Viele junge Menschen müssen Bosnien-Herzegowina verlassen, weil sie keine Arbeit finden. Wer bleibt, hofft darauf, dass das Land endlich aufblüht. Ein Besuch.
Der alte Mercedes rollt durch die Vororte um Sarajevo. Kurvige Straßen Berge hinauf und wieder hinunter. Zwischen den Dörfern stehen verlassene und zerbombte Häuser. Auch die bewohnten Häuser tragen die Wunden des Krieges noch an ihren Fassaden. Manche Einschusslöcher wurden mit Putz verspachtelt, andere blieben unberührt, als hätte der Krieg erst gestern aufgehört.
Die Sonne brennt vom Himmel, fast 40 Grad, auf den Grills vor den Restaurants werden trotzdem ganze Tiere auf Spießen gedreht: Schwein, Rind oder Lamm. Je nachdem, ob Minarette oder Kirchtürme die Orte schmücken. Alte Männer sitzen auf Bänken und trinken Tee. Frauen verkaufen an den Straßenrändern Honig und Obst. Und die Jungen? „Die sind weg", erklärt der Taxi-Fahrer aus einer Industriestadt im Nordosten. Er fuchtelt mit seinen Händen herum. „Alle weg!"
Auch seine beiden Töchter seien nach Deutschland gezogen. Sie konnten nach ihrem Studium keinen Arbeitsplatz finden. Er kramt in der Hosentasche, fingert sein Telefon heraus und zeigt ein Bild seiner Tochter, die mit einem Pass in der Hand stolz in die Kamera lächelt. „Meine Tochter ist jetzt eine Deutsche", erklärt er. Die bosnische Staatsbürgerschaft habe sie dafür abgelegt. Die Frage, ob es ihm nichts ausmache, versteht er nicht. „Wofür bosnischen Pass?", fragt er immer wieder und sieht mich fragend an.
Wenn in Europa die Rede von einer verlorenen Generation und Massenarbeitslosigkeit unter Jugendlichen ist, denken wir an Länder wie Griechenland oder Spanien. Doch auch auf dem westlichen Balkan gehören arbeitslose Jugendliche und Universitätsabsolvent*innen zur bitteren Realität. Die Töchter des Taxi-Fahrers sind mit ihrer Entscheidung nicht allein. 2014 haben 60.000 Bosnier*innen ihre Staatsbürgerschaft aufgegeben. Viele von ihnen waren junge Menschen und gut ausgebildet.
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