Achtung: Dieser Text versammelt eine Menge übler Klischees. Das ließ sich leider nicht vermeiden. Sie wurden alle so erlebt.
Am Anfang stand natürlich der Gedanke: Womit beginnen wir diese neue Serie? Nachdem wir uns, gehässig wie wir sind, wochenlang über einen armen Kerl mit chronischer Muskelschwellung (hier geht's noch einmal zur Bachelor-Kolumne) lustig gemacht haben? Der doch noch nur seine, hüstel, große Liebe, im Fernsehen finden wollte? Ganz einfach: Dorthin, wo dieser Wahnsinn seinen Anfang nahm. Wo jeder Bachelor geboren wird. Zwischen Spandex, Schweiß und Stöhnen. Nein, nicht auf einem Bon-Jovi-Konzert. Wir gehen ins Fitnessstudio! Beziehungsweise natürlich gehe ich ins Fitnessstudio.
Okay, ich gebe zu: Natürlich habe ich Vorurteile gegen Muskeltempel. Was soll daran würdevoll sein, mit Armen und Beinen in der Luft zu strampeln, unter mir ein Stahlmonstrum, das mir gleichzeitig Bizeps, Trizeps, Quadrizeps und irgendwelche Muskeln in meinem Hintern trainiert, von denen ich nicht mal weiß, wozu sie da sein sollten? In einem atmungsaktiven Synthetikganzkörperkondom, das danach schreit, lieber sofort einen Eimer Sangria zu exen und auf das nächstbeste Festival torkeln? Oder zumindest zum Karneval?
Fitnessstudios, das sind die Geissens, "Manta Manta" oder dieser Gag von Badesalz, wo zwei Männer sich gestehen, dass sie nur trainieren, damit sie im Sommer am Zehnmeterbrett "de Cliffhanger mache könne". Ich könnte den ganzen Tag darüber lamentieren. Bin aber dann trotzdem hingegangen. Man wirft ja so manches Prinzip im Alter über Bord, wenn die Plautze täglich grüßt. Aber ich dachte mir: Hey, die 80er sind vorbei, die 90er auch, der neonfarbene Uncle-Sam-Alptraum ist ausgestanden. Ich konnte ja nicht wissen, dass die Realität viel schlimmer ist als alles, was ich mir über die Jahre zusammengereimt hatte.
Ich pumpe, also bin ich
Dem ersten anderen Menschen begegnete ich in der Umkleidekabine. Also, ich glaube, dass sich irgendwo unter all diesen Dellen und Beulen auf seinem Oberkörper einer versteckt hielt. Er stand direkt vor mir. Oben ohne. Vor dem Spiegel. In der Hand: sein Smartphone. Falls Sie sich schon immer gefragt haben, werte Leserinnen, woher diese Bilder auf Tinder stammen, auf die jede Frau, deren Säfte noch halbwegs im Ausgleich sind, irgendwie zwischen Lachen und Weinen reagiert: genau daher. Aus Fitnessstudios.
Ich würde jetzt gerne sagen: Er war die Ausnahme (okay, natürlich gibt es auch normale Menschen im Fitnessstudio, aber die sind natürlich nicht sonderlich unterhaltsam). Aber Fehlanzeige. In den nächsten Wochen begegnete ich diversen eigenartigen Auswüchsen männlichen Optimierungsdrangs. Zwei Kandidaten zum Beispiel mit Oberkörpern wie ein Vorfahrt-beachten-Schild erwischte ich ebenfalls oben ohne, die Brust herausgeschoben wie die Luke einer Supermarktkasse. Sie lieferten sich einen Dialog, den ich hier ungeschönt, aber aus komödiantischen Gründen gestrafft, wiedergeben möchte. "Ey, der Bizeps sieht schon geil aus." "Ja, find' ich auch." "Wie oft trainierst du?" "Fünf Mal die Woche. Aber immer nur Oberkörper." "Logo!" "Willst du mal anfassen?" "Unbedingt!" Die darauffolgenden handgreiflichen Details erspare ich Ihnen. Die offensichtlichen homoerotischen Nuancen, die den beiden offenbar in dieser Situation nicht bewusst waren, ebenso.
Wenn der Kopf rot anläuft - weniger Gewichte!
Trotzdem ging ich weiter hin. Warum fragen Sie? Aus dem gleichen Gund, warum wir den "Bachelor" schauen: Es ist einfach verdammt lustig! Ja, wirklich! All die kleinen Details, die man im Fitnessstudio zu sehen bekommt, davon können Sie ganze Partygespräche füllen!
Zum Beispiel: Wer exzessiv mit Gewichten oder an Geräten trainiert, ist niemals an den Ausdauergeräten zu finden. Wirklich. Also höchstens für fünf Minuten. Die Muskeln könnten sonst ins Schwitzen geraten.
Oder: Männer tendieren dazu, zu viel Gewicht aufzulegen. Dann zieht der Seilzug mehr sie als umgekehrt. Ich bin kein Fitnesstrainer, aber mein Verstand sagt mir: Wenn das Gesicht knallrot anläuft und die Augen den Anschein erwecken, sie wollen lieber jetzt als später den Kopf verlassen, ist das wohl zu schwer. Nächstes Beispiel: Beim Trainieren muss man sich im Spiegel ansehen. Um zu kontrollieren, ob die Übungen richtig ausgeführt werden. So wurde es mir zumindest erklärt. Aus dem gleichen Grund habe ich ja auch diesen mannshohen Spiegel überm Bett. Und abschließend: Beim Sex zieren sich Männer bekanntlich mit dem Stöhnen. Beim Gewichtheben nicht.
Mehr Spiegel ergeben mehr Sichtbarkeit
Mein absolutes Highlight aber war ein furchterregend großer Mann mit Muskeln, die Dwayne "The Rock" Johnson vor Neid erblassen lassen würden. Er stand ganz hinten in der Ecke. Weil dort zwei Spiegelwände aufeinander treffen. Das ergibt: maximale Sichtbarkeit. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wuchtete er die Hanteln nach oben. Stöhn. Und küsste bei jeder vollbrachten Übung seinen Oberarm. Wirklich! Ich schwöre! Also, zumindest sah es so aus. Ich habe mich nicht getraut nachzufragen. Ich hatte Angst, dass er mir danach seinen Oberkörper in der Umkleidekabine zeigen möchte.
Stattdessen fragte ich ihn, ob er das professionell betreibe. Mit den Gewichten. Und den Muskeln. Er sah mich nur entgeistert an. "Nee", nuschelte er. "Ich will bei der Bachelorette mitmachen." Entgeistert schaute ich ihn an. Hatte ich ihn richtig verstanden? Die "Bachelorette"? Ich drehte mich wortlos um. Und lief schreiend aus dem Studio. Aus dem Spaß war bitterer Ernst geworden. Seitdem trage ich Kopfhörer sobald ich die Muskelhöhle betrete. Und jedes Mal, wenn ich den Drang verspüre, jemanden im Fitnessstudio anzusprechen, stelle ich mich vor den Spiegel, stöhne und kneife mich selbst in den Bizeps. Das hilft.
Original