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Architektur: Lehmputz für die Utopie

Neu zu bauen ist eine Klimasünde. Junge Architekten fordern eine radikale Wende. Sie wollen nachhaltig bauen - oder am liebsten gar nicht. Die Altstars der Zunft sind verstört.

Weßling, eine Gemeinde im Landkreis Starnberg. Ein Idyll mit Dorfgasthof und See. Wenn am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen kein Flugzeug startet und über die Felder rauscht, dann ist es auf den schmalen Straßen am Ortsrand so leise, dass man Grillen zirpen hört. Hier lässt sich viel über die Zukunft der Architektur lernen. Und darüber, wie schwer es ist, Visionen umzusetzen.

In schönster grasgrüner Umgebung steht ein fast fertiges, zweistöckiges Haus aus Massivholz, das die Bauingenieurin Andrea Heil, die zugleich die Bauherrin ist, »mein Experiment« nennt. Mehr als 200 Fichten wurden verbaut, im Inneren des Gebäudes duftet es nach Holz. Dort, wo bereits in ein paar Wochen gekocht und gegessen werden soll, stapeln sich Säcke mit der Aufschrift »Naturkalk Haftputz«. Zollstöcke, Schraubenzieher und weiteres Werkzeug liegen herum.

Heil, 30 Jahre alt, sitzt im Haus auf einer Bierbank, die grüne Sonnenbrille im dunklen Haar, vor sich ein Smartphone. Sie wischt durch Baustellenfotos. Andere erinnern sich mit Hilfe ihrer Schnappschüsse an Urlaube, Heil an ihren Hausbau. Sie sagt Sätze wie: »Ach, das war auch witzig. Die Steckdosen haben einfach nicht in den Holzweichfaserplatten gehalten.« Sie versuchte es dann mit Hohlwanddosenhaltern, »hat geklappt«.

Hohlwanddosenhalter als Retter einer architektonischen Vision? Ging es in der Baubranche früher nicht um große Dinge, um wahnwitzige Höhen, um spektakuläre Formen, um den Wow-Faktor? …

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