Meinen Feierabend verbringe ich in der Regel zu Hause in der heimischen Wohngemeinschaft. Mit allerlei Selbstgekochtem, einem kühlen Bier und erfrischenden Gesprächen mit den Mitbewohnern. Und natürlich mit Facebook. Schnell eingeloggt und schon öffnet sich die weite Welt des Zuckerberg'schen Netzwerks. Post, Chats, Videos, Bilder - hier gibt es einfach alles und das auch noch in unbegrenzter Menge. Ich nutze Facebook zum E-Mails schreiben, zur schnellen Kommunikation via Chat mit Freunden, die quer in Deutschland verteilt leben. Ich lade regelmäßig Fotos hoch - von Kochversuchen bis Sehenswürdigkeiten ist alles dabei - und diskutiere hier ausgiebig mit Bekannten über Gott und die Welt. Im Gegenzug merkt sich Facebook für mich die Geburtstage aller meiner Freunde. Diese digitale Spielwiese ist mein Zuhause, das gebe ich offen zu.
In der Fastenzeit, so sagt die Kirche nun, solle man sich auf Ostern vorbereiten, indem man etwas in seinem Leben verändert. Nicht in Sack und Asche soll man gehen, sondern Abhängigkeiten aufgeben, Verzicht üben und sich für das höchste Fest der Christenheit öffnen. Eine Pause von Facebook scheint mir genau das Richtige zu sein, um dieses Ziel zu erreichen. Und was spricht schon dagegen, einfach mal mit dem Chatten, Posten und Liken aufzuhören?
Auch wenn mir kein handfestes Argument dagegen einfiel, schien es mir als Dauernutzer eine durchaus große Herausforderung zu sein, sieben Tage "offline" zu gehen. Daher traf ich einige Vorbereitungen: E-Mail-Adressen sammeln, Handynummern auf ihre Aktualität kontrollieren, die "Freunde" über meinen Verzicht ausreichend in Kenntnis setzen, das alles gehörte im Vorfeld dazu, um nicht gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten zu sein oder sich jedenfalls so zu fühlen.
Denn für gewöhnlich braucht es kein E-Mail-Adressen-Register, wenn man seine Bekannten per Facebook kontaktiert. Und seitdem die Smartphones ihren Siegeszug angetreten haben, telefoniere ich auch ohnehin weniger. Schließlich können meine Facebook-Nachrichten allerorts auf den Mobiltelefonen gelesen werden. Die Sorge, etwas Dringendes zu verpassen, war also groß. Auch wenn ein Spenderherz oder ein Lottogewinn normalerweise nicht per Facebook mitgeteilt werden.
Doch der Start in den Verzicht gelingt deutlich besser als befürchtet. Ich habe mehr Zeit an den ersten beiden Tagen meines Projekts, das wird mir schnell klar. Und die Zeit lässt sich sinnvoll nutzen. Weniger Multitasking, dafür mehr konzentriertes Konsumieren (und Arbeiten) steht auf dem Programm und gelingt erstaunlich gut, wenn man nicht ständig vom Klopf-Geräusch des Facebook-Chats als Signal für eine neue Nachricht abgelenkt wird. Ich bekomme das Gefühl, dass ich mehr von den Inhalten, die ich am ersten Fastentag lese, wirklich aufgenommen habe.
Der positive Eindruck bleibt auch an den nächsten Tagen bestehen. Der Drang, schnell mal das blau-weiße Netzwerk anzusteuern, lässt sich gut unter Kontrolle halten. Stattdessen keimt immer stärker der Verdacht auf, dass das wilde und vor allem dauerhafte Netzwerken im Internet nichts anderes als ein Zeitvertreib ohne wirklichen Nutzen ist. Denn was ist schon das Ergebnis von einem Tag bei Facebook? Ich weiß, dass in der WG ein paar Straßen weiter eine Party gefeiert wird, zu der ich sowieso nicht hingehen werde. Ich weiß, dass ein alter Bekannter schon wieder versucht, seinen alten Corsa bei Ebay zu verkaufen. Und ich weiß, dass drei meiner "Freunde" an exotischen Orten Urlaub machen und bei mir mit ihren Urlaubsfotos Sehnsucht nach Sonne auslösen. Kein Wunder, dass Forscher Anfang des Jahres herausgefunden haben, dass die teils übertrieben positiven Statusmeldungen anderer Nutzer zu Neid und Unzufriedenheit führen.
Ausgerechnet in diesen Tagen vermeldet der Internetgigant von Gründer Mark Zuckerberg, dass in Deutschland mit 25 Millionen Menschen fast ein Drittel der Bevölkerung als Mitglieder eingetragen sind. Insgesamt zählt Facebook gut eine Milliarde Mitglieder und ist damit das größte soziale Netzwerk weltweit. Trotz Problemen an der Börse, wo Facebook seit dem 18. Mai 2012 notiert ist, wächst die Zahl der aktiven Nutzer stetig weiter. Der Erfolg des Netzwerks hat Mark Zuckerberg, der Facebook übrigens wegen seiner Rot-Grün-Schwäche blau färbte, zu einem der jüngsten Multi-Milliardäre überhaupt gemacht.
Dass Zuckerberg mit Facebook so viel Geld verdienen konnte, wird mir mit größer werdender Distanz immer unverständlicher. Denn irgendwie werden Feierabende ohne Chatten und Posten nicht zu harten Stunden des Verzichts, sondern zu schönen Zeiten der Entspannung, gefüllt mit Musik, Literatur, Film und Fernsehen. Und wenn die Sehnsucht nach ein wenig spontaner Kommunikation doch zu groß wird, kann man einfach an die vielen Dinge denken, die man schon immer an Facebook blöd fand. Von unnötigen Informationen wie "Mein Klopapier ist alle" über Mitteilungen à la "Mir geht's grad voll schlecht" bis hin zu Sicherheitspannen und Datenspeicherung. Es gibt eigentlich genug, was mich von Facebook fern halten könnte.
Einzig die Macht der Gewohnheit wird während der Fastenzeit mehrmals zur Gefahr. Man kennt schließlich seine Freunde und weiß, wie man diese am besten erreicht, wenn es mal schnell gehen muss. Doch der Verzicht zwingt auch in diesen "dringenden" Situation zum Griff ans Telefon.
Ein ernsthafter Nachteil lässt sich nach einer Facebook-freien Woche aber dann doch finden: Als "Freund" von zahlreichen Nachrichtenseiten, deren Onlineabteilungen mir ihren Schlagzeilen vorsortiert und auf meine Pinnwand heften, kann ich mir oftmals den Besuch dieser Seiten sparen. Eine Funktion, die das Überblicken des Nachrichtenstroms deutlich vereinfacht und die ich letztlich nicht missen möchte. Ganz alleine werde ich das Internet schließlich nicht sortieren können.
Meine letzte Post mit der Ankündigung des Verzichts hat viel Zustimmung gefunden. Gleich drei meiner Freunde haben sich dem Projekt angeschlossen und verzichten mit mir sogar bis Ostern auf das Netzwerk. Stattdessen stehen wir wieder im klassischen Mailverkehr miteinander, ein erster handgeschriebener Brief wurde ebenfalls verschickt. Neuigkeiten bei Facebook gecheckt hat seit Aschermittwoch niemand mehr, Dringendes verpasst vermutlich auch nicht, wer weiß das schon. Es bleibt spannend, wer letztlich überhaupt wieder zurückkehrt.