Ein gelungener Brückenschlag zwischen Gestern und Heute – das ist die Villa Bischoff am Ostufer des Starnberger Sees. Akribisch restauriert, ist das Baudenkmal aus der Architektenfeder Emanuel von Seidls mit all seinen Finessen heute ein schmuckes Schaumal, ein Staunmal, vor allem aber ein „Wohn mal!“. Zu Besuch in einem historischen Haus der Jahrhundertwende.
Es war eher eine Liebe auf den zweiten Blick!“, erinnert sich Karin Asmuth-Probst. „Als wir im Herbst 2006 das Haus erstmals betraten, war es in einem traurigen Zustand. Der Funke ist nicht sofort übergesprungen“. Heute sitzt Karin neben Ehemann Thomas Probst im gepflegt-eleganten Jugendstil-Esszimmer mit blütenweißem Deckenstuck und blaugrau getönten Wänden, auf dem Tisch breitet sie Baupläne, historische Kostenrechnungen, Fotos der Renovierung aus. Das Eckzimmer geht auf den Starnberger See hinaus, ein idyllisch-unverstellter Ausblick, gerahmt von hohen Bäumen. Damit nicht genug: Das Heim von Familie Probst ist nicht irgendein Haus. Die Villa Bischoff, benannt nach ihrer Bauherrin Ernestine, zählt zu Bayerns denkmalgeschützten Kulturgütern – und zudem zum reichen Werk des bekannten Münchner Villenarchitekten Emanuel von Seidl. 1901 erbaut, listet das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege die Villa als „zweigeschossigen Walmdachbau, zum Teil verschindelt, im Reformstil mit Jugendstilanklängen“.
Man denke zurück: 1901 ist das Jahr, in dem Queen Victoria von Großbritannien stirbt, Theodore Roosevelt wird zum Präsidenten vereidigt. In Wien publiziert Freud zur „Psychopathologie des Alltagslebens“ (Freud’scher Vesprecher), Wilhelm II. regiert als deutscher Kaiser. Gustav Klimt malt „Judith I“, Thomas Mann schreibt Buddenbrooks. Fünfzehn Jahre zuvor ertrank König Ludwig II. im Starnberger See, das berühmte Wasserkreuz steht nur ein paar Steinwürfe von der Villa Bischoff entfernt. Hier in Leoni am Ostufer – unbeschreibliche Sonnenuntergänge – hatte Emanuel von Seidl zuvor schon mit den Villen Sandner und Krüzner kulturhistorisch bedeutsame Bauten geschaffen. Und wer war Ernestine? „Eine Landwirtswitwe mit großem Vermögen, das sie unter einer Auflage erbte: nicht wieder neu zu heiraten“, erzählt Karin Asmuth-Probst. „Dieses Haus war ihr Rückzugsort von ihrem Stadt-Palais in München. Sie hat hier das eine oder andere Fest gefeiert. Darum hat das Haus auch mehrere Gästezimmer.“ Eine Tradition, die bis heute fortgesetzt wird? „Hier lässt es sich gut feiern“, lächelt Asmuth-Probst. Wer die schmale, bogenförmige Auffahrt hinauf kommt, erblickt einen kompakt würfelförmigen Bau in Hanglage, mit gelber Fassade und breitem, rot geschindeltem Gürtel zur Wetterseite nach Westen hin. Die schimmernden Schuppenschindeln – „eigentlich ein Zitat aus dem Berner Oberland“ – verlegte ein niederbayerischer Spezialist, 500 einzelne Fichtenschindeln benötigte er pro Quadratmeter. Diese wurden wie anno dazumal auf Leinölbasis behandelt. Zwischenzeitlich waren die Schindeln ockerfarben überpinselt worden, „was das Gebäude zu hoch wirken ließ. Im ursprünglichen kräftigen Ochsenblutrot gestrichen, verleiht die Partie dem Haus bessere Proportionen“, erklärt der Hausherr. „Typisch für Seidl ist auch die insgesamt facetten- und detailreiche Fassadengestaltung mit Ecken und Erkern, mit Vorplätzen und Vorsprüngen, Nischen und Balkonen, Verzierungen und Fensterläden, mit Rankgittern – und eher untypisch für die damalige Zeit: mit 34 Fenstern, alle unterschiedlich gestaltet, die auf den See und die Bäume hinausgehen, welche Seidl oft als ,seine Kinder‘ bezeichnete. Heute würde kein Architekt mehr eine solche Fassade wagen“, sinniert Thomas Probst.
Eklektisch, so wurde Seidls architektonisches Werk mitunter beschrieben. Was nichts anderes meint als einen Versatz von Stilen, hier bestehend aus Heimat-, Schweizer-, Cottage- und Jugendstil, mit viktorianischen Einflüssen und weniger dem Historismus verhaftet wie die Entwürfe seines berühmten Bruders Gabriel. 1856 als dritter Sohn der Münchner Bäckersfamilie Seidl geboren, begann Emanuel zunächst als Innenarchitekt im Büro des älteren Bruders. Später schuf der Architekt und Ingenieur rund 180 Werke, darunter die Schwabinger Seidlvilla und das Staatstheater am Gärtnerplatz, das Deutsche Museum, das Garmischer Richard-Strauss-Haus – und das berühmte Elefantenhaus im Tierpark Hellabrunn.
„Wir nannten sie unsere Villa Kunterbunt. Anfangs war uns noch nicht ganz klar, welch Perle wir da entdeckt hatten. Auf uns wartete manch spannende Entdeckung. Mein Ziel bei allem? Repräsentieren stand jedenfalls nicht im Fokus, auch nicht per se ein altes Haus zu haben. Ich wollte schlichtweg ein Heim für die Familie schaffen, ein heimeliges Landhaus“, sagt ganz unprätentiös die Hausherrin, eine studierte Ärztin, die sich fast akademisch mit Haus und Hintergrund beschäftigte. „Sie ist die treibende Kraft hinter der Sanierung“, erklärt ihr Mann. Schon zuvor lebte Familie Probst mit den beiden Kindern Lea und Florian in der Gemeinde. Vater Thomas ist Unternehmer. Als Student war er öfters am östlichen Seeufer entlang geradelt und hatte schon damals befunden: „Eine traumhafte Ecke!“. 2007 kaufte die Familie das Objekt von der Vorbesitzerfamilie Högel, als dritte Eignerfamilie überhaupt. Längst stand das Objekt unter Denkmalschutz, außen wie innen (...)
Original
Es war eher eine Liebe auf den zweiten Blick!“, erinnert sich Karin Asmuth-Probst. „Als wir im Herbst 2006 das Haus erstmals betraten, war es in einem traurigen Zustand. Der Funke ist nicht sofort übergesprungen“. Heute sitzt Karin neben Ehemann Thomas Probst im gepflegt-eleganten Jugendstil-Esszimmer mit blütenweißem Deckenstuck und blaugrau getönten Wänden, auf dem Tisch breitet sie Baupläne, historische Kostenrechnungen, Fotos der Renovierung aus. Das Eckzimmer geht auf den Starnberger See hinaus, ein idyllisch-unverstellter Ausblick, gerahmt von hohen Bäumen. Damit nicht genug: Das Heim von Familie Probst ist nicht irgendein Haus. Die Villa Bischoff, benannt nach ihrer Bauherrin Ernestine, zählt zu Bayerns denkmalgeschützten Kulturgütern – und zudem zum reichen Werk des bekannten Münchner Villenarchitekten Emanuel von Seidl. 1901 erbaut, listet das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege die Villa als „zweigeschossigen Walmdachbau, zum Teil verschindelt, im Reformstil mit Jugendstilanklängen“.
Man denke zurück: 1901 ist das Jahr, in dem Queen Victoria von Großbritannien stirbt, Theodore Roosevelt wird zum Präsidenten vereidigt. In Wien publiziert Freud zur „Psychopathologie des Alltagslebens“ (Freud’scher Vesprecher), Wilhelm II. regiert als deutscher Kaiser. Gustav Klimt malt „Judith I“, Thomas Mann schreibt Buddenbrooks. Fünfzehn Jahre zuvor ertrank König Ludwig II. im Starnberger See, das berühmte Wasserkreuz steht nur ein paar Steinwürfe von der Villa Bischoff entfernt. Hier in Leoni am Ostufer – unbeschreibliche Sonnenuntergänge – hatte Emanuel von Seidl zuvor schon mit den Villen Sandner und Krüzner kulturhistorisch bedeutsame Bauten geschaffen. Und wer war Ernestine? „Eine Landwirtswitwe mit großem Vermögen, das sie unter einer Auflage erbte: nicht wieder neu zu heiraten“, erzählt Karin Asmuth-Probst. „Dieses Haus war ihr Rückzugsort von ihrem Stadt-Palais in München. Sie hat hier das eine oder andere Fest gefeiert. Darum hat das Haus auch mehrere Gästezimmer.“ Eine Tradition, die bis heute fortgesetzt wird? „Hier lässt es sich gut feiern“, lächelt Asmuth-Probst. Wer die schmale, bogenförmige Auffahrt hinauf kommt, erblickt einen kompakt würfelförmigen Bau in Hanglage, mit gelber Fassade und breitem, rot geschindeltem Gürtel zur Wetterseite nach Westen hin. Die schimmernden Schuppenschindeln – „eigentlich ein Zitat aus dem Berner Oberland“ – verlegte ein niederbayerischer Spezialist, 500 einzelne Fichtenschindeln benötigte er pro Quadratmeter. Diese wurden wie anno dazumal auf Leinölbasis behandelt. Zwischenzeitlich waren die Schindeln ockerfarben überpinselt worden, „was das Gebäude zu hoch wirken ließ. Im ursprünglichen kräftigen Ochsenblutrot gestrichen, verleiht die Partie dem Haus bessere Proportionen“, erklärt der Hausherr. „Typisch für Seidl ist auch die insgesamt facetten- und detailreiche Fassadengestaltung mit Ecken und Erkern, mit Vorplätzen und Vorsprüngen, Nischen und Balkonen, Verzierungen und Fensterläden, mit Rankgittern – und eher untypisch für die damalige Zeit: mit 34 Fenstern, alle unterschiedlich gestaltet, die auf den See und die Bäume hinausgehen, welche Seidl oft als ,seine Kinder‘ bezeichnete. Heute würde kein Architekt mehr eine solche Fassade wagen“, sinniert Thomas Probst.
Eklektisch, so wurde Seidls architektonisches Werk mitunter beschrieben. Was nichts anderes meint als einen Versatz von Stilen, hier bestehend aus Heimat-, Schweizer-, Cottage- und Jugendstil, mit viktorianischen Einflüssen und weniger dem Historismus verhaftet wie die Entwürfe seines berühmten Bruders Gabriel. 1856 als dritter Sohn der Münchner Bäckersfamilie Seidl geboren, begann Emanuel zunächst als Innenarchitekt im Büro des älteren Bruders. Später schuf der Architekt und Ingenieur rund 180 Werke, darunter die Schwabinger Seidlvilla und das Staatstheater am Gärtnerplatz, das Deutsche Museum, das Garmischer Richard-Strauss-Haus – und das berühmte Elefantenhaus im Tierpark Hellabrunn.
„Wir nannten sie unsere Villa Kunterbunt. Anfangs war uns noch nicht ganz klar, welch Perle wir da entdeckt hatten. Auf uns wartete manch spannende Entdeckung. Mein Ziel bei allem? Repräsentieren stand jedenfalls nicht im Fokus, auch nicht per se ein altes Haus zu haben. Ich wollte schlichtweg ein Heim für die Familie schaffen, ein heimeliges Landhaus“, sagt ganz unprätentiös die Hausherrin, eine studierte Ärztin, die sich fast akademisch mit Haus und Hintergrund beschäftigte. „Sie ist die treibende Kraft hinter der Sanierung“, erklärt ihr Mann. Schon zuvor lebte Familie Probst mit den beiden Kindern Lea und Florian in der Gemeinde. Vater Thomas ist Unternehmer. Als Student war er öfters am östlichen Seeufer entlang geradelt und hatte schon damals befunden: „Eine traumhafte Ecke!“. 2007 kaufte die Familie das Objekt von der Vorbesitzerfamilie Högel, als dritte Eignerfamilie überhaupt. Längst stand das Objekt unter Denkmalschutz, außen wie innen (...)
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