Morgen ist der Geburtstag seines Vaters. Halit Yozgat hat seiner Mutter Ayse etwas Geld gegeben. Der Vater soll sich davon selbst ein Geschenk aussuchen. Ayse und Ismail Yozgat wollen deshalb später in den Baumarkt fahren. Halit Yozgat löst seinen Vater an diesem Donnerstagnachmittag des 6. April am Tresen seines Internetcafés an der Holländischen Straße 82 ab. Seine Eltern verabschieden sich, fahren los in Richtung Baumarkt. Es ist das letzte Mal, dass sie Halit lebend sehen.
Halit Yozgat, geboren 1985 in Kassel, ist das vierte von fünf Kindern. Der einzige Sohn. Er trägt den Namen seines Großvaters. Seine Eltern wohnen zum Zeitpunkt seiner Geburt in der vielbefahrenen Holländischen Straße in der Kasseler Nordstadt - in derselben Straße, in der Halit Yozgat Jahre später ein Internetcafé eröffnen wird.
Sein Vater kauft ihm den Laden, als er 19 Jahre alt ist, und finanziert die Einrichtung. Das Café ist im Erdgeschoss eines Wohnhauses, dem Gebäude mit der Hausnummer 82. Im Vorderraum befinden sich sechs Telefonzellen. Sie sind vor allem für Auslandsgespräche gedacht. Im Hinterraum stehen sieben Computer mit Zugang zum Internet.
Ismail Yozgat wohnt schon seit den 1970er-Jahren in Deutschland. Er folgte seinem Vater aus der Türkei. Später holt er seine Frau ebenfalls nach Deutschland. Als Halit Yozgat 2003 seinen 18. Geburtstag feiert, hat er die deutsche Staatsbürgerschaft bereits angenommen. Freunde und Bekannte beschreiben ihn als ruhigen und religiösen Menschen.
Halit Yozgat ist jeden Tag in seinem Geschäft. Er wechselt sich mit seinem Vater am Tresen ab. Nebenbei besucht er den Abendunterricht an der Kasseler Goetheschule. Auch am 6. April 2006 wartet Halit Yozgat darauf, durch seinen Vater abgelöst zu werden, um zur Schule zu gehen.
Gegen 17 Uhr wollen Halits Eltern aus dem Baumarkt zurück sein. Ismail Yozgat kauft sich einen Werkzeugkasten von dem Geld, das er von seinem Sohn für sein Geschenk bekommen hat. Vor Gericht wird er sieben Jahre später sagen, dass er sich seinen Geburtstag am 7. April verboten habe. Dass er bis zu seinem Tod seinen Geburtstag nicht mehr feiern werde. Ein Dolmetscher wird diese Worte aus dem Türkischen ins Deutsche übersetzen.
Gegen 17.05 Uhr parken Ayse und Ismail Yozgat wieder auf der Holländischen Straße. Sie sind ein paar Minuten zu spät dran. Normalerweise wartet Halit Yozgat schon in der Tür. An diesem Tag nicht. Ismail Yozgat wundert sich und steigt aus seinem Auto. Er betritt den Laden. Er ruft: „Halit, wo bist du? Sitzt du an einem Computer?" Er bekommt keine Antwort. Sein Blick wandert durch das Internetcafé, sucht den Sohn, bleibt schließlich am Tresen hängen, auf dem drei kleine rote Tropfen zu sehen sind.
Ismail ruft erneut: „Halit, was machst du denn hier mit der roten Farbe?" Dann sieht er seinen Sohn. Er liegt hinter dem Tresen. Dieses Mal schreit er: „Halit, was ist mit dir?" Er nimmt seinen Sohn in den Arm. In einem Interview erzählt Ismail Yozgat später, dass sich die Augen seines Sohnes violett verfärbt hätten. Halit Yozgat stirbt durch zwei Kopfschüsse.
Victor Hernández ist einer der ersten Menschen, die Ismail Yozgat sehen, nachdem dieser seinen Sohn gefunden hat. Hernández wohnt zu der Zeit schon in dem Gebäude und kennt die Familie. „Wir haben damals in dem Haus renoviert. An diesem Tag waren Freunde aus Göttingen da. Ich habe sie nach draußen zum Auto gebracht." Dabei trifft er auf Halits Vater. „Ismail kam aus dem Laden, als er seinen Sohn gefunden hatte. Er hat geschrien, war panisch. Ich selbst stand so unter Schock, dass ich erst viel später gemerkt habe, dass seine Hände voller Blut waren. Das realisiert man in diesem Moment nicht. Man denkt nicht, dass so etwas passiert sein könnte." Hernández erinnert sich nach wie vor klar, an die Situation. „Ismail Yozgat hat geschrien: mein Sohn, mein Sohn! Ich habe an einen Unfall gedacht. Dass er vielleicht einen Anruf bekommen hat und etwas passiert ist."
Für die HNA fährt Redakteur Florian Hagemann zur Holländischen Straße, um sich ein Bild von der Lage zu machen:
Halit Yozgat wird in der Türkei beerdigt. Auf den Tod des Sohnes folgen für die Familie Jahre der falschen Verdächtigungen. „Fünf Jahre haben wir uns nicht getraut, als Familie hinauszugehen, alle haben uns feindselig angeschaut", sagt Ismail Yozgat. „Alle haben gefragt: Warum haben Sie deinen Sohn getötet?" Es gibt viele Gerüchte. Drogen. Mafia. Ismail Yozgat kann das nicht ertragen, erleidet in der Folge einen Herzinfarkt. Das alles endet erst im November 2011 - als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) auffliegt.
Nach einigen Tagen nach der Tat wird klar, dass es sich beim Mord um einen Teil der Ceska-Serie handelt, bei der bundesweit Menschen mit Migrationshintergrund mit derselben Waffe erschossen worden sind. Erst nach Jahren wird klar, dass der NSU dahintersteckt.
Ismail Yozgat erzählt später vor Gericht, dass er die Leiche seines 21-jährigen Sohnes mit den eigenen Händen ins Grab gelegt hat. Es sind immer wieder diese Aussagen, die zeigen, dass auch Jahre später noch so viel Schmerz, Unverständnis und Trauer die Familie quälen. Ein Grund dafür ist, dass die Yozgats immer noch nicht verstehen können, warum ihr Sohn, Bruder, Verwandter sterben musste. Immer wieder fragt er in Richtung der Anklagebank: „Warum haben Sie meinen Sohn getötet? Was hat er für eine Tat begangen? Mit welchem Recht haben Sie das getan? Warum haben Sie mein Lämmchen getötet?"
Am späten Nachmittag des 6. April 2006 befinden sich mehrere Menschen im Internetcafé an der Holländischen Straße 82. Die sechs Kunden wollen mit Verwandten in der Heimat telefonieren oder sitzen an den Rechnern, um im Internet zu surfen. Halit Yozgat sitzt hinter dem Tresen.
Was dann passiert, ist bis heute nicht geklärt. Einige Besucher des Cafés hören zwar gegen 17 Uhr seltsame Geräusche, wie sie später aussagen. Aber niemand will den Täter gesehen haben. Kurze Zeit nach den Geräuschen sieht ein Zeuge, dass Halit Yozgat auf dem Boden liegt. Dann betritt sein Vater das Café, sieht seinen Sohn, mit Kopfschüssen auf dem Boden liegend. Gegen 17 Uhr, so wird später rekonstruiert, muss der der Täter vor Halit Yozgat gestanden haben. Drückt einmal ab, noch einmal. Die Schüsse treffen Halit Yozgat in den Kopf - er ist das neunte Opfer der NSU-Mordserie.
In einem mehr als 800 Seiten starken Buch haben die Journalisten Stefan Aust (ehemaliger Chefredakteur des Spiegels) und Dirk Laabs die Mordserie des NSU und das staatliche Versagen bei der Aufklärung aufgearbeitet. Das Buch ist minutiös recherchiert und gilt als Standardwerk zum Thema. Auch Details aus der Beweisaufnahme im Fall Yozgat finden sich dort wieder. Die untere Grafik bezieht sich auf die Ergebnisse, die die beiden Autoren ab Seite 636 aufführen. Zu sehen sind die Zeugen die zum Tatzeitpunkt im Café waren sowie Andreas Temme, der laut eigener Aussagen kurz zuvor den Laden verlassen hat. Klicken Sie auf die Kopf-Symbole, um die Aussagen der jeweiligen Zeugen zu lesen.
Was diesen Mord von den der Serie anderen in erster Linie unterscheidet: Ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz war kurz vor der Tat, ja womöglich sogar während des Mordes vor Ort - und galt zwischenzeitlich sogar selbst als tatverdächtig: Andreas Temme aus dem Landkreis Kassel. Viele glauben, dass er der Schlüssel zur Aufklärung der Tat ist.
Es ist die immer wiederkehrende Frage, die sich um die Person Andreas Temme dreht: Was weiß dieser Mann, der für den hessischen Verfassungsschutz arbeitete, über den Mord? Schließlich soll er im Tatzeitraum im Café oder in der Gegend gewesen sein.
Am 6. April stempelt sich Andreas Temme gegen sieben Uhr an der Außenstelle des Landesamtes für Verfassungsschutz in Kassel ein. Temme hat eine Statur, die nicht so leicht zu übersehen ist: Über 1,90 Meter ist der frühere Postbeamte groß, kräftig gebaut. Der Tag verläuft sonst eher unspektakulär. Mittagessen mit einem Vetrauensmann, danach zieht es Temme in ein Internetcafé an die Frankfurter Straße. Später am Nachmittag fährt Temme, nachdem er sich um 16.43 Uhr ausgestempelt hat, schließlich zur Holländischen Straße. Dort loggt er sich um 16.50 Uhr mit dem Namen „wildman70" auf der Seite „ilove.de" ein, einer Partnerbörse.
In der Partnerböse chattet er immer wieder mit unterschiedlichen Frauen - seine Ehefrau weiß davon nichts.
Um 17.01 loggt er sich wieder aus - etwa zu diesem Zeitpunkt soll der Mord geschehen sein. Mutmaßlich begangen von den NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Temme war also während oder kurz nach der Tat vor Ort - und will bis heute nichts mitbekommen haben. Das sagte er auch im NSU-Prozess in München.
Zunächst informiert Temme aber nicht einmal die Polizei, dass er im den Zeitraum vor Ort gewesen ist. Erst nachdem ein Zeuge später von einer weiteren Person berichtet, die in dem Café gewesen ist, ermittelt die Polizei den Nutzer, der hinter dem Pseudonym "wildman70" steckt: Andreas Temme.
Am 1. Juni 2006 rekonstruieren die Ermittler das Verhalten von Andreas Temme zur Tatzeit im Internetcafé - die Kriminalpolizei in Kassel stellt mit ihm die Abläufe nach, filmt das Ganze.
Die Ermittler stellen fest: Nach dem Beenden seines Surfens im Internet um 17.01.40 bis zum Einsteigen in sein Auto an der Holländischen Straße brauchte Temme rund 1,05 Minuten. Folglich blieb anschließend noch ein Zeitraum von 41 Sekunden bis der Zeuge Hamadi S. das Mordopfer um 17.03.26 Uhr sieht. In diesem Zeitraum muss Halit Yozgat ermordet worden sein. Diesen Zeitkorridor beschreibt auch der Anwalt der Yozgats, Alexander Kienzle, im Gespräch mit der HNA.
Einige Ermittler fragen sich: Wie kann Temme in diesen 41 Sekunden nicht die Täter oder andere Auffälligkeiten gesehen haben? Falls Yozgat schon tot war, müsste ihn Temme eigentlich hinter dem Tresen gesehen haben, argumentieren die Ankläger. Schließlich will er dort auch das Geld für das Surfen im Internet bezahlt haben, weil er den Cafébetreiber nirgendwo gefunden haben will. Für Alexander Kienzle, den Anwalt der Familie Yozgat, spricht vieles dafür, dass Temme zum Tatzeitpunkt noch im Café war.
Bei Durchsuchungen der Wohnungen von Temme, einmal in den Räumen seiner Eltern und dann seiner eigenen, finden die Ermittler vier Schusswaffen - Temme hatte einen Waffenbesitzkarte - sowie Literatur, die sich mit dem Dritten Reich auseinandersetzt. Am 21. April 2006 wird er festgenommen. Als Grund, warum er nicht angegeben hat, dass er am Tattag im Laden der Yozgats war, sagt Temme: Er hätte aus Scham nichts gesagt, weil er im Laden mit einer anderen Frau gechattet hätte und weil er dort dienstlich hätte nicht sein dürfen. Zudem sei ihm zum Tattag verkürzt gesagt nichts Auffälliges aufgefallen - daher sei er nicht zur Polizei oder den Vorgesetzten gegangen.
Im Juni 2007 wird das Verfahren gegen Temme eingestellt. Es bleiben aber viele Fragen, die sich um die Person Andreas Temme und die Rolle des Verfassungsschutzes drehen. Dazu zählen:
Ein merkwürdiges Gespräch: Im Februar 2015 rückte die Veröffentlichung eines Telefongesprächs zwischen Andreas Temme und dem damaligen Geheimschutzbeauftragen des Landesamtes für Verfassungsschutz, Gerold Hasso Hess, ihn erneut in den Fokus: Sein Vorgesetzter, so geht es aus Abhörprotokollen des Telefonats vom 9. Mai 2006 hervor, riet Andreas Temme rund einen Monat nach dem Mord: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren." Dieser Satz stammt aus einem 30-minütigen Gespräch, das jetzt im Untersuchungsausschuss in Wiesbaden vorgespielt wurde. Wusste Temme also von dem geplanten Mord? Wusste der Verfassungsschutz etwas? Der Satz aus diesem Gespräch lässt diese Vermutung zumindest zu. Nicht der einzige blinde Fleck in den Ermittlungen.
Sein V-Mann "Gemüse": Um 16.10 Uhr kehrte Temme am 6. April in sein Büro in Kassel zurück und telefonierte elf Minuten lang mit seinem V-Mann Benjamin G. alias "Gemüse". Dieses Gespräch verheimlichte Temme bei den Ermittlungen nach dem Mord 2006 - warum er das tat, ist nicht geklärt. Fünf Jahre nach dem Auffliegen des NSU, wertete die Polizei noch einmal Temmes Telefondaten aus und stieß auf dieses Gespräch, gerade mal eine Stunde vor dem Mord im Internetcafé in Kassel. Außerdem rekonstruierten die Ermittler anhand von Temmes Kalender und Telefondaten, dass der Verfassungsschützer auch an zwei weiteren Mordtagen mit G. telefoniert hatte: am 8. Juni 2005 in Nürnberg und sechs Tage später in München. Es waren die Nummern 6 und 7 der Mordserie, und jedes mal war V-Mann G. zur Tatzeit in der Stadt, in der der Mord passiert. Vier Tage nach dem Mord trafen sich Temme und G. bei Burger King. Dabei soll es laut Temme wohl um Geld gegangen sein.
Dass es eine besondere Beziehung von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach Kassel gab, wird auch aus einem Fundstück aus dem Zwickauer Wohnhaus deutlich, das Beate Zschäpe in Brand steckte, bevor sie floh. Es handelt sich um einen Stadtplan von Kassel, 10. Auflage von 2002 bis 2006, mit handschriftlichen Markierungen und Notizen. Der Nebenkläger-Anwalt Kienzle fand inzwischen heraus, dass alle Markierungen, bis auf eine, auf den täglichen Fahrtrouten von Temme zu finden sind.
Auf einem Zettel, der ebenfalls im Brandschutt der Frühlingsstraße gefunden wurde, stand auf der einen Seite die Notiz: "Hollä. Str. 82" daneben sieben Zahlenreihen - die Funkkanäle des Polizeipräsidiums Nordhessen und der Leitstellen verschiedener Rettungsdienste in Kassel und Umgebung.
Die Kriminalpolizei konnte V-Männer wie Benjamin G. nicht direkt verhören - der Verfassungsschutz fürchtete, dass damit die Kontakte in die verschiedenen Szenen erlöschen könnten - vor allem, wenn sich herausstellen würde, dass Temme unschuldig ist. Im Oktober wird das ganze durch den damaligen Innenminister Volker Bouffier bestätigt: Die Aussagegenehmigungen von der V-Männer werden nicht erteilt. Ansonsten drohten Nachteile für das Wohl des Landes Hessen und die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Das Landesamt für Verfassungsschutz vernimmt nun selbst die eigenen Leute und schickt die Ergebnisse - die als überwiegend nichtssagend beschrieben werden - an die Mordermittler.
Zehn Jahre nach dem Mord gehört der Laden an der Holländischen Straße 82 Victor Hernández, dem Freund der Familie Yozgat, der damals den unter Schock stehenden Vater traf. Als die Yozgats nach einem Käufer für die Räumlichkeiten gesucht haben, hat sich der 38-jährige Imker dazu entschieden, es zu nehmen. „Eigentlich wollte ich den Laden vermieten. Mir war aber wichtig, dass jemand reingeht, der keine Spielhalle oder etwas Ähnliches daraus machen möchte. Ich habe keinen geeigneten Mieter gefunden. Deswegen habe ich den Laden jetzt selbst übernommen", erklärt er. Entstehen wird dort die Kasseler Stadthonig-Imkerei. Im Mai, etwa um Pfingsten, soll Eröffnung sein. Momentan wird noch renoviert.
Am Todestag von Halit Yozgat finden Gedenkveranstaltungen statt - erstmals am 6. Jahrestag, nach dem Auffliegen des NSU. 400 Menschen nehmen damals daran teil. Im Oktober 2012 wird eine Gedenktafel aufgestellt, die in ähnlicher Form an allen Orten zu finden ist, an denen Menschen Opfer des NSU wurden.
Im Oktober 2012 wird in der Kasseler Nordstadt zudem der „Halitplatz" eingeweiht, an der Kreuzung Holländische Straße/Mombachstraße, gegenüber dem Philipp-Scheidemann-Haus. Außerdem trägt die Straßenbahnhaltestelle in der Nähe zur Holländischen Straße 82 nun den Namen „Halitplatz". Ismail Yozgat wollte zudem, dass die Holländische Straße in „Halit-Straße" umbenannt wird. Diese Umbenennung wurde von der Stadt allerdings abgelehnt.
Der Familie Yozgat gehe es inzwischen den Umständen entsprechend gut, berichtet der Anwalt Alexander Kienzle. Gleichwohl wollen die Yozgats weiterhin relativ wenig in der der Öffentlichkeit auftreten, gerade im Zusammenhang mit dem noch laufenden Verfahren in München. Die Familie erhoffe sich auch zehn Jahre nach dem Mord eine voll umfängliche Aufklärung der Dinge, die damals passiert sind. Und sie wolle das möglichst wenig mit persönlichen Aspekten bereichern, sondern sei an einer Sachaufklärung interessiert.
Warum fiel ausgerechnet Halit dem Mord zu Opfer? Diese Frage beschäftigt die Yozgats bis heute sehr stark, berichtet Kienzle. Bis heute seien die Auswahlkriterien des NSU - sofern man das so bezeichnen will - weitestgehend unaufgeklärt. Es gebe verbindenden Elemente, alle neun Opfer seien gut integrierte Menschen mit Migrationshintergrund gewesen und Kleingewerbetreibende. Es sei aber noch völlig offen, wie die konkreten Personen und Orte ausgewählt wurden. „Und natürlich ist das eine ganz große Belastung für die Familie bis heute, nicht zu wissen, warum ihr Sohn, ihr Bruder in den Fokus dieser Mordserie geraten ist."
4. November 2011: Das Ende des NSU. Nach einem Überfall auf eine Sparkasse in Eisenach fahndet die Polizei nach einem Wohnmobil, in dem die Täter geflüchtet sein sollen. Als sie sich dem Fahrzeug nähern, werden sie beschossen. Kurze Zeit später fängt das Wohnmobil an zu brennen. Nachdem die Feuerwehr das Feuer gelöscht hat, werden im Inneren zwei Leichen gefunden. Sie werden später als Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos identifiziert - sie haben sich vermutlich selbst umgebracht. In dem Wohnmobil werden unter anderem die Dienstwaffe der erschossenen Polizistin Kiesewetter und über 100.000 Euro Bargeld gefunden. Am selben Tag explodiert ein Wohnhaus in Zwickau - vermutlich die Wohnung der Terrorgruppe. Vier Tage später stellt sich Beate Zschäpe der Polizei in Jena.
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