Die einen gehen wie Silvia und Johannes den Weg über eine Kinderwunschklinik. Andere versuchen wie Verena, über "Social Freezing" dem Druck der biologischen Uhr zu entgehen. Denny, homosexuell, hat übers Internet die Mutter seines Sohnes gefunden.
Silvia und Johannes, beide 27 und seit 2016 verheiratet, wünschen sich ein Kind. Nach vier Fehlgeburten sind sie jetzt in einer Kinderwunschklinik in Behandlung. Silvia hat einen Gendefekt, nur ein Teil ihrer Eizellen hat alle Erbinformationen. Damit sie doch noch ein gesundes Kind bekommen kann, soll eine genetische Untersuchung der Embryonen helfen. Sie wird nach der Befruchtung im Reagenzglas vorgenommen. Diese sogenannte Präimplantationsdiagnostik ist in Deutschland nur unter strengen Auflagen erlaubt. Deshalb wählen Silvia und Johannes den Weg nach Österreich. Nach vielen Rückschlägen können die beiden jetzt einen ersten kleinen Erfolg verbuchen. Verena war gerade 30 geworden, als ihre Eltern vor vier Jahren vorschlugen, dass sie sich Eizellen einfrieren lassen sollte. Humbuk, dachte sie, doch der Gedanke ließ sie nicht los. Mit 34 - und zum Zeitpunkt der Dreharbeiten partnerlos - entscheidet sie sich für "Social Freezing": Verenas Eizellen werden eingefroren. Damit erhöht sich ihre Chance, auch noch in höherem Alter ein Kind bekommen zu können. Hormontherapie, OP mit Vollnarkose und hohe Kosten sind der Preis für die Freiheit vom Druck der biologischen Uhr. Partnerlosigkeit ist, so die Mediziner, das große Thema von Frauen, die sich für diese Behandlung entscheiden. Eine Garantie auf ein Kind ist "Social Freezing" allerdings nicht.
Keine Liebe, aber gemeinsamer Nachwuchs
Denny (31) hat sich seinen Traum vom Kind bereits erfüllt. Er ist homosexuell und hätte nie gedacht, dass es überhaupt einmal so weit kommen könnte. Dass er jetzt mit seinem Sohn Emilian den ersten Geburtstag feiert, verdankt er einer Onlineplattform, die ihn mit Jaqueline (37) zusammengebracht hat. Die Alleinerziehende war bereits 35, als sie sich entschied, ein zweites Kind zu bekommen. Aber diesmal ohne Mann. Bei Emilians Geburtstagsfeier käme keiner auf die Idee, welche ungewöhnliche Geschichte sich hinter der Familienkonstellation verbirgt. Viele Themen rund um den Kinderwunsch sind mit Tabus behaftet. Fehlgeburten, Unfruchtbarkeit, Partnerlosigkeit: Es braucht Mut, sich diesen Themen zu stellen. Der Film "Mein Traum vom Kind" gibt Einblick in die Gedanken, Träume, Hoffnungen und Niederlagen von Menschen mit Kinderwunsch und zeigt, welche Wege sie gehen, um sich den Traum vom Kind zu erfüllen.
37 Grad-Autorin Jutta Schön über ihren Film
Mit Mitte 30 ist das große Thema (vor allem im Leben von Frauen): Kinder. Wer sie hat, hat keinen Kopf mehr für andere Dinge. Wer sie nicht hat, aber unbedingt will, denkt auch an nichts anderes mehr. Und wer keine hat und vielleicht auch keine will, wird trotzdem ständig damit konfrontiert: Kollegen, Freunde, Fremde fragen einfach mal beim Tee, ob man Kinder hat oder möchte. Und wenn nicht? Warum hören manche die Uhr lauter ticken, als andere, nehmen mehr in Kauf, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen? Meine erste kurze Recherche in einem Kinderwunschzentrum, steckte voller Dramen: Behandlungsraum 1: keine gesunden Eizellen - trotz starker Hormontherapie. Verzweiflung. Behandlungsraum 2: das Spermium des Mannes zu schlecht. Hoffnungslosigkeit. Behandlungsraum 3: Sorge, dass Eizellen oder Spermien vertauscht werden könnten (alles schon passiert!). Panik. Behandlungsraum 4: ein runder Bauch mit einem Strahlen im Gesicht. Hoffnung für alle anderen.
Jedes siebte Paar ist ungewollt kinderlosÜber all das, spricht fast keiner. Die Zahl der Instagram-Accounts zum Thema Kinderwunsch zeigt: das Mittteilungsbedürfnis und die Sehnsucht nach Gleichgesinnten sind trotzdem hoch - #1in7 ist der Code für: Jedes 7. Paar ist ungewollt kinderlos. Über Instagram habe ich auch Silvia gefunden, die sich dort mit Gleichgesinnten austauscht. Das vermeintlich oberflächliche Medium Instagram wird zu einem Ort der Begegnung und gegenseitigen Unterstützung, aus dem die Frauen (und auch ihre Partner) viel Kraft ziehen. Fast 50 Kinderwunschkliniken musste ich kontaktieren, um eine Frau zu finden, die Social Freezing durchführen lässt und auch darüber sprechen würde. Verena zählt mit ihren 34 Jahren zu den seltenen, jüngeren Patientinnen. Mir sind viele tragische Geschichten begegnet. Frauen, die erst über ihre Geschichte sprechen wollten und mir dann am Telefon unter Tränen absagen mussten, weil die nächste Eileiterschwangerschaft, der nächste erfolglose ICSI Zyklus den Mut und die Kraft genommen hatte. Nach kurzer Resignation sind sie eigentlich alle wieder aufgestanden und kämpfen weiter. Ich habe den größten Respekt vor den Frauen und Männern, die diesen Weg gehen. Aber man darf auch nicht vergessen: die Entscheidung, den Kinderwunsch ruhen zu lassen, hat ebenfalls den größten Respekt verdient, egal ob aus biologischen Gründen oder persönlicher Präferenz. Die Entscheidung für oder gegen ein Kind ist Privatsache und doch auch nicht.
Deutschland hat eines der restriktivsten Embryonenschutzgesetze weltweit. Wissenschaftler, Patienten und inzwischen auch die Politik halten das nicht mehr für zeitgemäß. Ein Entwurf zur Legalisierung der Eizellspende liegt dem Bundestag seit März 2020 vor, ob der durchgehen wird, ist offen, lässt aber hoffen, dass der Weg ins Ausland bald nicht mehr zwingend sein wird. Zu beobachten, wie im Labor in einer Petrischale ein Spermium in eine Eizelle injiziert wird, war für mich ein sehr bewegender Moment. Vielleicht entstand da gerade ein Mensch! Gänsehaut. Es bleibt wohl einfach das größte Rätsel des Lebens: zwei Zellen treffen zusammen und dadurch wird ein Prozess angeworfen, an dessen Ende das Lächeln eines Kindes stehen kann (und ein Haufen voller Windeln).
Welches Glück ein Kind bedeutet, sieht man in den Augen von Denny und Jaqueline, wenn sie mit ihrem Sohn Emilian spielen. Kein Paar, keine Liebesbeziehung und dennoch Eltern. Mit klaren Absprachen und Vereinbarungen, geben Sie Emilian ein stabiles Umfeld. Auch wenn diese Konstellation vermutlich bei manchen Widerstand hervorrufen wird, ist für mich klar: Was braucht ein Kind mehr als zwei starke Erwachsene, die für sein Wohl kämpfen? Ich hoffe sehr, dass dieser Film dazu beiträgt, dass wir im Umgang mit den Themen Kinderwunsch und Fruchtbarkeit mehr Verständnis füreinander entwickeln und damit auch ein Stück weit die Fehlbarkeit des menschlichen Körpers akzeptieren. Wir sind alle den Regeln der Natur unterworfen, die unberechenbar und voller Überraschungen sein können.
Mütter, die ihr Kind zur Adoption freigeben, werden oft als Versagerinnen geächtet und leiden ein Leben lang ...