Da ist das Model im Glitzerfummel, da ist die gottesfürchtige Church-Lady, die Frührentnerin aus Köln, die rappende Lesbe aus dem Görlitzer Park. Alles schwarze Frauen, die in Deutschland leben. Alle werden gespielt von der Schauspielerin Thelma Buabeng in der Comedy-Serie "Tell Me Nothing from the Horse".
Elisa von Hof
"Als schwarze Schauspielerin in Deutschland musste ich mir schon viel Mist anhören", sagt Buabeng, "mit diesen Figuren versuche ich, damit umzugehen. Sie bilden den Querschnitt der Gesellschaft - überspitzt dargestellt." Buabeng, 37, hat für den " Tatort" vor der Kamera gestanden, für ZDF-Mehrteiler ("Das Adlon") und auf der Bühne in Frank Castorfs "Faust", der sieben Stunden dauerte. Aber die Comedy-Sendung über fünf unterschiedliche Frauen, von der aktuell die zweite Staffel zu sehen ist, die ist ihr eigenes Ding:
Hätte Buabeng die ersten Folgen jetzt gedreht, könnte man die Serie für die direkte Antwort auf #MeTwo halten. Über die Debatte, die durch Mesut Özils Rassismusvorwürfe gestartet wurde, sagt sie jetzt: "Dass ein junger Sportler, der Tor um Tor für die deutsche Nationalmannschaft schießt, rassistisch beleidigt und das angezweifelt wird - das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden mit Migrationshintergrund, auch wenn ich dieses Wort hasse, weil es sich anhört wie eine Krankheit", sagt sie und stützt die Hand auf ihre Hüfte.
Sie will sich wehren. Vielleicht hat sie deshalb beschlossen, diese Serie zu produzieren. Um den Mund aufzumachen - den grell geschminkten von Vivian, die Model ist, Tänzerin und, klar, Lifestyle-Beraterin. Oder den von Gladys, die ihre Haare kurz trägt und die Hände zum Gebet faltet. Und den von Mary-Jo, Naomi und Annemie. Wenn Buabeng von einer zur anderen wird, wechselt sie die Alter Egos so mühelos, dass man vergisst, wer da eigentlich vor der Kamera sitzt. Auch deswegen funktioniert "Tell Me Nothing from the Horse" so gut: Der Witz entsteht durch Buabengs komödiantisches Talent, durch den famos herausgestellten Kontrast zwischen den Figuren.
Nach den Endorphinen kommt die Ernüchterung
Die Tochter ghanaischer Eltern wächst in Meckenheim auf - südlich von Bonn, mehr Äpfel und Zuckerrüben als Einwohner. Im Kindergarten ist sie das einzige schwarze Mädchen, in der Schule auch.
Wirklich gestört, sagt sie, habe sie Rassismus aber erst in der Schauspielausbildung in Köln. Damals fragen sie Dozenten, was sie auf der Bühne wolle, da gäbe es doch keine Rollen für schwarze Schauspielerinnen. Später im Job sagt ein Produzent ihr, er wolle nur eine schwarze Person in seinem Film, um die Zuschauer nicht zu irritieren. Und eine Autorin meinte, so erzählt sie es, sie könne ihr keine deutsche Rolle schreiben, denn man müsse den Zusehern ja erklären, wie sie es aus dem "Busch Afrikas" nach Deutschland geschafft habe.
"Das Leben, das ich führe, das wird im deutschen Fernsehen nicht dargestellt", sagt Buabeng. Klar, wenn es um Fluchtgeschichten geht, um Kolonialismus und das Rotlichtmilieu, dann sind schwarze Frauen zu sehen. Aber sonst? Buabeng zuckt die Achseln.
Als sie das Angebot bekommt, eine Staatsanwältin zu spielen, denkt Buabeng, sie hat sich verhört. "Heißt die Sendung so?", fragt sie ihre Agentin. Sie kann nicht glauben, dass es um eine Rolle für sie geht. Dass sie die erste schwarze Staatsanwältin mit deutschem Namen im ZDF-Film "Am Ruder" spielen sollte, keine Geflüchtete, keine mit dramatischer Familiengeschichte, das freute sie. So sehr, dass auch jetzt in Berlin ihre Hände durch die Luft fliegen. Um dann zu stoppen und auf den Knien zu landen wie abgestürzte Segelflieger. Denn nach den Endorphinen kommt immer die Ernüchterung. Dass man sich darüber überhaupt freuen muss. Sie verdreht die Augen, als wollte sie sagen: Ganz im Ernst? Wir haben 2018, Leute!
Sie nervt es, wenn "Biodeutsche darüber diskutieren, was Rassismus überhaupt ist. Woher wollen sie das wissen? Wie können sie es wagen, darüber zu urteilen?", fragt sie, ohne eine Antwort zu erwarten, die Hand zerhackt den Oberschenkel im Takt der Silben. Sie selbst hat erlebt, wie eine Zahnärztin ihr während der Behandlung über die Haut streichelte, weil die so samtig sei. Oder wie am Berliner Ostkreuz eine Gruppe auf sie losging.
"Wem gehört die Welt? Uns allen"
Aber vielleicht ändert sich auch langsam etwas, zumindest in der Fernsehbranche? Florence Kasumba soll bald als erste schwarze " Tatort"-Kommissarin in Göttingen ermitteln - nachdem sie bereits in den US-amerikanischen Actionfilmen "The First Avenger: Civil War" und "Black Panther" mitgespielt hat. "Ist das die Voraussetzung für schwarze Schauspielerinnen in Deutschland?", sagt Buabeng. "Dass ich erstmal in einem Hollywood- Blockbuster mitgespielt haben muss, ehe ich in Deutschland als 'Tatort'-Kommissarin in Erwägung gezogen werde? Wenn dem so ist, dann läuft einiges falsch." Sie freue sich natürlich für Kasumba. "Aber sie hätte es schon vor Jahren verdient, so eine bedeutende Rolle zu bekommen." Da ist sie wieder, die Ernüchterung. Buabengs "Wir haben 2018, Leute!".
Auf Facebook postet Buabeng immer seltener über ihre Erfahrung mit Diskriminierung. Sie hält die Kommentare nicht mehr aus. Sie fächelt der Debatte auf Youtube Luft zu, ehe man an ihr erstickt: "Wem gehört eigentlich die Welt?", fragt Mary-Jo in "Tell Me Nothing from the Horse" und schaut in die Kamera. Schnitt. "Jeder ist doch sich selbst der Nächste. Können wir jeden retten? Können wir nicht", sagt Annemie und schiebt die Brille auf die Nase. Schnitt. Mary-Jo: "Wem gehört die Welt? Uns allen. Das ist die Message." Und plötzlich ist Buabeng doch nicht ganz verschwunden hinter ihren Figuren. Sie ist ganz da.
"Tell Me Nothing from the Horse" bei Youtube. Neue Folgen gibt es immer montags um 18 Uhr.