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Was denkt die CDU-Basis in Hessen von den Ereignissen in Berlin?

"Der Herr Minister steht im Stau", lässt Brigitte Wettengel aus dem CDU-Vorstand Schauenburg die Wartenden im Gasthaus "Zum Goldenen Löwen" wissen. "Er ist auf dem Weg von Berlin, aber es geht wohl grade nichts voran." Damit trifft sie ganz gut den Eindruck ihrer Parteikolleginnen und -kollegen in Schauenburg bei Kassel. In einem ist man sich hier einig: Voran geht da in Berlin gerade nicht wirklich was.

Die Wände im Festsaal sind blassgelb, unter dem Bild einer Rose auf Leinwand haben sich knapp dreißig CDU-Mitglieder versammelt. Es gibt Wurstbrot, um die Wartezeit zu überbrücken. Die Chance nutzt Frank Williges, Direktkandidat für den hessischen Landtag im Kreis Kassel-Land 2 für die Wahl Ende Oktober, um selbst einige Worte an seine Parteifreunde zu richten. "Was wir aus Berlin erleben, macht es uns im Wahlkampf schwer", sagt Williges. Er wolle deshalb heute lieber über die echten, wichtigen Themen reden. Dafür hat ja auch Kanzleramtsminister Helge Braun den Freitagabendverkehr auf sich genommen. Heute soll es in Schauenburg um "Gesundheit und Pflege im ländlichen Raum" gehen.

Zu den Ereignissen der zurückliegenden Wochen hat trotzdem jeder eine Meinung - in der Regel keine gute. Die Ämterrochade in Berlin - die Absetzung und anschließende Beförderung von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen und die Verdrängung des einzigen SPD-Staatssekretärs aus dem Innenministerium - jeder sieht deswegen die Glaubwürdigkeit der etablierten Parteien beschädigt.

Die Selbstüberschätzung von Horst Seehofer sei schuld, sagt ein Mann. "Einfach eine Sauerei", ein Anderer. "Herr Seehofer", sagt CDU-Vorstandsfrau Wettengel, "aber auch die Kanzlerin haben das Augenmaß verloren, wie so etwas in der Bevölkerung ankommt." Wenn jemand wie Maaßen so eindeutig in der Kritik stehe und offensichtlich wohl unrecht hatte, da ginge eine Beförderung gegen jedes Gerechtigkeitsempfinden der Bürger. "Kurz vor Wahlen ist das tödlich."

Erbärmlich sei das Zurückrudern der SPD-Chefin. "Die Entlassung von Maaßen fand ich nicht in Ordnung, die Beförderung war aber ein geschickter Schachzug", sagt Turko, "ich mag zwar Herrn Seehofer nicht, aber das hat er clever gemacht."

Das Problem Seehofer werde sich wohl bald von allein lösen, sagt einer

Zumindest was Seehofer angeht, sind die meisten Anwesenden anderer Meinung. Für Wettengel ist es Starrsinn und die politische Blase in Berlin, die Seehofer die Bodenhaftung hat verlieren lassen. Ihren Parteikollegen Klaus Lawrenz aus Baunatal nervt, "dass Seehofer alles versucht, um politisches Störfeuer zu erzeugen". Aber, so Lawrenz, das Problem werde sich nach der Landtagswahl in Bayern Mitte Oktober wohl von allein lösen.

Die Kritik an Nahles und Seehofer geht vielen gut über die Lippen, bei Merkel klingen die Aussagen verhaltener. Gern wird ihre abwartende Haltung als ruhiges Abwägen gedeutet, einzig Lawrenz sagt deutlich, man wisse, dass man nicht mehr die Merkel von früher habe. "Aber wo kriegen wir jemand Gleichwertigen her?"

Um kurz nach acht Uhr erreicht Kanzleramtsminister Braun den Goldenen Löwen. Der Minister, der seinem Vorgänger Peter Altmaier nicht nur von der Statur her ähnelt, sondern auch dessen ruhige Besonnenheit ausstrahlt, trifft auf dem Podium auf zwei Ärzte mit Praxen auf dem Land. In der folgenden Stunde geht es kein einziges Mal um Maaßen, Chemnitz oder die Zukunft der Regierung. Stattdessen wird über "die wirklich wichtigen Themen" gesprochen - wie man mehr Ärzte aufs Land holen könnte zum Beispiel.

Nach dem Gespräch gibt es für den Minister Applaus und Wurst, aber nicht irgendeine, sondern sogenannte Ahle Worscht aus der Region. Ein CDU-Mitglied lädt ihn ein, doch zur Neujahrsveranstaltung vorbeizukommen. Braun sagt: gern, wenn sein Terminkalender es zulasse. Für die CDU Schauenburg jedenfalls gibt es bereits Pläne für die Zeit nach der Landtagswahl. Im "Goldenen Löwen" sei bereits für das gemeinsame Gänseessen reserviert. Wer teilnehmen wolle, soll sich noch rechtzeitig anmelden.

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