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Am Anfang steht ein Traum – Modedesignausbildung in Deutschland

Silhouetten formen den Körper – und die Identität.

Noch immer verbinden viele Studienanfänger mit dem Beruf des Modedesigners Glanz und Glamour. Doch da die Bezeichnung „Modedesigner/in“ nicht geschützt ist, spielt eine qualifizierte Ausbildung an einer etablierten Schule eine große Rolle.


Mode ist ein weites Feld, denn Mode ist eine Interpretation des Selbst. Mode ist nicht Selbstzweck, sondern verdinglichte Kommunikation. Was ist ein Modedesigner also wirklich: Künstler, Kreateur, Erfinder, Schöpfer, Stylist oder Dienstleister der Industrie?

Fakt ist: Deutsche Modedesigner und Modedesignerinnen arbeiten für große Labels in ganz Europa. Noch immer entwickeln Modedesigner/innen ein Modell von der Idee über das Konzept zum Erstschnitt bis hin zur Produktionsreife. Doch die Berufsfelder werden offener, die Möglichkeiten wachsen und damit die Notwendigkeit zur Spezialisierung. Die klassischen Berufsfelder liegen nach wie vor bei Couture, Theater und Film sowie in der Industrie: in der Konfektion von Damenoberbekleidung (DOB) und Herrenmode, im Branchenjargon HAKA genannt (Herren Anzüge /Knaben Anzüge), von Dessous- oder Bademode, Berufsbekleidung oder Kindermode, Sports- oder Streetwear bis zu Accessoires. Dazu kommen Home- oder Textilkollektionen und Tätigkeiten in Colour & Trim- oder Wearable Technologies-Abteilungen, daneben die Bereiche Styling, Trendscouting, Presse, Forschung, Marketing, Management und Consulting.
Kenntnisse und Fähigkeiten
„Papier ist geduldig“, lautet ein altes Sprichwort. Das bedeutet: Zeichnerisches Können und Ideen allein reichen nicht. Eine Designerin oder ein Designer muss plastisch denken können und seine Ideen vom Blatt ins Dreidimensionale übertragen können. Vorstellungsvermögen und räumliches Denken sind gefragt. Neben handwerklichem Können im Schneidern braucht es Verständnis für die technische Erstellung und das Gradieren von Schnitten, auch mit Hilfe von Computerprogrammen. Parallel ist das Modellieren an der Puppe eine beliebte Methode, Schnitte zu entwickeln. Wichtig ist außerdem das Gefühl für Farbe und Form, für Volumen, Material und Proportionen. Dazu kommen Kreativität, konzeptionelles Denken – das heißt eine Idee zu einer Kollektion variieren zu können –, Kunstverständnis und ein Gespür für Trends. Ebenso wichtig: gesellschaftliche, kulturelle oder ökologische Bedürfnisse zu erspüren und in der Sprache der Kleidung beantworten zu können. Fremdsprachen werden ebenfalls zunehmend wichtig. Doch all dem voraus geht die Schule des Sehens und des Beobachtens, das Begreifen dessen, wie der menschliche Körper funktioniert und wie Stoffe fallen.
Eine Designerin oder ein Designer müssen verstehen, was eine Person, einen Charakter ausmacht und er braucht die Fähigkeit, eine Lebenshaltung in Kleidung übersetzen zu können. „Für wen entwerfe ich, wen spreche ich an, wer ist meine Zielgruppe?“, lautet also eine der wichtigsten Fragen der Modedesignerin/des Modedesigners. Modedesign erfordert einen eigenen Standpunkt, eine Aussage und einen Reifeprozess – und darüber hinaus die Fähigkeit, den zielgruppenrelevanten Anspruch des Auftraggebers erfassen und erfüllen zu können.

Schulische Voraussetzung
„Wir gehen von rund 80 bis 100 Institutionen aus, die Modedesigner/innen ausbilden. Dabei sind auch einige Fachschulen, Berufskollegs, diverse Hochschulen und Universitäten. Staatliche wie private Institutionen stehen im Wettbewerb um Studierende und Renommee“, sagt Claudia Ollenhauer-Ries, Sprecherin des Verbands Deutscher Mode- und Textildesigner VDMD. Wer sein Studium an einer Fachhochschule absolvieren möchte, benötigt die Fachhochschulreife und ein sachdienliches Praktikum, für eine Kunsthochschule ist die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife Voraussetzung, während ein Berufskolleg mit dem mittleren Bildungsabschluss besucht werden kann. Die meisten Institutionen verlangen einen Eignungsnachweis, der durch eine Mappe mit freien Arbeiten, Skizzen und Entwürfen, Collagen, Fotografien belegt werden kann. Wenn diese angenommen wird, folgt in der Regel eine ein- oder zweitägige Aufnahmeprüfung, die mitunter von einer mündlichen Prüfung ergänzt wird. Sibylle Klose unterrichtet als Professorin das Fach „Grundlagen und Kollektionskonzepte“ an der Hochschule Pforzheim – pro Semester werden hier rund 15 Modestudierende aufgenommen. Sie sagt: „Wir fragen bei Bewerbern erst einmal die Grundprinzipien der Gestaltung ab. Man sieht schnell, wer eine stimmige Relation zu Farbe und Form hat und darüber hinaus einen „guten Strich“! In einem persönlichen Gespräch klären wir zudem die Motivation“.

Ausbildung und Studium
Während die seit der Bologna-Erklärung 1999 geschaffenen Bachelorstudiengänge eine – nicht festgelegte – Studienzeit von sechs Semestern aufweisen, dauert die Ausbildung an Berufskollegs zwischen zwei und drei Jahren. Der Vorteil der Bachelorstudiengänge liegt dabei auf Vergleichbarkeit und Vereinheitlichung von Studiengängen an Hochschulen im internationalen Kontext. Mit einem Bachelor erwirbt der Studierende im Grundstudium den ersten akademischen Grad eines dreigliedrigen Studiensystems und damit einen ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss. Danach kann sich als Aufbaustudium das Masterstudium in ein bis zwei Fächern anschließen, bei dem ein Fach fortgeführt und vertieft wird. Die dritte Stufe sieht die Promotion vor, im Bereich Mode zum Beispiel in der Designforschung. Die unteren Semester beginnen dabei häufig mit experimentellen, freien Arbeiten und Grundformen, während die höheren Klassen sich in Realitätsnähe üben und komplexere Aufgaben bearbeiten. An der Hochschule Pforzheim wird dabei beispielsweise eine Studiengebühr von 500 Euro pro Semester erhoben.

Als Beispiel für eine private Modeschule unterscheidet die Esmod mit Standorten in Berlin und München zwischen Stylist/in (Modedesigner/in) und Modelist/in, deren/dessen Arbeit sich an jene der Stylistin oder des Stylisten anschließt: Sie/er setzt Skizzen und technische Zeichnungen um, um den Prototyp zu erstellen. Rund 100 Absolventen verlassen die Esmod pro Jahr, die dreijährige Ausbildung kostet eine Studiengebühr von 7.500 Euro pro Jahr. Schwerpunkt der Esmod liegt laut eigenen Angaben im Praxisbezug sowie in der Nähe zur Industrie. Zu den Alumni zählen Lola Paltinger, Dirk Schönberger, Damir Doma und Kaviar Gauche.
Als staatlich anerkannte private Hochschule bietet die Akademie für Mode und Design (AMD) in München, Düsseldorf, Hamburg und Berlin in den zwei BA-Studiengängen die Fachbereiche Design + Management sowie Modedesign an. Parallel werden an der Akademie Modejournalisten und Direktricen ausgebildet. Die Deutsche Meisterschule für Mode besitzt mit der Fachschule für Modellistik sowie der Fachschule für Schnitt und Entwurf zwei Abteilungen von hohem Renommee und hoch angesiedeltem Praxisbezug.

Daneben gibt es zahlreiche weitere Institutionen und Schulen. Wer auf der Suche nach einer geeigneten Ausbildungsstätte ist, dem empfiehlt Claudia Ollenhauer-Ries vom VDMD: „Fragen Sie nach dem Alter der Institution, der Anzahl der Studenten sowie Dozenten, nach den Partnerhochschulen und Ausbildungsstätten auf nationaler wie internationaler Ebene. Fragen Sie, welche bekannten Modedesigner/innen dort studiert haben. Wenn es ein Alumni-Netzwerk gibt, können Sie dort zusätzliche Informationen erhalten. Fragen Sie nach Praktika, Praxisprojekten und Dozenten aus Industrie und Handel.“ Insgesamt beobachtet der VDMD, dass der Anspruch an Modedesigner/innen ganzheitlicher geworden ist. „Eigentlich sind Designer/innen heute Designmanager“, so die Sprecherin.

Beruf und Trend
Freiberuflich oder angestellt? So lautet die Wahl für die frischgebackenen Designer/innen – der VDMD rechnet mit rund 200 bis 300 Absolventen pro Jahr. Rund 75 Prozent entscheiden sich dem Arbeitsmarkttrend entsprechend und oft genug notgedrungen für die Selbstständigkeit. Wer sich spezialisiert, kann sein Marktsegment besser sondieren und kontaktieren, was schon während des Studiums Vorteile bietet. Außerdem beinhalten neue Berufsfelder wie Produktmanagement, Controlling oder Modejournalismus große Chancen. Wer eine eigene Linie aufbaut, für den spielt Branding eine zunehmende Rolle, bis hin zur Selbstdarstellung in den Medien. Dazu gehört, sich präsentieren zu können, eine eigene gestalterische Handschrift zu haben, die auf Wiedererkennbarkeit bei gleichzeitiger saisonaler Interpretierbarkeit setzt. „Tatsache ist, dass es schwierig ist, sich mit einem eigenen Label nachhaltig zu etablieren. Meist fehlen kompetente Beratung ( ... ) und der notwendige finanzielle Hintergrund. Nicht nur die Experten, Mitarbeiter, Werbung und Messebeteiligungen wollen bezahlt, sondern auch die Vorfinanzierung der Stoffe muss gewährleistet sein. Dies über mehrere Jahre hinweg. Auf kleinem professionellem Niveau realisiert, kommen schnell innerhalb von drei Jahren eine bis drei Millionen Euro zusammen.“, so Claudia Ollenhauer-Ries.

Zu den Berufschancen für Angestellte sagt der VDMD: „Die Jobangebote für reine Modedesigner/innen sind in Deutschland eher spärlich gesät, oft werden kombinierte Kompetenzen gefragt: kreative Einkäufer und Produktmanager, vertriebsorientierte Kreative, produktionsorientierte Produktentwickler. Die Jobbenennung ist vielfältig und nicht einheitlich.“ Wer also auf seinem Weg in die Modebranche auf eigene Fehler verzichten und statt dessen kompetente Beratung in Anspruch nehmen möchte, dem sei die Beratung und Mitgliedschaft in einem Verband wie dem VDMD wärmstens empfohlen.

Für die in Deutschland ausgebildeten Designerinnen und Designer eröffnen sich aber auch Karrierechancen außer Landes. „Die gute Ausbildung hierzulande – kreativ wie technisch – wird im Ausland von den Unternehmen geschätzt. Außerdem gilt Deutschland als attraktiver Markt für preiswerte wie hochpreisige Textilien und Mode, sodass gern der Input deutscher Designer genutzt wird, da sie den Geschmack deutscher Kunden inklusive des kulturell-sozialen Backgrounds kennen“, sagt Claudia Ollenhauer-Ries.


Franziska Horn
ist studierte Dipl.-Designerin (FH) und schreibt als Fachjournalistin zu den Themenschwerpunkten Design und Modernes Leben.





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