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Die halbe Wahrheit

Genugtuung: Nach einem schwachen Auftritt in Aue musste der vom VfL Wolfsburg geliehene Sebastian Stolze (links) zuletzt auf der Bank Platz nehmen. Diesmal durfte er wieder mitwirken und avancierte zum Mann des Tages. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Regensburger gewinnen im Krisenduell 3:1 gegen Kaiserslautern, ihrem zuletzt viel gescholtenen Außenbahnspieler Sebastian Stolze gelingen zwei Tore.

Eine Woche ist es her, da war Regensburgs Trainer Achim Beierlorzer mächtig sauer. Speziell auf seine Hintermannschaft und noch spezieller auf Sebastian Stolze. Der hatte bei der 0:1-Niederlage in Aue als Rechtsverteidiger den Ball auf der Außenbahn unbedacht dem Gegner in die Füße gespielt. Es war der spielentscheidende Fehler, der folgende Angriff brachte Aue das Siegtor. Nicht ganz Unrecht hatte Beierlorzer deshalb mit seiner ungewohnt scharfen Kritik. Drei Tage später musste Stolze dann die Füße stillhalten, sah die nächste Niederlage seiner Mannschaft, das deftige 2:5 im Pokal gegen Heidenheim, von der Ersatzbank aus.

Kaum jemand dürfte nach Stolzes schwachem Auftreten in Aue mit seinem Einsatz im so wichtigen Heimspiel gegen den Tabellenletzten aus Kaiserslautern gerechnet haben. Dann verletzte sich Flügelspieler Joshua Mees. Beierlorzer hielt sich bedeckt, wer Mees ersetzen sollte, um am Samstag mit Sebastian Stolze zu überraschen. Diesmal nicht als Rechtsverteidiger, sondern weiter vorne als Rechtsaußen. Möglicherweise auch dort, wo ein erneuter schludriger Ballverlust Stolzes nicht ganz so dramatische Folgen gehabt hätte. Stolze spielte aber weder schlampige Pässe, noch zog er die Wut seines Trainers auf sich. Stattdessen avancierte er mit zwei sehenswerten Toren zum Mann des Tages, verhalf dem Jahn zum verdienten 3:1-Heimsieg.

Für Stolze waren es seine ersten Tore im Profibereich seit über vier Jahren. Damals traf er in der dritten Liga für Erfurt. In diesem Sommer lieh ihn der Jahn von der zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg aus. In dreieinhalb Jahren bei den Wölfen hatte er sich nicht nachhaltig für die Profis empfehlen können, der 22-Jährige sollte in der zweiten Liga Spielpraxis sammeln. Zu Saisonbeginn war er in Regensburg aber nur als Joker gefragt, erst in den letzten beiden Ligaspielen brachte ihn Beierlorzer von Beginn an, doch Stolze enttäuschte. Und nun diese Leistung. Er traf zur frühen Jahn-Führung und erzielte schräg in der Luft liegend mit dem Außenrist auch das letzte Tor des Tages zum 3:1.

Dennoch wurde die von Beierlorzer mehrfach angesprochene "Frusttoleranz" wieder auf die Probe gestellt. Schuld daran trug diesmal ein anderer Rechtsverteidiger, nämlich Benedikt Saller. Er untermauerte unfreiwillig Beierlorzers Kritikpunkt, der Jahn bringe sich durch einfache Fehler in der Abwehr um den Lohn der eigenen Offensivarbeit. Den Elfmeter, der zum 1:1 führte, verursachte Saller, als er einen hohen Ball unterschätzte und anschließenden seinen Fehler gutmachen wollte, stattdessen aber Leon Guwara zu Fall brachte. Der Schock steckte dem Jahn nur kurz in den Beinen, weil Marvin Knoll mit einem seiner herausragend getretenen Freistöße zur erneuten Jahn-Führung einschoss.

"Der Schlüssel war heute unsere Mentalität", sagte der Trainer. Die Leidenschaft war den Oberpfälzern in jeder Minute anzumerken. Es sei "der Geist unserer Mannschaft, dass wir nicht aufgeben", so Stolze. Unter der Woche habe sich Beierlorzer zudem mit der Mannschaft zusammengesetzt und "über die Gesamtsituation gesprochen". Also sicher auch darüber, dass mit den zwei Heimspielen gegen Kaiserslautern und Fürth zwei eminent wichtige Partien anstehen. "Es war ein richtungsweisendes Spiel. Heute haben wir uns belohnt", kommentierte Beierlorzer.

In welche Richtung der Sieg gegen Kaiserslautern nun genau weist, dazu wollten sie beim Jahn aber nichts sagen. Zu oft schon waren sie in dieser Saison vermeintlich auf einem guten Weg, nur um die eigene Euphorie eine Woche später mit einem fragwürdigen Auftritt zu pulverisieren. "Bodenständig bleiben" will Doppeltorschütze Stolze deshalb: "Es war ein wichtiger Sieg für uns, aber nächste Woche geht es weiter gegen Fürth."

Immerhin, der Jahn hat den FCK, einen Konkurrenten im Abstiegskampf, auf sechs Punkte distanziert und ist nach zuletzt drei Liganiederlagen ohne eigenen Treffer dem Abwärtsstrudel fürs Erste entronnen. Die erste Hälfte der viel zitierten "Woche der Wahrheit" bei den Regensburgern lässt zumindest auf einen positiven Trend hoffen.

Das war auch nach dem Spiel zu spüren. Während Kaiserslauterns Trainer Jeff Strasser seine Mannschaft im Kreis formierte und mit ernster Miene auf sie einsprach, schlenderte Beierlorzer gemütlich über den Rasen der Arena. Er umarmte jeden seiner Spieler. Heute musste er nicht sauer sein, schon gar nicht auf Sebastian Stolze.

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