Wann immer er kann, fährt Seth Barker mit seinem Motorboot in die malerische Bucht von Clark Cove hinaus. Hier ist kein Mensch weit und breit. Nur die mit Pinien bewachsenen Felsen umranden das türkisfarbene Meer. Der 74-Jährige geht hier seiner großen Leidenschaft nach. Und die verbirgt sich unter Wasser.
Barker liebt die Meeresalgen - den Seetang. Seit vier Jahren pflanzt er hier diese grün, braun schimmernden Algen an. Sie lassen sich zu Snacks verarbeiten, zu Cremes und Seifen. Seetang ist vielseitig. Barker hat zehn lange Schnüre unter der Wasseroberfläche gespannt, wie Wäscheleinen auf etwa anderthalb Hektar. Daran heften sich die Sporen der Algen, die später zu dicken Stängeln mit glibbrigen Blättern wachsen.
"Diese Nahrungsmittelproduktion hat geringe Auswirkungen auf die Natur und ist unheimlich produktiv", sagt Barker. Denn klar: Seetang muss nicht gewässert werden und auch nicht gedüngt.
Algen reinigen Wasser von AbfallstoffenDafür tut er - ganz nebenbei - dem Wasser auch noch gut, erklärt Algen-Wissenschaftlerin Susan Brawley: "Weil sie viel Stickstoff und Phosphor brauchen, so wie jeder photosynthetische Organismus, können sie das Wasser von Abfallstoffen reinigen." Algen sind quasi so etwas wie die Staubsauger der Meere. "Und", sagt Brawley, "Algen nehmen CO2 auf. Deshalb helfen sie auch, die Übersäuerung der Ozeane aufzuheben."
2500 Dollar pro Tonne AlgenWie auch Bäume wandeln Algen Kohlendioxid in Sauerstoff um. Und einmal angebaut, ist Seetang praktisch ein Selbstläufer. Bei guten Bedingungen kann er mehrere Zentimeter pro Tag wachsen. Barker erntet im Jahr bis zu 18 Tonnen - allein mit seinen paar "Wäscheleinen". Und der Verkaufspreis pro Tonne liegt bei rund 2500 Dollar. Immer mehr Fischer in Maine nehmen deshalb Seetang mit in ihr Angebot auf, denn Kabeljau, Garnelen oder Seeigel kommen immer weniger vor. Keine andere Aquakultur wächst in den USA gerade so schnell.
Ortswechsel: Anderthalb Stunden von der Clark Cove Bucht entfernt liegt Maines kleine Hauptstadt Portland. Hier, in einer Seitenstraße, hat Josh Rogers sein Geschäft: Heritage Seaweed. In zwei Räumen stapeln sich die Regale mit Seetang-Tee, Seetang-Jerky, Seetang Cremes und Seifen. Rogers, im Holzfäller-Hemd und mit Dreitagebart ist eine Art Seetang-Jünger: "Es ist diese seltsame, sehr alte Lebensform. Es ist kein Tier, es ist keine Pflanze. Es ist kein Pilz. Was ist es? Es sind Algen!"
Und sie schmecken kurios: fischig, wie Kaviar, und beißend, sehr salzig und auch bitter, wie schwarzer Tee, aber trotzdem irgendwie auch süß. Umami, nennen Japaner diese seltsame fünfte Geschmacksrichtung.
Aus Rogers' Sicht geht es aber um mehr als Geschmack. In einer Welt, in der das Wasser immer knapper wird, sagt Rogers, und der Anbau von Obst und Gemüse schwieriger, könnte Seetang in Zukunft einmal für Lebensmittelsicherheit sorgen: "Wenn sie irgendein Gemüse mit Seetang vergleichen, dann hat der Seetang typischerweise rund zehnmal mehr Mineralien als das Gemüse."
Und ins Schwärmen kommt auch Barker - immer wieder. "Kelp is the new kale", heißt es in Maine nicht umsonst: Seetang ist der neue Grünkohl. Und zuletzt, findet Barker auf seinem Boot in Clark Cove, bestechen die rund 250 verschiedenen Arten, die an der Küste von Maine natürlich vorkommen, mit noch etwas: "Sie sehen einfach wunderschön aus."