1952 in Wien geboren und im niederösterreichischen Horn in einer streng religiösen Ärztefamilie aufgewachsen, sollte er ursprünglich Priester werden. Doch der Schuh passt zum Glück nicht. Nach Gelegenheitsjobs als Nachtwächter, Lagerarbeiter und Kraftfahrer studiert Seidl ab 1978 Regie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, Abteilung Film und Fernsehen. Weil man ihm schon in seinem zweiten Film „Der Ball" vorwirft, die Protagonisten unethisch abzubilden, hagelte es neben Protesten seiner Professoren auch den vorzeitigen Abgang von der Filmakademie.
Ein Extremfilmer mit verstörenden Mitteln
Aber er kam wieder: 2002 unterrichtete er ein Semester lang an eben dieser Uni in eben diesem Fach. Noch heute ist er ein Grenzgänger, Seidls Arbeiten bewegen sich meist an der feinen Linie zwischen Dokumentar- und Spielfilm, die er sich selbst schafft. Professionelles Schauspiel und Laiendarstellungen vermischt er ganz bewusst miteinander. Darum ist er für viele ein Extremfilmer, der mit radikaler Aufgeschlossenheit die Einsamen, Hässlichen und Außenseiter porträtiert. Seine Mittel sind zum Teil verstörend: lange, starre Einstellungen wechseln sich mit harten Schnitten und spürbarer Distanz ab. Und genau so soll es auch sein. „Für mich hat es immer eine Grundsympathie für Außenseiter, für die Schwächeren, für Leute, die am Rande stehen, oder die, die es eben nicht schaffen, sich durchzusetzen, gegeben. Die sind mir grundsätzlich näher als jene, die alles schaffen und erfolgreich sind", erzählt er dem ORF.
Haneke schätzt seine Radikalität
Oscarpreisträger Haneke lobt seine „Radikalität" und „absolute Konsequenz". Für Dokumentarfilme wie „Good News", „Tierische Liebe", „Models" oder „Jesus, du weißt" erhielt er zahlreiche internationale Auszeichnungen. „Für mich war das ein sehr langer und schwieriger Weg, um an den Erfolg zu kommen, den ich heute habe", sagt er. 2012 stellte Seidl mit Paradies: Liebe den ersten Teil seiner Paradies-Trilogie fertig, die von drei Frauen einer Familie erzählen soll, die getrennt voneinander ihre Urlaube verbringen. Im ersten Teil ist Margarethe Tiesel als Sextouristin zu sehen, die von Österreich nach Kenia reist, um dort von jungen schwarzen Männern Liebe zu erfahren. Die weiteren Teile sollen von einer missionierenden Katholikin (Paradies: Glaube) und einer Jugendlichen in einem Diät-Camp (Paradies: Hoffnung) handeln. Für Paradies: Liebe erhielt Seidl 2012 seine zweite Einladung in den Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Privat ist Ulrich Seidl nicht minder erfolgreich. Er ist mit der Journalistin Veronika Franz verheiratet, die bisher bei allen Filmen seit „Bilder einer Ausstellung" als Co-Autorin, Regieassistentin und Casterin beteiligt war. Das Paar lebt in Wien und hat zwei Kinder.
Eva Helfrich
Linz
Feature
Ulrich Seidl: Filmemacher made in Austria
Voyeur, Regisseur, Zyniker, Solzialpornograph, Drehbuchautor, Produzent, Menschenverachter. So beschreibt sich Ulrich Seidl selbst auf seiner Homepage. Was er vergessen hat zu erwähnen: Neben Michael Haneke ist er Österreichs erfolgreichster Regisseur.
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