Benedict Wells ist ein Literaturstar. Nun ist sein neuer Roman erschienen, der Bestellerstatus ist vorprogrammiert. "Hard Land" ist eine Hommage an die Jugendfilme der Achtziger - und ähnlich vorhersehbar.
Manchmal kann der beste Sommer auch der schlimmste sein. Wer jemals 16 war und diese Zeit nicht vor der Playstation oder am JU-Stammtisch verbracht hat, weiß das. Zu keiner anderen Zeit wechseln sich Kummer und Glück rasanter ab, zu keiner anderen Zeit kann ein schmerzendes Herz schneller sprinten. Bei Sam allerdings hat das nicht ausschließlich mit dem Teenagerdasein zu tun.
Klar, in diesem Sommer verliebt er sich zum ersten Mal. Und, wieder klar, leidet auch zum ersten Mal an Liebeskummer. Benedict Wells weiß halt, was in keinem Coming-of-Age-Roman fehlen darf. Er hat ja auch schon einige geschrieben. Bei Sam allerdings, dem Helden aus Wells' neuem Buch "Hard Land", hat das mit dem Kummer noch eine andere Ursache. "In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb", lässt Wells seinen Icherzähler die Geschichte beginnen.
Dass Wells es liebt, solche ersten Sätze wie kleine Bomben auf die Seiten regnen zu lassen, hat er bereits in seinem bisher populärsten Roman gezeigt. Dass er sich für das Sterben interessiert, auch. "Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich", ließ er seinen Protagonisten "Vom Ende der Einsamkeit" eröffnen.
Obwohl Wells durch "Spinner", "Becks letzter Sommer" und "Fast genial" bereits bekannt geworden war, machte dieser Roman Wells 2016 zu einem Shootingstar der deutschen Literatur. Mit ihm stand er anderthalb Jahre auf der Bestsellerliste, seinetwegen pilgerten Hunderte junge Frauen zu seinen Lesungen. Warum? Weil er sich an Weltschmerz abarbeitet, seine Geschichten stets mit einem Sound grundiert, der zwischen Pathos und Tiefgang oszilliert und zwischen Kitsch und Melancholie. Und weil er Figuren schafft, die auf der Suche sind - nach sich selbst, dem Leben und der Liebe, und einem Weg, endlich das gigantische Loch zu stopfen, das sie von innen auffrisst.
So eine Figur ist auch Sam, ein schmächtiger Teenager ohne Freunde, Bartwuchs und Selbstbewusstsein. Er lebt in Grady, einem kleinen Kaff in Missouri, umgeben von mehr Feldern als Menschen und einem Friedhof, dessen Stille einzig das Summen in seinem Kopf schluckt. Weil er mal unter Panikattacken litt, halten ihn seine Mitschüler für einen Freak (und wohl auch, weil er irre gut in Mathe ist). Er selbst hält sich bloß für einen Feigling. Als seine Mom, der einzige Mensch, der ihn versteht, an Krebs erkrankt, ziehen sich die Bindfäden noch ein Stück enger um sein leidgeplagtes Herz.
Natürlich wird sich das alles in diesem Sommer 1985 ändern. Ein Underdog bleibt selten ein Underdog, und erst recht keiner, der aus so vielen Außenseiterklischees wie Sam zusammengesetzt ist. Die Lesenden ahnen das bereits, als der Teenager den Ferienjob in dem einzigen Kino der Stadt antritt - und dort nicht nur Marty McFly (aus "Zurück in die Zukunft") und John Bender (aus "The Breakfast Club") kennenlernt, sondern sich dort mit seinen Kollegen Kirstie, Hightower und Cameron anfreundet.
Weil Sam gleich im ersten Satz verraten hat, dass seine Mom in den nächsten Wochen sterben wird, wird das Warten auf ihren Tod zum traurigen Takt der Lektüre. Vielleicht hat man daher häufig das Gefühl, dass in "Hard Land" bloß Vorhersehbares geschieht. Vielleicht liegt das aber auch an Wells' Thema.
Der US-amerikanische Kleinstadtsommer der Achtziger ist durch aberwitzig viele Romane, Songs und Filme kanonisiert. Die Sehnsucht danach ist mittlerweile so abgegriffen wie die Stereotype, durch die wir ihn erzählen. Statt die Klischees als solche zu entlarven oder zu beantworten, warum wir immer noch mit dem "Breakfast Club" nachsitzen wollen, verdickt Wells die Achtzigersuppe weiter.
Mit Sams neuen Freunden und seiner empathischen Mutter ist es Wells gelungen, liebenswerte Nebenfiguren zu installieren. Leider helfen sie weder über den schablonenhaften Plot noch über den Icherzähler hinweg, der bei Angstattacken 30 Nachkommaziffern von Pi aufzählt, und damit wohl der erste Underdog ist, der tatsächlich wegen seiner Außenseiterhaftigkeit nervt.
Dass er seine Ängste irgendwann überwindet, ist schön für ihn. Aber auch schade - denn ein furchtsamer Junge, der gegen Maskulinitätsklischees und das Erwachsenwerden gleichermaßen rebelliert, hätte eine spannendere Figur ergeben. Und eine Geschichte darüber, dass es völlig okay ist, Angst zu haben, vor der Zukunft und dieser Welt, die es mit introvertierten Charakteren eben leider nicht besonders gut meint, einen reizvolleren Roman.