Atomkraft prägt die Gemeinden an Bayerns letztem Kernreaktor seit Jahrzehnten. Geht es nun sogar noch ein paar Jahre weiter? Besuch in einer Region, in der Pragmatismus vor Protest geht.
Als Irmgard Brandstetter die Landstraße entlangfährt, kommen die Erinnerungen an die Demonstrationen zurück. »Zu Hochzeiten waren wir mehrere Hundert Leute«, sagt sie. Proteste gegen das Kernkraftwerk und gegen das Zwischenlager für den Atommüll. Mehr als zehn Jahre liegt das jetzt zurück.
»Hier sind wir montags immer entlangspaziert«, erinnert sich die 55-Jährige. Sie fährt unter dicken Hochspannungsleitungen hindurch, am Horizont der 165 Meter hohe Kühlturm des Atomkraftwerkes Isar 2. Er stößt Wasserdampf aus. Noch immer.
Aber nicht mehr lange. Falls alles nach Plan geht.
Brandstetter kommt aus der Gegend und wohnt seit 1998 in Niederaichbach, einer 4000-Einwohner-Gemeinde in Niederbayern, zwischen Landshut und Dingolfing. Viele Male war sie dabei, als die Demonstranten vom Rathaus im Dorf zu einem Eisentor mit Stacheldraht vor dem Atomkraftwerk zogen. Jetzt steht sie wieder vor diesem Tor am AKW-Gelände, an einem heißen Julitag im Krisensommer 2022. Es steht offen, Proteste fürchtet hier offenbar niemand mehr…