7 subscriptions and 4 subscribers
Article

Für Dummies: Vom Abenteuer, Kunst zu sammeln - AD

Kunstsammeln für Dummies – eine Gebrauchsanleitung.

Erling Kagge ist der „erste Mensch auf den drei Polen" - auf den Nordpol, den Südpol und den Everest hat er es geschafft, und das Cover des Time Magazine war für den norwegischen Abenteurer die leichteste Übung. Vor ein paar Jahren hat er Manhattan unterirdisch durchquert, was man durchaus auch als künstlerisches Statement lesen könnte. Immerhin sagt der studierte Jurist, der an der Cambridge University nebenbei Philosophie belegte, emphatisch: „Ich liebe Kunst!" Entsprechend leidenschaftlich sammelt Kagge, wenn er nicht gerade auf neue Grenzerfahrungen in ewigem Eis oder endlosen U-Bahn-Schächten aus ist. Über das Abenteuer Kunst-Sammeln hat der Inhaber des 1996 gegründeten Kagge Forlog in Oslo nun ein Buch geschrieben: „A Poor Collector's Guide to Buying Great Art".

Seit 30 Jahren sammelt Erling Kagge Kunst, etwa 600 bis 700 Werke besitzt er heute. Es begann mit einer Lithografie im Stile Munchs: ein Porträt, das ihn an seine Ex-Freundin erinnerte. Er bezahlte mit zwei Flaschen Bordeaux. Es folgten Fotos von Richard Prince und Wolfgang Tillmanns, Werke von Olafur Eliasson, Trisha Donnelly, Raymond Pettibon oder Tauba Auerbach, Konzeptkunst von Lawrence Weiner. „Sogar mit einem Mini-Budget ab 5000 Dollar kann man, gemessen an den großen Investoren, die Nase vorn haben", sagt er. Wie das geht, beschreibt „A Poor Collector's Guide to Buying Great Art".

Wichtig sei es vor allem, dem eigenen Instinkt zu trauen, viel Kunst zu sehen, viel zu lesen, viel zu wissen. Sie natürlich auch zu kaufen - und wieder zu verkaufen, obwohl er das selbst nicht so gern tut. So findet man heraus, welche Trends man befolgt oder ignoriert. „Es gibt keine Regeln, nur Deals", sagt Kagge, Vorstandsmitglied des Astrup Fearnley-Museums in Oslo, erbaut von Renzo Piano. Dort zeigte die Ausstellung „Love Story" von Mai bis September Kagges Sammlung. Er weiß: Der heutige Kunstmarkt ist hochdynamisch. Um all die Messen, Ausstellungen, Events und Galerien im Blick zu behalten, braucht es Neugier, Instinkt, Passion und Ausdauer - alles Eigenschaften, die Kagge als Abenteurer lange Jahre trainierte. Unbeeindruckt vom Snobismus des Kunstbetriebs kauft Kagge, was ihm gefällt - oder mal gefallen könnte: „Man muss dem eigenen Geschmack immer voraus sein."

Fast im Vorbeigehen hebelt er damit das eine oder andere Marktgesetz aus. Weil er sowohl Künstler als auch die Kunst selbst verstanden hat und nicht als Status-Symbol betrachtet. So ist seine Sammlung eine Entsprechung seiner Person: unkonventionell und unprätentiös, überraschend, tiefgründig, sehr persönlich und gern auch mal provokant-ironisch: „Keep in mind, that it was easier for Adolf Hitler to start world war II than face his own canvases", heißt es in „A Poor Collector's Guide to Buying Great Art" auf Seite 156. Im Gegensatz zu manchem seiner Objekte ist Kagges Buch sehr leicht verständlich - und ein ziemlich guter Einstieg ins Metier. Weil wir darüber hinaus noch ein paar Fragen hatten, trafen wir Erling Kagge in Oslo.

AD: Sie sind als Abenteurer in die entlegensten Ecken der Erde vorgedrungen. Ist das Alleinsein mit sich und der freien Natur eine Schulung in Sachen Ästhetik?

Erling Kagge: Ja, absolut. Vielleicht bin ich so etwas wie ein Romantiker, die Natur ist einfach romantisch. Das beeinflusst mein Sammeln.

Was ist denn bitte an einer Bananenschale romantisch, die als Kunstobjekt in einer Ecke vergammelt?

Okay (er lacht) - dabei geht es um eine Installation von Adriana Lara von 2008. Dabei hat ein Museumsangestellter die Aufgabe, jeden Morgen eine Banane zu essen und die Schale in eine Ecke zu werfen. Das ist ein Stück subversive Absurdität, sozusagen.

Frei nach dem Motto: Ist das Kunst oder kann das weg? Woran erkennt man gute Kunst?

Wenn sie dich berührt, herausfordert, unbequem ist. Wenn sie schwer zu erklären und anspruchsvoll ist. Und: Man liebt vor allem, was man nicht ganz versteht. Das gleiche gilt übrigens für ein gutes Buch.

2010 haben Sie Manhattan unterirdisch durchquert und darüber ein Buch namens „Under Manhattan" geschrieben. Hatte diese Aktion eine künstlerische Botschaft?

Nein, das war nur ein Abenteuer. Wir wollten diese vom Menschen geschaffene, unterirdische Wildnis erforschen. Vor einem Jahr fragte mich der bekannte Kurator Hans Ulrich Obrist, ob das Performance-Art sei. Das habe ich als Kompliment genommen. Aber ich bin kein Künstler. Ich bin eher gut darin, ein Bein vor das andere zu setzen und das über tausende von Meilen.

Ihr Privathaus in Oslo ist eine Art Showroom, richtig? Was sind Ihre Lieblingsstücke?

Ich lebe mit Kunst. Ich möchte meine Sammlung sehen und sie direkt erfahren. Es ist wie eine Liebesgeschichte. Aber man kann Kunst nicht mit der Lieblingskatze vergleichen: Meine Favoriten wechseln daher ständig.

Sie sammeln außerdem russische Ikonen. Muss man selbst ein Ikonoklast sein, also mit Konventionen brechen, um Kunst zu sammeln?

Nope.

Planen Sie eine neue Ausstellung?

Meine Ausstellung im Astrup Fearnley-Museum, die den Namen „Love Story" trug, war mit rund 50.000 Besuchern ein ziemlicher Erfolg. Und sie bekam auch gute Kritiken. Das hat mich wirklich überwältigt. Aktuell plane ich nichts, aber vielleicht eines Tages... Wer weiß?

Original