgeflogen
werden, inklusive vorgefertigter Holzbauelemente
und einem 20 Meter hohen Kran. Der Spatenstich
folgte im Juli 2020, der alte Bau wurde komplett
abgerissen. Tabula rasa also. Die neue „Voisti“ steht
nun fünf Meter weiter talwärts und ging schon im
September in Betrieb, die offizielle Eröffnung ist für
den 15. und 16. Juli 2022 geplant.
Was die neue Hütte ausmacht? „Ein anderes
Lebensgefühl“, beschreibt es Maja. „Vielleicht ist es
nicht mehr so urig wie in der alten Hütte. Aber auch
nicht mehr so kalt. Wir haben jetzt ein neues Raumgefühl:
Der Gastraum mit den großen Panoramafenstern
holt die Berge auch ins Innere.“ Und Lisi ergänzt:
„Wir sind Quereinsteigerinnen, das Vertrauen der Sektion
Austria des Alpenvereins freut uns sehr. Wo hat
man das schon, dass man ein neues Haus übernehmen
und ihm einen eigenen Charakter geben kann?“.
Im Inneren herrscht „skandinavische Schlichtheit“,
wie Maja es nennt. Auch außen bestimmen
klare Linien die Gebäudeform – ein dreistöckiger Quader mit Pultdach, bescheiden im Flächen- und Materialverbrauch, der erhaben auf einem Felssporn
auf 1654 Metern thront. „Zum Wettbewerb hatte die
Sektion Austria des Alpenvereins vor allem Architekturbüros
eingeladen, die noch keine Berghütten Bergsteiger wissen es längst: Am Ende ist es vor
allem der Wirt, der einer Hütte ihren Charakter und
ihre Persönlichkeit gibt. „Die Atmosphäre entsteht
durch die Menschen, die sie bewirtschaften, durch
ihre Art“, sagt Maja. Auch durch das, was sie kochen,
zum Beispiel: Hier ist es variabel und regional, auch
vegetarisch und vegan, ohne feste Karte. Am Herd
stehen Maja und Max. Lisi übernimmt den Service,
arbeitet also vorn an der Front. Doch grundsätzlich
gilt: Alle können alles!
gebaut hatten. Davon hat man sich neue Ideen
erhofft“, erzählt Maja. Von den neun Einreichungen
überzeugte vor allem der kompakte Entwurf von
Dietger Wissounig Architekten aus Graz, eben wegen
seiner reduzierten, klaren Formensprache. Für den
komplett aus Holz erstellten Bau wurden 1,6 Millionen
Euro veranschlagt. Wie so oft wurde mehr
daraus: Rund drei Millionen investierte man in den
ökologisch durchdachten Ersatzbau mit der regional
typischen Lärchenholzfassade.
Der Bau verfügt über die nötigen nachhaltigen,
energie- und ressourcensparenden Standards. Bis
auf die Bodenplatte aus Beton wurde ausschließlich
Holz verbaut und mit Holzwolle gedämmt. „Der Bau
ist wirklich extrem gut isoliert“, bestätigt Maja. Eine
Pelletheizung besticht mit geringem Verbrauch. Die
Photovoltaik-Anlage macht die Hütte durch Solarenergie
energie-autark. Das Trinkwasser kommt von
einer Quelle und wird durch einen Filter und eine
UV-Anlage gereinigt. Weil Wasser hier nicht im Überfluss
vorhanden ist, verzichtete man bei den Sanitäranlagen
auf Duschen. Die WC-Spülungen speisen
sich aus Regenwasser und Überschuss-Wasser der
Quelle sowie aus Wasser aus der eigenen Kläranlage.
Die letzten Bauphasen 2022 umfassen die Terrasse
und Renaturierungsarbeiten rund um den Standort.
Und was sagen die Gäste zur nagelneuen Attraktion?
An alten Hütten hängen auch persönliche Erinnerungen.
„Ein modernes Hüttendesign ist meist ein
komplexes Thema und wir mussten manchmal gegen
Vorurteile anreden. Manche tun sich mit modernen
Berghütten schwer und haben sie ,Schuhschachtel‘
genannt“, berichtet Lisi amüsiert. Doch meist ließen
sich die Besucher schnell bekehren. Zumal die „neumodische
Schlichtheit“ ja eigentlich ein altes Konzept
ist – ein „back to the roots“, eine Wendung hin
zum Einfachen, zum ursprünglichen Gedanken einer
alpinen Unterkunft. „Unsere Hütte soll ein Obdach
sein. Mehr nicht“, sagt Maja mit etwas Understatement.
Also Nixda mit Wellness, mit Fünf-Gänge-Spachtelei
oder Warmduschen … noch nicht mal kalt wird
geduscht! Das neue Haus ist zeitgemäß, gut ausgestattet
und gemütlich, mit kleinen Zimmern von je zwei,
vier oder sechs Betten und einem Lager Die zwei Chefizas bestätigen: In den letzten beiden
Sommern hat eine neue Klientel das Wandern
für sich entdeckt. „Die kommen mit Flip-Flops
herauf, lernen aber schnell dazu“, lacht Maja. „Es war
viel los in den ersten Wochen. Die Hütte liegt kuschelig
im Hochtal der Oberen Dullwitz, gut erreichbar
und sehr geborgen mit all den Bergen ringsum.“ Dem
Karlhochkogel zum Beispiel. Zur nächsten Hütte,
dem Schiestlhaus, sind es zwei Stunden Aufstieg,
auch zum Hochschwab braucht es gut zwei Stunden.
Der bekannte Nord-Süd-Weitwanderweg (NSWW)
läuft am Haus vorbei, ebenso die Hochschwab-Hüttenrunde.
Lisi empfiehlt die Runde über die Aflenzer
Bürgeralm, „dort ist es wunderschön!“. Ihren eigenen
„Kraftplatz“ hat sie ganz in der Nähe auf einer versteckten
Bergwiese gefunden, ein Ort, den sie ihren
Stammgästen aber gerne verrät.
Für die kommenden Bergsommer planen die
beiden ein Kulturprogramm, mit Yoga, Jazz und
Alphornbläsern, mit Lesungen und Fotoausstellungen.
„Wir wollen das Traditionelle mit neuen Richtungen
verbinden“, sagt Maja. „Aber auch ohne das
alles – man muss heraufkommen und es einfach
erleben. Durch alle Räume zieht sich dieser Duft von
frischem Holz. Es ist wirklich ein Lärchenpalast!“
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