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Alba: Lesen und verstehen

Berlin –  

Warum Flügelspieler Zach Morley für Alba so wertvoll ist. Und warum ihn mit Trainer Obradovic mehr als die Frisur verbindet. Bedeutende Fragen vor dem Euroleague-Spiel gegen Siena am Donnerstag.

Eine Glatze ist für einen Basketballer keine ungewöhnliche Frisur, doch bei Alba finden sich nur zwei, Cheftrainer Sasa Obradovic und Forward Zach Morley, die kahlgeschoren unterwegs sind. Für den US-Amerikaner Morley, der vor der Saison aus der Ukraine nach Berlin wechselte, hat sich sein Erkennungsmerkmal bereits ausgezahlt. Nach dem Spiel gegen die Dallas Mavericks Anfang Oktober in Berlin war es Dirk Nowitzki, der lobende Worte nicht nur für Albas Topscorer Deon Thompson, sondern auch „für den Typ ohne Haare“ fand.

Vielleicht kennt Nowitzki seinen Gegenspieler von einst inzwischen sogar per Namen. Sollte der deutsche Star in den vergangenen Wochen, in denen er Dallas verletzt fehlte, einen Blick auf die Basketball-Bundesliga (BBL) geworfen haben, kann ihm Zach Morley nicht entgangen sein. Der 2,03 Meter große Small Forward hat sich zu einem der vielseitigsten Spieler der Liga entwickelt. „Ich mache die kleinen Sachen, die dem Team helfen zu gewinnen: Körbe werfen, Rebounds holen, verteidigen“ – so einfach ist die Sache für den bescheidenen Morley.

Tatsächlich führt der 29-Jährige das sogenannte Plus-Minus-Ranking der BBL an, das anzeigt, wie die Punkteausbeute einer Mannschaft mit und ohne einen Spieler ist. Steht Morley auf der Parkett, läuft es für Alba also wesentlich besser als ohne ihn. Darauf angesprochen, zeigt sich Morley überrascht, er kennt die Statistik gar nicht. Nach kurzer Verwirrung antwortet er jedoch selbstbewusst: „Ich will daran arbeiten, dass sie so bleibt.“


Für Sasa Obradovic, der als Coach des ukrainischen Teams BK Donezk in den vergangenen beiden Spielzeiten 16 Spiele gegen Morley und seinen damaligen Verein Budivelnyk Kiew bestritt, ist die Statistik logisch und eine Bestätigung seiner Personalpolitik. Morley war einer der ersten Spieler, den er als neuer Alba-Trainer nach Berlin lotste. Und so sagt er: „Ich bin nicht überrascht. Seine Beweglichkeit und seine Fähigkeit ein Spiel zu lesen und zu verstehen, sind sehr hoch.“ Obradovics Lob endet mit der für ihn – den Beschwörer der Rotation – ultimativen Anerkennung: „Ich fühle mich an der Seitenlinie sicherer, wenn ich ihn auf dem Feld sehe.“

Um seine Einsatzzeit muss Morley vor dem womöglich vorentscheidenden Euroleague-Spiel am Donnerstag gegen Montepaschi Siena (20.45 Uhr, Arena am Ostbahnhof) also nicht bange sein. Gewinnt Alba auch den zweiten Vergleich gegen die Italiener stehen die Chancen gut, in der Königsklasse des europäischen Basketballs zu überwintern: Alba (4.) und Siena (3.) liegen mit zwei Siegen und drei Niederlagen gleichauf.

Für Morley ist Alba „nah dran“ an den Spitzenteams. Er sagt: „Auch bei den Niederlagen gegen Tel Aviv, Málaga und Gdynia hatten wir unsere Chancen.“ Ein Sieg gegen Siena würde Albas Position unter den ersten vier festigen, die zur Qualifikation für die nächste Runde berechtigt.

Wie konzentriert und dominant die Mannschaft auftreten kann, hat sie insbesondere am ersten Spieltag mit dem 92:82-Sieg beim italienischen Meister gezeigt. Doch ein Selbstläufer wird das Rückspiel in Berlin dadurch nicht. Siena hat zuletzt den polnischen Meister Gdynia in dessen Halle 101:61 besiegt und dabei mit 19 Dreiern einen neuen Euroleague-Rekord aufgestellt. Bei Alba verweisen sie dennoch vor allem auf die Defensivstärke der Italiener, auch da sind sich Morley und Obradovic einig.

Nach den vielen Spielen in Bundesliga und Euroleague der vergangenen Wochen ist die Mannschaft, so Morley „ein bisschen müde“. Alle haben, „ein paar blaue Flecken und Beulen“. Im Training wird sich dennoch nicht geschont, wie man an Morleys schweißüberströmter Glatze nach der Übungseinheit sehen kann. Obradovic fordert viel von seiner Mannschaft, und Morley erkennt das an: „Wir arbeiten hart, aber intelligent. Alles hat seinen Zweck. Wir laufen nicht sinnlos das Feld hoch und runter.“

Die Achtung, mit der die die beiden ehemaligen Konkurrenten aus Kiew und Donezk übereinander sprechen, verrät auf jeden Fall eines: Sie verbindet weitaus mehr, als nur ihre Frisur.

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