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Die Ungeschützten

Extremwetterereignisse gefährden Menschen mit Behinderung, Alte, Kranke, Frauen und Kinder stärker. Wie schützt man sie in Zeiten der Klimakrise?

Schon von der Bundesstraße aus erblickt man die Erdmassen. Gewaltig ragen sie in die Luft, verdecken die Sicht auf den kleinen Ort dahinter, Treffen am Ossiacher See in Kärnten. Sie erinnern auch im Mai noch an das, was gut ein Jahr zuvor in diesem Tal passiert ist: Weil es hier am 29. Juni 2022 innerhalb von vier Stunden so viel regnete wie sonst innerhalb des ganzen Monats, trat der Treffner Bach über das Ufer, Muren verschütteten die Häuser teils bis zum ersten Stock. Ein 82 Jahre alter Mann starb in den Schlamm- und Wassermassen.

Wo Jürgen heute über all das spricht, hätte er an diesem Tag nicht sitzen dürfen - sonst hätte auch ihn vielleicht ein Erdrutsch getroffen. Er wohnt in Winklern, einem Ortsteil von Treffen, in einem Wohnhaus für Menschen mit Behinderungen. Jürgen lehnt sich an die Wand des Hauses der Diakonie de La Tour und hebt seinen Zeigefinger: „Dort hinterm Haus, da ging eine Mure ab. Bis runter ins Tal, auf den Acker", erinnert er sich. In diesem Fall standen er und seine Mitbewohner am Hügel, sicher vor dem Hochwasser, verschont vom Erdrutsch. Glück im Unglück, denn das Netz der Sicherheit ist für Jürgen, der mit einer Lernbehinderung lebt, schwächer als für andere.

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