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Warum dieser Jugendrichter sich für Cannabis-Legalisierung die Seele aus dem Leib schreit

Dafür, dass er gerade auf einer Kiffer-Demo spricht, klingt Andreas Müller ganz schön aggressiv und aufgebracht. Müller ist Jugendrichter. Auf der Hanfparade in Berlin will er den Menschen jedoch nicht das Kiffen ausreden. Nein, er schreit lautstark gegen Deutschlands restriktive Drogenpolitik an.

Müller gilt eigentlich als harter Hund. Ende der 90er Jahre lehrte er als Jugendrichter in Bernau bei Berlin Brandenburger Neonazis das Fürchten. Seine Urteile: meistens hart. Manchmal aber auch kreativ. Statt in den Knast schickte er junge Rechtsextreme schonmal zu einem Moscheebesuch nach Berlin. Anderen verurteilten Neonazis verbot er als Bewährungsauflage das Tragen von Springerstiefeln. ( RBB)

Boulevardzeitungen nennen ihn " Richter Knallhart" oder " Deutschlands härtesten Jugendrichter". Warum steht so ein Typ auf der Bühne der Berliner Hanfparade?

"Ihr seid die Kriminellen, die ich gerne habe!" Darum:

Seit 44 Jahren kämpfe er gegen die "gescheiterte Prohibitionspolitik" an, erklärt Müller. Hunderttausende seien wegen ihres Cannabiskonsums in die Knäste gegangen. Eltern wüssten aufgrund der "ideologischen Politik" nicht, wie sie mit ihren Kindern umgehen sollen. "Weil sie einmal gekifft haben, glauben sie, dass sie in der Gosse landen." Der Jugendrichter ist sich sicher:

Müller, der in seinem Buch "Kiffen und Kriminalität" schon 2015 mit der deutschen Drogenpolitik abgerechnet hat, hält die Frage der Cannabislegalisierung auch für eine Frage der Selbstbestimmung.

Die tausenden Teilnehmer der Hanfparade sehen das ähnlich: Kriminalbeamter für legales Kiffen

Der Jugendrichter ist nicht der einzige Strafverfolgungs-Fachmann, der sich auf der Kiffer-Demo für die Gras-Freigabe einsetzt.

Auch Frank Tempel hält hier eine Rede, wenn auch mit ruhigerer Stimme als Andreas Müller. Tempel ist Kriminalbeamter, saß bis 2017 für die Linke im Bundestag und ist drogenpolitischer Sprecher der Partei. Ebenso wie Müller hält auch der Polizist die deutsche Drogenpolitik für gescheitert.

Er erklärt:

Das sei nicht nur "Schwachsinn", sondern auch "ein Rausschmeißen von Geld". Tempel würde das Geld, dass die Strafverfolgung kostet, lieber in Prävention investieren, um vor allem Jugendliche über die Gefahren des Kiffens aufzuklären.

Polizei-typisch ist Frank Tempels Position zu Drogen eher nicht. Aber er steht mit ihr keineswegs alleine da. Einige Polizisten, Richter und Staatsanwälte, die ein Ende der Drogenprohibition fordern, haben sich in dem Netzwerk " LEAP" (Law Enforcement against Prohibition) zusammengeschlossen. Tempel sitzt gemeinsam mit der Grünen-Politikerin und Polizeibeamtin Irene Mihalic im Vorstand des Netzwerks in Deutschland. Der deutsche "LEAP"-Vorsitzende ist der ehemalige Polizeipräsident der nordrhein-westfälischen Stadt Münster, Hubert Wimber.

Was die LEAP-Mitglieder verbindet, ist dass sie die Drogengesetze der Politik in ihrem Berufsalltag umsetzen mussten - ob es ihnen gefällt oder nicht. Jetzt versuchen sie gemeinsam, die Politik von einem Kurswechsel zu überzeugen.

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