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Einfach nicht mehr melden – warum Ghosting richtig mies ist

Abtauchen, sich nicht mehr melden - einen Kontakt beenden kann man auf verschiedene Art und Weisen. Ghosting ist die falsche.

Ghosting kennen Sie nicht? Oh, ich fürchte, doch. Denken Sie etwas zurück. Da hieß diese Strategie, einen Kontakt abzubrechen noch: „Sich einfach so lange nicht mehr melden bis der Andere es kapiert hat und aufgibt".

Weswegen Ghosting nun in aller Munde ist? Weil es immer gesellschaftsfähiger wird. Das ist erschreckend. Und dafür gibt es mehrere Gründe: soziale, kulturelle und persönliche. So denken viele Menschen, was digital mit einem Anstupser oder einem Wischer in einer App begann, müsse auch nicht formvollendet beendet werden. „Wisch & Weg" eben. In aktuellen Umfragen finden es die Befragten bis 30 Jahre normal, per Textnachricht Schluss zu machen. Und das Schlimme dabei: Besser als Ghosting ist ein Ende per SMS tatsächlich.

Generation „Wisch & Weg"?

Überhaupt ist es so eine Sache mit der Verbindlichkeit: Immer weiter in die 30er verschiebt sich nach Angaben der Standesämter und des Statistischen Bundesamtes das Alter der Paare, die heiraten oder an Familienplanung denken. Singles, Mingles - maximale Freiheit bei minimaler Verpflichtung. Die Furcht vor dem Alleinsein im Alter darf kein Grund für eine übereilte Partnerwahl sein und natürlich lässt sich Lebensglück auch als Single finden. Wer mit anderen fühlenden, leidenden und liebenden Menschen umgeht, als seien sie nur ein Posting in der Timeline, sollte im Alter mit nicht mehr als einer WhatsApp-Nachricht zum 70. Geburtstag rechnen.

Ghosting ist ein Phänomen und ein Symptom. „Abtauchen" gab es immer, das findet sich sogar in der romantischen Literatur. Neu ist aber, dass die Phase, in der Ghosting vorkommt, beim Kennenlernen immer weiter nach hinten gerutscht ist. Also in eine Zeit, in der eigentlich eher Verbindlichkeit erwartet würde, da man ja bereits viel Zeit miteinander verbracht hat.

Die US-Amerikaner pflegen ja diese seltsamen Dating-Regeln. Wer sich nicht binnen 48 Stunden zurückmeldet, hat kein Interesse. Vor dem Hintergrund der Ghosting-Diskussion muss man zugeben: Das war fürs erste und zweite Date richtig praktisch und sogar ehrlich. Da wusste man zumindest frühzeitig woran man ist und musste sich gar nicht mehr groß miteinander auseinandersetzen. Hat eben nicht gepasst.

Ghosting passiert auch noch nach Monaten

Ich erlebe aber heute in der Beratung Fälle, in denen Ghosting nach Monaten statt einer konkreten Absage gemacht wird. Und das ist sehr, sehr verletzend. Schließlich haben beide bereits Zeit und Emotionen investiert.

Ghosting kommt fast immer ohne Vorwarnung. Da wurden Vertrauen und Verbundenheit aufgebaut, Pläne geschmiedet - und alles ist plötzlich nichtig. Das Verliebtsein-Gefühl ist noch da und passt nicht mit der neuen Realität zusammen. Schmerzhaft ist für die Betroffenen aber nicht nur, dass ihnen die rosaroten Wolken unter den Füßen weggezogen wurden - kränkend ist, dass dies ohne Erklärung geschieht. Um im Bild zu bleiben: Die oder der Betroffene hängt nun mit seinen Selbstzweifeln in der Luft. Für das Selbstwertgefühl ein echter Schlag, schließlich wird sich jeder halbwegs empathische Mensch die Frage stellen: "Habe ich etwas falsch gemacht? Was war mein Fehler?"

Und nicht vergessen darf man auch, dass sich Menschen Sorgen machen. Es könnte ja auch etwas passiert sein.

Wer „ghosted", ist feige. Punkt.


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