Etwas verloren stehen sie da, hinter ihnen das Fitnessstudio, auf der anderen Straßenseite der Filmpalast, das einzige Kino im Ort. Am blauen Container am Schellenbruckplatz ist heute wenig los. Ludwig Püttmannn und Johannes Vilsmaier, die Betreiber der Corona-Teststation im niederbayerischen 14.000-Einwohner-Städtchen Eggenfelden, schauen sich an, Püttmann sagt: "Damit haben wir fast gerechnet."
Auf dem Container, neben dem Empfangsfenster, steht seit Monaten ein Versprechen geschrieben: "Kostenloser Corona-Schnelltest - Ergebnis nach 15 Minuten". An guten Tagen kamen 300 Leute. Heute, am 11. Oktober, lassen sich bis zur Mittagspause 30 Personen auf das Virus testen, am Nachmittag nur noch zehn. Johannes Vilsmaier deutet mit beiden Händen eine imaginäre Gasse an und sagt: "Gestern standen sie hier noch bis 21 Uhr." Gestern, das war der Sonntag, 10. Oktober. Der letzte Tag, an dem die Bundesregierung der Bevölkerung die Schnelltests bezahlt hat. Jetzt kostet ein Abstrich in Eggenfelden pauschal 13,99 Euro. In der Teststation haben sie sich Wechselgeld besorgt, vor allem 1-Cent-Münzen.
Ein paar Ausnahmen wird es künftig geben, Kinder und Studierende, Stillende und Schwangere sollen weiterhin Schnelltests kostenfrei erhalten. Alle anderen müssen dafür nun jeweils um die 15 Euro zahlen, in entlegenen Regionen auch mal 30 oder gar 40 Euro. Püttmann und Vilsmaier gehen davon aus, dass in den kommenden Wochen nur noch halb so viele Menschen kommen werden wie sonst. Ein paar wollen sich einfach nicht impfen lassen, andere dürften aus gesundheitlichen Gründen nicht, für diese Kundinnen und Kunden wollen sie die Teststationen offen lassen, sagt Vilsmaier. Solange es sich für die Unternehmer eben lohnt.
Im April 2021, als sie die Teststation am Schellenbruckplatz eröffneten, wurde ein Test vom Staat pauschal mit 18 Euro vergütet, nach dem Skandal um zu viel gemeldete Tests von einzelnen Zentrumsbetreibern sank die Summe auf 11,50 Euro. Auch die Dokumentation wurde aufwendiger. "Für uns war es aber immer noch rentabel", sagt Vilsmaier. Einen fünfstelligen Gewinn bringe solch eine Station pro Monat bislang. In zwei Dörfern in der näheren Umgebung stehen zwei weitere ihrer Container.
Ludwig Püttmann, 25, Johannes Vilsmaier, 24 und Johannes Radl, 24, der dritte Geschäftspartner, kommen alle aus der Region Eggenfelden, kennen sich schon von der Schule, vom Weggehen am Abend. Und vom gemeinsamen Geldverdienen. Püttmann und Vilsmaier vermieteten Gewerbeimmobilien, Radl und Vilsmaier organisierten Partys und entwarfen gemeinsam Websites. Und zu dritt profitieren sie von der großen Krise, die seit anderthalb Jahren die Welt bestimmt.
Püttmann, Vilsmaier und Radl legen all ihr Erspartes zusammen, setzen sich in einen Sprinter und fahren mit 60.000 Euro in bar nach München. "Verrückt" nennt das Püttmann heute, die anderen beiden lachen. 62 Cent bezahlen sie im Hinterhof pro Maske, etwa 100.000 Stück können sie so in ihren Wagen packen. Zurück in Niederbayern dauert es nicht lange und sie haben alle Masken verkauft. Etwa einen Euro pro Stück bekommen sie damals im Schnitt, fast 40.000 Euro verdienen sie innerhalb von wenigen Stunden, erzählt Püttmann.
62 Cent pro Maske, eine unglaubliche Summe, für ein ein kleines, rechteckiges Stück Vlies, das normalerweise für ein paar Cent zu haben ist. Die drei Freunde nehmen sich Urlaub und fahren in ihrem Sprinter durch ganz Deutschland, von Eggenfelden bis nach Bonn, von Frankfurt bis Hamburg, auf der Suche nach Händlern und vor allem: nach der begehrten Ware. Daheim lagern sie die Kartons in den Garagen ihrer Eltern, verkaufen sie weiter. "Wir waren wie im Goldrausch", sagt Püttmann. Ein paar Wochen lang geht das gut.
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